Die Digitalisierung macht das Wirtschaftsleben schnelllebiger und fordert den Wirtschaftsteilnehmern zunehmend mehr Aufmerksamkeit bei der richtigen Selektion von Informationen ab. Dass diese Erkenntnis nicht zuletzt auch für Vergabeverfahren gilt, zeigt eine aktuelle Entscheidung der VK Bund (Beschl. v. 18.01.2019 - VK 1-113/18, abrufbar unter folgendem Link). Eine Bieterin in einem europaweiten Ausschreibungsverfahren musste hier schmerzlich erfahren, welche Konsequenzen es haben kann, wenn man übersieht, dass ein Leistungsverzeichnis während der Angebotsphase durch eine Aktualisierung geändert worden ist.
Was war passiert?
Die öffentliche Auftraggeberin führte europaweit ein offenes Verfahren über den Abschluss von Rahmenverträgen durch. Nach Auftragsbekanntmachung teilte sie sodann den Bietern mit, dass das zum Download zur Verfügung gestellte Leistungsverzeichnis – wegen eines technischen Defekts der Datei – geändert worden sei. Die Auftraggeberin lud infolge dessen ein neues (und in einem Leistungsposten auch inhaltlich geändertes) Leistungsverzeichnis hoch und wies die Bieter darauf hin, dass sie für die Angebotsabgabe stets das aktuellste Leistungsverzeichnis benutzen müssten.
Es kam, wie es kommen musste: Eine Bieterin reichte zwar fristgerecht ein Angebot ein, verwendete dabei jedoch das überholte, erste Leistungsverzeichnis. Die Auftraggeberin schloss das Angebot anschließend von der Wertung aus; hiergegen wehrt sich die Bieterin mit ihrem Nachprüfungsantrag vor der Vergabekammer des Bundes.
Entscheidung der VK Bund: Verwendete Altfassung stellt „Änderung der Vergabeunterlagen“ dar
Die mit dem Nachprüfungsantrag befasste VK Bund gibt der Auftraggeberin Recht und stellt klar, dass auch die Verwendung einer veralteten Version des Leistungsverzeichnisses eine – zum Ausschluss führende – Änderung der Vergabeunterlagen i.S.d. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV darstellt.
Die Verwendung der Altfassung des Leistungsverzeichnisses sei jedenfalls wertungsmäßig als „Änderung“ der Vergabeunterlagen einzustufen, da auch in diesem Fall eine Abweichung zwischen dem abgegebenen Angebot und der (in den Vergabeunterlagen dokumentierten) Nachfrage des öffentlichen Auftraggebers vorliege. Es komme dabei nicht darauf an, ob der Bieter ein vorgegebenes Formular selbst physisch geändert oder eine nunmehr überholte Altfassung der vom Auftraggeber vorgegebenen Unterlagen verwendet habe.
Fazit
Die Auslegung des § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV durch die VK Bund überzeugt. Die Entscheidung zeigt deutlich, dass Bieter auch nach der Auftragsbekanntmachung im Blick behalten müssen, welche Aktualisierungen die öffentlichen Auftraggeber während des Vergabeverfahrens veröffentlichen. Dabei genügt es nicht, aktualisierte Unterlagen nur zu überfliegen. Die Unterlagen sollten vielmehr zeitnah nach deren Veröffentlichung ausgewertet und umfangreich auf Unklarheiten, Widersprüche etc. geprüft werden. Dies gilt nicht nur bei der ersten Veröffentlichung, sondern auch bei etwaigen Aktualisierungen.