Aufzug zum dritten Akt. Nach dem Arbeitsentwurf im Februar und dem Referentenentwurf im August liegt mittlerweile eine dritte Fassung der Novelle zum Kreislaufwirtschaftsgesetz vor, die im Anschluss an die Anhörungstermine im September nochmals überarbeitet worden ist. Das Dokument trägt immer noch den Hinweis, dass es unter den Bundesministerien nicht abschließend abgestimmt ist.
Da in den Anhörungen und den schriftlichen Stellungnahmen zu vielen Details des August-Entwurfs Kritik geäußert worden ist und Verbesserungsvorschläge unterbreitet worden sind, hat mancher Zeitgenosse mit einer erheblich überarbeiteten Neufassung des Entwurfs gerechnet... das war ein Rechenfehler.
Stattdessen: Kaum substantielle Änderungen. Das Bundesumweltministerium hat teilweise vehemente Kritik in sehr vielen Bereichen – aus welchen Gründen auch immer – unberücksichtigt gelassen. Besonders bemerkenswert am November-Entwurf ist daher vor allem, was nicht geändert worden ist.
Zum Beispiel:
- Keine Änderung des wahrscheinlich zu engen Begriffs „Bauwerke“ beim
Ausnahmetatbestand in § 2 Nr. 10 KrWG.
- Keine Klarstellung des Erzeugerbegriffs bei Baumaßnahmen.
- Keine Änderungen der komplizierten Regelungsmechanismen zur fünfstufigen
Abfallhierarchie in den §§ 6 bis 8 KrWG. Ausnahme: Abgesehen von
redaktionellen und sprachlichen Klarstellungen ist die spezielle Regelung zu
den nachwachsenden Rohstoffen im Rahmen der Heizwertklausel - § 8 Abs. 2
Satz 3 KrWG – gestrichen worden.
- Keine allgemeine, d. h. stoffstromunabhängige Privilegierung von Qualitäts-
sicherungssystemen. Wie bisher findet sich Derartiges als Neuregelung nur
bei Bioabfällen und bei den Klärschlämmen.
- Keine Änderung der von vielen Seiten angegriffenen Regelung zur ge-
werblichen Sammlung in § 17 Abs. 3 KrWG.
- Keine Konkretisierung der Wertstofftonne.
- Keine – von Änderungen beim A-Schild abgesehen – Erleichterungen beim
Sammeln, Befördern, Handeln und Makeln von Abfällen im Rahmen
wirtschaftliche Unternehmen.
- Keine Abschwächung der im Vergleich zum Kreislaufwirtschafts- und Abfall-
gesetz deutlich verschärften behördlichen Interventionsbefugnisse beim
Entsorgungsfachbetrieb.
Es hat aber auch Änderungen gegeben. Hierbei ist ein neugeschaffener Absatz 5 in § 18 KrWG hervorzuheben. Die zitierte Vorschrift regelt insgesamt das Anzeigeverfahren bei gewerblichen Sammlungen. Der im Vergleich zum August-Entwurf neugeschaffene Absatz 5 enthält die Befugnis für die beteiligten Behörden, einen Mindestzeitraum für die gewerbliche Sammlung von einem Jahr vorzusehen, sieht eine Art von kommunalen Mehrkostenerstattungsanspruch bei vorzeitiger Beendigung der Sammlung vor sowie beinhaltet die Option zur Anordnung von diesen Anspruch deckenden Sicherheitsleistungen. Die Regelung trägt kommunalen Bedenken Rechnung. Sie wird voraussichtlich im Grundsatz gewerbliche Sammlungen erleichtern bzw. deren generelles Untersagen erschweren. Sie wird allerdings insbesondere in den Reihen der mittelständischen privaten Entsorgungswirtschaft kaum Begeisterung auslösen.
Die Rufe zur Entschärfung der Regelung zum A-Schild sind zum Teil erhört worden. Nach dem geänderten § 55 gilt die Pflicht zur Kennzeichnung des Transports durch Warntafeln nicht für Sammler und Beförderer, die „aus Anlass eine anderweitigen gewerblichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit, die nicht auf die Sammlung und Beförderung von Abfällen gerichtet ist, Abfälle sammeln oder befördern.“ Abgesehen von Rechtsanwälten, die an der Durchführung von Bußgeldverfahren interessiert sind, dem BAG und den Produzenten von A-Schildern wird die Regelung sicherlich begrüßt werden. Sie wirft allerdings neue Abgrenzungsfragen auf: Was ist der genaue Unterschied zu der durch § 55 in der Neufassung befreiten Tätigkeit zu einem Abfalltransport im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmen im Sinne des § 3 Abs. 10 und 11 KrWG, der wiederum von einem gewerblichen Abfalltransport unterschieden werden muss. Die Begründung des geänderten Gesetzentwurfs sagt zu dieser Frage bedauerlicherweise nichts.
Wie schon in den Vorentwürfen stehen bedeutsame Dinge auch im erläuternden Teil des Gesetzentwurfs. Der Entsorgungspraktiker sollte daher nicht übersehen, dass in einzelnen Passagen auch die Formulierungen der Begründung des Entwurfs geändert oder ergänzt worden sind. Beispielhaft zu nennen sind hierbei etwa die neuen Hinweise zur Begriffsbestimmung für die Bioabfälle in § 3 Abs. 7 KrWG. Bemerkenswert ist auch die neu in die Begründung zur Recyclingdefinition des § 3 Abs. 25 KrWG aufgenommene Passage, wonach die Aufbereitung zu und die Verwendung von Kunststoffen als Reduktionsmittel im Hochofen Recycling darstellt. Derartige Änderungen sollten nicht unterschätzt werden. Abgesehen davon, dass sie den Regelungsgehalt einer Vorschrift verdeutlichen (können), werden sie bei späteren Auslegungsstreitigkeiten von Behörden und Gerichten herangezogen.
Änderungen in der Begründung zum Gesetz finden sich auch in einem Abschnitt mit der Überschrift „Kosten für die Wirtschaft“. Dort heißt es u. a.:
„Für die in der Abfallwirtschaft tätigen Unternehmen dürften zunächst die unter V. 1 b) genannten Vereinfachungen und Verbesserungen der Vollziehbarkeit des Gesetzes und die daraus folgend erhöhte Rechts-, Planungs- und Investitionssicherheit eine erhebliche Kostenentlastung mit sich bringen.“
In Teilbereichen mag diese Prognose zutreffen. Zu den „unter V. 1 b) genannten „Neuerungen“ gehört aber auch die Neuregelung der Grenze zwischen öffentlicher und privater Entsorgung. Nach Einschätzung der Verfasser dieses Newsletters wird diese Grenze allerdings durch Regelungen wie diejenige zur gewerblichen Sammlung in § 17 Abs. 3 KrWG gerade nicht präzisiert. Sie schafft keine Rechts- und Planungssicherheit. Weder für Kommunen noch für die private Entsorgungswirtschaft. Sie löst damit neue kostenträchtige Streitigkeiten aus.
Manch einer profitiert davon. Deshalb gilt wie immer: Fragen dazu? Fragen Sie uns!
Einen Veranstaltungshinweis finden Sie hier.
PS.: Wie geht es weiter? Ressortabgestimmter Entwurf möglichweise noch im November. Danach Notifizierung des Gesetzentwurfs nach Brüssel. Entscheidung des Bundeskabinetts. Parlamentarisches Verfahren im Frühjahr. Inkrafttreten des Gesetzes in der zweiten Jahreshälfte. Die zweite Jahreshälfte endet am 31.12.2011.