Die Rettungsdienstgesetze der meisten Bundesländer lassen – getrennt vom öffentlichen Rettungsdienst – die Einbindung Privater in die Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransports zu. Dabei werden die Privaten teils als klassische Verwaltungshelfer (so beispielsweise in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein) oder aber im Wege einer Konzession (so z. B. in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin hinsichtlich des Krankentransports, Rheinland-Pfalz, Saarland sowie Thüringen) in die Aufgabenerfüllung eingebunden. Bislang wurde die Ausschreibungspflicht der betroffenen Dienstleistungen vor dem Hintergrund der europarechtlichen Ausnahmebestimmungen der Art. 45, 55 EG-Vertrag (Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben) unterschiedlich beurteilt. Ende letzten Jahres hat der BGH in einem Urteil vom 01.12.2008 (X ZB 31/08) nun – speziell für das Rettungsdienstgesetz des Landes Sachsen – festgestellt, dass die Leistungen der Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransports im Rahmen eines Vergabeverfahrens nach § 97 Abs. 1 GWB zu vergeben sind.
Ausnahmetatbestand der Art. 45, 55 EG-Vertrag
Nach Auffassung des BGH kommt es auf die Vorgaben der Art. 45, 55 EG-Vertrag zu Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Ausübung öffentlicher Gewalt nicht an. Die sich aus Art. 45, 55 EG-Vertrag ergebende Bereichsausnahme beschränke sich auf den Zweck, die Mitgliedstaaten in die Lage zu versetzen, Ausländer von den dort genannten Tätigkeiten im Inland fernzuhalten. Ein Zwang für den nationalen Gesetzgeber sei damit nicht verbunden. Die Reichweite des (deutschen) Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bestimme sich mithin nach nationalem Recht. Allerdings sei die Vergabe von Dienstleistungen der Notfallrettung bzw. des Krankentransportes nach nationalem Recht nicht vom Vergaberegime ausgenommen, wie die Auslegung der einschlägigen Gesetzesbestimmungen ergebe. Rettungsdienstleistungen seien entgeltliche Leistungen im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB. Für solche Dienstleistungen erscheine es darüber hinaus geradezu sinnvoll, auch diese Nachfrage der öffentlichen Hand nach dem nationalen Vergaberegime abzuwickeln, zumal es bekanntermaßen althergebrachter Praxis entspreche, die fraglichen Leistungen durch außerhalb des Staates bestehende Organisationen oder Unternehmen, häufig sogar auf rein privatrechtlicher Grundlage erbringen zu lassen. Dem Willen des deutschen Gesetzgebers sei an keiner Stelle zu entnehmen, dass solche Verträge vom Vergaberecht ausgenommen sein sollten. Der Umstand, dass der sächsische Landesgesetzgeber im Rettungsdienstgesetz ein besonderes Auswahlverfahren geschaffen habe, entbinde von den Anforderungen des vergaberechtlichen Vergabeverfahrens nicht.
Fazit
Nach langer Zeit der Rechtsunsicherheit hat der BGH nun ein Machtwort gesprochen: Leistungen der Notfallrettung und des Krankentransportes sind nicht von der Bereichausnahme der Art. 45, 55 EG-Vertrag erfasst und unterfallen damit grundsätzlich dem Anwendungsbereich der §§ 97 ff. GWB, sofern deren Voraussetzungen vorliegen. Dies ist in den meisten Bundesländern anzunehmen. Die Rechtsprechung des BGH hat einen Qualitätssprung für die betroffenen privaten Unternehmen zur Folge: Diese haben einen Anspruch auf Durchführung eines „ordentlichen“ Vergabeverfahrens nach §§ 97 ff. GWB zur Vergabe entsprechender Leistungen des Rettungsdienstes (oder im Falle einer Konzessionsvergabe zumindest auf Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens) und können ihre Rechte vor den Vergabekammern durchsetzen.