Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) ist keine Spitzenorganisation, die im eigenen Namen Tarifverträge abschließen kann, da sie die hierfür erforderlichen tarifrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. So entschied das BAG in seinem Beschluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10).
Der Sachverhalt
Alleinige satzungsmäßige Aufgabe der im Dezember 2002 gegründeten CGZP ist der Abschluss von Tarifverträgen mit Arbeitgebern, die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung betreiben wollen.
Nach dem in § 9 Nr. 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers haben Leiharbeitnehmer während der Zeit ihrer Überlassung an einen Entleiher Anspruch auf die dort geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen und damit auch einen Anspruch auf gleiche Bezahlung („Equal pay“). Von diesem Gleichbehandlungsgebot kann allerdings zu Lasten der Leiharbeitnehmer durch Tarifvertrag oder aufgrund vertraglicher Bezugnahme auf einen Tarifvertrag abgewichen werden. Diese Möglichkeit nutzt in der Praxis nahezu jede Zeitarbeitsfirma.
Ver.di und das Land Berlin begehrten als Antragsteller des vorliegenden Beschlussverfahrens die Feststellung, dass die CGZP nicht tariffähig ist. Sie machten geltend, dass es der CGZP an der erforderlichen sozialen Mächtigkeit fehle. Die von ihr abgeschlossenen Tarifverträge seien Gefälligkeitstarifverträge. Zudem seien zwei ihrer Mitglieder nicht tariffähig.
Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass die CGZP nicht tariffähig ist. Die dagegen gerichteten Rechtsbeschwerden hatten vor dem BAG keinen Erfolg.
Die Entscheidung
Das BAG begründete seine Entscheidung damit, dass Tarifverträge auf Arbeitnehmerseite nur von einer tariffähigen Gewerkschaft oder einem Zusammenschluss solcher Gewerkschaften (Spitzenorganisation) abgeschlossen werden können.
Soll eine Spitzenorganisation selbst als Partei Tarifverträge abschließen, muss das zu ihren satzungsmäßigen Aufgaben gehören (§ 2 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz). Dazu müssen die sich zusammenschließenden Gewerkschaften ihrerseits tariffähig sein und der Spitzenorganisation ihre Tariffähigkeit vollständig vermitteln. Dies ist nicht der Fall, wenn die Befugnis zum Abschluss von Tarifverträgen durch die Spitzenorganisation auf einen Teil des Organisationsbereichs der Mitgliedsgewerkschaften beschränkt wird. Zudem darf der Organisationsbereich einer Spitzenorganisation nicht über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinausgehen.
Nach diesen Grundsätzen ist die CGZP keine Spitzenorganisation im Sinne von § 2 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz. Zum einen geht der in ihrer Satzung festgelegte Organisationsbereich über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinaus, da die Satzung die Regelungen der Leiharbeit für alle Branchen reklamiert, diese jedoch von den drei Mitgliedsgewerkschaften (CGM, DHV und GÖD) gar nicht erfasst werden. Zum anderen versäumten die angeschlossenen christlichen Gewerkschaften ihre Tariffähigkeit vollständig auf die Tarifgemeinschaft zu übertragen – die Übertragung war auf die Leiharbeit beschränkt.
Die Konsequenzen
Die vorgenannte Entscheidung liegt bislang lediglich in Form einer kurzen Pressemitteilung vor. Aus dieser lässt sich nicht entnehmen, ob der Beschluss des 1. Senats auch für die Vergangenheit Wirkung entfaltet.
Sollte dies der Fall sein, könnten Leiharbeitnehmer aufgrund der unwirksamen Tarifverträge - auch rückwirkend - den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft im Entleihungsunternehmen einfordern.
Die Ausschlussfristen in den CGZP- Tarifverträgen sind nicht anwendbar, da die gesamten Tarifverträge unwirksam sind. Etwas anderes gilt nur, insoweit in den entsprechenden Einzelverträgen - wie wohl zum Teil geschehen - die Ausschlussfristenklausel aus dem Manteltarifvertrag wiederholt wurde. Damit wäre sie wirksam vereinbart.
Gibt es keine Regelung zu Ausschlussfristen im Einzelvertrag, so ist eine Nachforderung im Rahmen der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) möglich. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (d.h. z.B. eine Lohnforderung aus Mai 2007 verjährt erst am 31.12.2010).
Entsprechend kämen auf die Zeitarbeitsfirmen auch erhebliche Nachforderungen der Sozialversicherungsbeiträge zu – und zwar rückwirkend für die vergangenen vier Jahre. Dies gilt nach dem Entstehungsprinzip im Beitragsrecht unabhängig davon, ob betroffene Beschäftigte ihre erhöhten Lohnansprüche auch tatsächlich geltend machen (§ 22 Abs. 2 S. 1 SGB IV).
Für die Sozialversicherungsabgaben (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile!) haftet auch -insbesondere bei der Insolvenz des Leiharbeitsunternehmens - der Entleiher als Bürge (§ 28 e Abs. 2 SGB IV).
Die Träger der Rentenversicherung haben im Dezember 2010 alle Arbeitgeber angeschrieben, die Haustarifverträge mit der CGZP abgeschlossenen haben oder Mitglied des Arbeitgeberverbandes sind, mit dem die CGZP Tarifverträge abgeschlossen hat, um die Beitragsansprüche auch für das Jahr 2006 noch zu sichern und einer Verjährung vorzugreifen (der Text des Schreibens ist auf der Internetseite der Deutschen Rentenversicherung veröffentlicht).
Die Nachzahlungen könnten sich jedoch zumindest teilweise verringern, weil die CGZP schon nach dem für sie negativen Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 07.12.2009 vorgesorgt und bestimmte Firmen- und Flächentarifverträge seit März 2010 nicht mehr nur im eigenen Namen, sondern auch mit der jeweils zuständigen Einzelgewerkschaft abgeschlossen, so dass diese Tarifverträge gelten.
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