Mit Beschluss vom 23.04.2008 (4 E 880/08) hat sich nun auch das VG Hamburg der aktuellen Rechtsprechung zugunsten der gewerblichen Sammlung von Altpapier aus privaten Haushaltungen angeschlossen. Es hat im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zugunsten des privaten Entsorgungsunternehmens entschieden, da nach seiner Auffassung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der seitens der Freien und Hansestadt Hamburg ergangenen Untersagungsverfügung bestünden. Das private Entsorgungsunternehmen könne sich für die beabsichtigte Altpapiersammlung auf § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG berufen. Dessen Voraussetzungen lägen vor – insbesondere stünden dem Vorhaben des Entsorgungsunternehmens keine öffentlichen Interessen entgegen, welche die von der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interessen des privaten Entsorgungsunternehmens an der gewerblichen Sammlung überwiegten. Offengelassen hat das VG Hamburg dagegen, ob bereits § 13 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz, Abs. 2 KrW-/AbfG die Einschaltung eines Dritten in die Verwertung der Abfälle zulässt. In der Sache hatte ein privates Entsorgungsunternehmen ordnungsgemäß eine gewerbliche Sammlung flächendeckend für das Gebiet Hamburg angezeigt. Die Besonderheit besteht allerdings darin, dass erstmals zeitgleich auch von kommunaler Seite eine kommunale Papiertonne parallel eingeführt werden soll.
Kein Schutz vor privater Konkurrenz
Bei der Beurteilung des Vorhabens im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG dienten die Zwecke des Kreislaufwirtschafts-/Abfallgesetzes aus § 1 des Gesetzes nicht nur als Interpretationshilfen, sondern vielmehr als Interpretationsdirektiven. Zweck des Gesetzes sei „die Förderung der Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen und die Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen“. Unter Berücksichtigung dessen – so das VG Hamburg – seien sowohl die gewerbliche Sammlung des Entsorgungsunternehmens als auch die geplante „kommunale blaue Tonne“ in Regie der Stadtreinigung Hamburg zunächst gleichermaßen geeignet, die umweltverträgliche Beseitigung der PPK-Abfälle in Hamburg zu sichern. Gleichzeitig wiesen die Verwaltungsrichter darauf hin, dass nach der Grundkonzeption des heutigen Kreislaufwirtschafts-/Abfallgesetzes dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger lediglich eine Auffangverantwortung zukomme, welche in dem inzwischen vielgestaltigen System der Abfallwirtschaft garantiere, dass sämtliche Abfälle – d. h. auch die wirtschaftlich unrentablen – einer umweltgerechten Entsorgung zugeführt werden. Dies bedeute jedoch nicht, dass das Kreislaufwirtschafts-/Abfallgesetz seine Zielrichtung nach einen umfassenden Schutz des öffentlich-rechtlichen Entsorgers vor privater Konkurrenz biete. Vielmehr habe der Gesetzgeber mit dem aktuellen Gesetz erstmals die Primärzuständigkeit des Erzeugers und des Abfallbesitzers betont. Dies bewirke auch eine deutliche Einschränkung der Überlassungspflicht gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Entsorger. Dementsprechend sei der Tatbestand der gewerblichen Sammlung in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG weit auszulegen. Jegliche anders lautende Rechtsgrundlage mit niederem Rang könne keine weitergehenden Überlassungspflichten zugunsten öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger statuieren.
Keine entgegenstehenden öffentlichen Interessen
Entscheidend komme es daher darauf an, ob überwiegende öffentliche Interessen gegen die gewerbliche Sammlung sprechen. Für das Vorliegen „überwiegender öffentlicher Interessen“ seien konkrete, nicht hinnehmbare Beeinträchtigungen der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung zu fordern. Zunächst betonte das VG Hamburg, dass hierzu nicht das „rentable“ Betreiben der öffentlichen Entsorgung gehöre, d. h., fiskalische Interessen des Entsorgungsbetriebes seien für sich genommen kein geschütztes öffentliches Interesse.
Auch im Übrigen habe die Freie und Hansestadt Hamburg unter Berücksichtigung aller vorgetragener finanzieller und organisatorischer Nachteile nicht überzeugend dargelegt, dass die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung gefährdet wäre. Allein ein „Mehr“ an Planungsaufwand (durch einen möglicherweise verbleibenden „Flickenteppich“) reiche nicht aus. Es lägen auch keine Anhaltspunkte vor für die Annahme, dass ein Entsorgungsengpass eintreten könnte, falls sich das private Entsorgungsunternehmen wieder aus dem PPK-Geschäft zurückziehen wollte. Im Rahmen der Auffangzuständigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgers könne dieser im Zuge etwaiger Umstrukturierungen Gebührenanpassungen vornehmen. Entstehende Kosten könnten durch Gebührenerhöhungen (die bei einem nicht gewinnorientierten öffentlichen Entsorger nach dem Äquivalenzprinzip vorgenommen werden könnten) ausgeglichen werden. Auch die vorgetragenen unverhältnismäßigen Gebührenerhöhungen zu Lasten der privaten Haushaltungen seien nicht als überwiegendes öffentliches Interesse zu berücksichtigen. Gebührenerhöhungen wären nur dann als „überwiegendes öffentliches Interesse“ zu bewerten, wenn sie unzumutbar hoch ausfielen und zur Folge hätten, dass die privaten Haushaltungen überfordert wären. Dies war nach Auffassung des VG Hamburg konkret nicht zu befürchten. Selbst wenn man eine Belastung der privaten Haushalte durch das reduzierte gebührenpflichtige Restmüllaufkommen in Höhe von 3 % annehmen würde, so läge hierin keine unzumutbare Belastung.
In diesem Zusammenhang wies das VG Hamburg hinsichtlich der seitens des öffentlich-rechtlichen Entsorgers geltend gemachten (vermeintlich nutzlosen) Investitionen auf Folgendes hin: Sofern sich nach einer Aufteilung des PPK-Marktes tatsächlich Fehlinvestitionen der Stadtreinigung Hamburg (des beauftragten öffentlichen Entsorgungsunternehmens) ergäben, so müsse sich diese vorhalten lassen, die Investitionen aufgrund einer unsicheren rechtlichen Bewertung des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG getätigt zu haben, weil sie voreilig davon ausgegangen sei, für die „blaue Tonne“ in Hamburg allein zuständig und vor Konkurrenz geschützt zu sein.“ Schließlich begründe der Schutz unternehmerischer Entscheidungen des kommunalen Entsorgers – die Freie und Hansestadt Hamburg hatte eine zwingende Unterstützung der ansonsten insolvenzgefährdeten Tochtergesellschaft Wert GmbH vorgetragen – ebensowenig ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne des Gesetzes. Es könnten nur solche Aspekte berücksichtigt werden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der beabsichtigten gewerblichen Sammlung stehen. Unabhängig davon handele es sich bei den unternehmerischen Erwägungen nicht um Belange nach den Maßstäben der Zielvorgaben des Kreislaufwirtschafts-/Abfallgesetzes.
Außerdem wies das VG Hamburg darauf hin, dass Aspekte der Art und Weise des Aufstellens der privaten „blauen Tonnen“ (auf öffentlichen Gehwegen) allein nach den straßen- und wegerechtlichen Bestimmungen zu beurteilen und nicht bei der Frage des „Ob“ der gewerblichen Sammlung heranzuziehen seien. Ob durch das unbestellte Aufstellen von privaten Tonnen auf öffentlichem Grund daher eine öffentliche Störung verursacht sei, sei jedenfalls im Abfallrecht ohne Belang.
Schließlich könne die Untersagungsverfügung auch nicht auf einen Verstoß gegen § 6 Abs. 3 der Verpackungsverordnung gestützt werden. Das VG Hamburg bezweifelte in diesem Zusammenhang bereits die Anwendbarkeit der Norm der Verpackungsverordnung auf den konkreten Sachverhalt, da der Adressat der Norm der Hersteller bzw. Vertreiber einer Ware sei und nicht ein Entsorger, der nicht im Auftrag eines Herstellers bzw. Vertreibers handele. Die konkret streitige gewerbliche Altpapiersammlung sei daher vom Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 Verpackungsverordnung ausgenommen. Unabhängig davon schlössen die Rücknahmepflichten der Verpackungsverordnung nicht aus, dass andere eine fachgerechte Entsorgung leisteten, wenn aus einem Abfall durch eine neue Marktentwicklung ein begehrtes Wirtschaftsgut werde. Andernfalls – so das VG Hamburg abschließend – würde auch die geplante kommunale „blaue Tonne“ gegen § 6 Abs. 3 Verpackungsverordnung verstoßen, da sie ebenfalls nicht als Rücknahmesystem im Auftrag der Hersteller und Vertreiber vorgesehen sei.
Fazit
Damit hat sich nun auch im Norden das VG Hamburg – neben dem OVG Schleswig – zugunsten der gewerblichen Sammlung positioniert. Die Hamburger Verwaltungsrichter haben dabei ebenfalls deutlich gemacht, dass wirtschaftliche Erwägungen des öffentlichen Entsorgers nicht bei der Beurteilung der gewerblichen Sammlung herangezogen werden können. Insbesondere kann ein kommunaler Entsorger nicht „sehenden Auges“ Investitionen tätigen, um sich später – zu Lasten des privaten Entsorgungsunternehmens – hierauf zu berufen. Auch Gebührenerwägungen greifen grundsätzlich nicht durch. Zwar ist der Beschluss des VG Hamburg bislang noch nicht rechtskräftig. Selbst wenn die Freie und Hansestadt Hamburg hiergegen Beschwerde zum OVG Hamburg einlegen sollte, steht allerdings zu hoffen, dass sich das OVG Hamburg nicht als bislang einziges Oberverwaltungsgericht gegen den bisherigen Trend und damit gegen den privaten Entsorger entscheidet.