BAG, Urteil v. 14.04.2011 – 6 AZR 727/09
Für ein Inkenntnissetzen i. S. d. § 174 Satz 2 BGB reicht die bloße Mitteilung im Arbeitsvertrag, dass der jeweilige Inhaber einer bestimmten Funktion kündigen dürfe, nicht aus. Der Arbeitgeber muss vielmehr zusätzlich dafür Sorge tragen, dass der Empfänger der Kündigungserklärung ohne Weiteres in Erfahrung bringen kann, welche Person die Position innehat, mit der nach dem Arbeitsvertrag das Kündigungsrecht verbunden ist.
Sachverhalt
Die klagende Arbeitnehmerin war bei der Beklagten seit April 2008 als Reinigungskraft angestellt. In dem Arbeitsvertrag war geregelt, dass eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch durch den Objektleiter/Niederlassungsleiter ausgesprochen werden kann. Im August 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich. Das Kündigungsschreiben wurde unterzeichnet von dem Niederlassungsleiter mit dem Zusatz „Niederlassungsleiter“. Die Arbeitnehmerin hatte vor der Kündigung keinerlei beruflichen Kontakt zu diesem und kannte ihn nicht. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste sie auch nicht, dass der Unterzeichner die Stellung des Niederlassungsleiters innehatte. Die Arbeitnehmerin wies daher die Kündigung unter anderem wegen Nichtvorlage einer Vollmachtsurkunde zurück. Das beklagte Unternehmen war der Ansicht, durch die Mitteilung im Arbeitsvertrag sei die Arbeitnehmerin von der dem Niederlassungsleiter erteilten Vollmacht in Kenntnis gesetzt worden. Die Zurückweisung der Kündigung sei daher ausgeschlossen.
Entscheidung und rechtlicher Kontext
Das BAG gab der Arbeitnehmerin Recht. Die Kündigung wurde wirksam zurückgewiesen. Damit war sie unwirksam.
Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein von einem Bevollmächtigten vorgenommenes einseitiges Rechtsgeschäft (wie z. B. eine Kündigung) unwirksam, wenn der Bevollmächtigte keine Vollmachtsurkunde vorlegt und der Empfänger das Rechtsgeschäft unverzüglich zurückweist. Eine Ausnahme hiervon macht § 174 Satz 2 BGB für die Fälle, in denen der Empfänger vom Vollmachtgeber über die Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt wurde.
Im entschiedenen Fall reichte nach Auffassung des BAG die bloße Kundgabe der dem jeweiligen Niederlassungsleiter zur Erklärung von Kündigungen erteilten Innenvollmacht in den Schlussbestimmungen des Arbeitsvertrages nicht aus, um die Arbeitnehmerin von dessen Bevollmächtigung nach § 174 Satz 2 BGB in Kenntnis zu setzen. Dafür hätte es eines weiteren Handelns von Arbeitgeberseite bedurft, durch das der Arbeitnehmerin zumindest aufgezeigt worden wäre, auf welche Weise sie den Namen des aktuellen Niederlassungsleiters erfahren könne.
Das BAG begründete dieses Erfordernis damit, dass es nicht lediglich ausreiche, die Vollmacht zur Kündigung im Innenverhältnis zu erteilen. Vielmehr müsse die Vollmacht auch im Außenverhältnis den Arbeitnehmern bekannt gemacht werden. Die Arbeitnehmer müssten so gestellt werden, als hätte der Kündigung eine Originalvollmacht beigelegen. Der Arbeitnehmer müsse in der Lage sein, die Person des Kündigenden der kündigungsberechtigten Funktion zuzuordnen. Das sei nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer mit der Person des Kündigenden noch nicht beruflich zu tun gehabt habe und diesen überhaupt nicht kenne.
Dabei stellte das BAG aber auch klar, dass eine namentliche Nennung des Kündigungsberechtigten im Arbeitsvertrag nicht notwendig ist. Ausreichend für ein Inkenntnissetzen sei auch, wenn der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag oder während des Arbeitsverhältnisses einen Weg aufzeige, auf dem dieser vor Zugang der Kündigung immer unschwer erfahren könne, welche Person die Position innehabe, mit der nach dem Arbeitsvertrag das Kündigungsrecht verbunden sei. Denkbar sei etwa ein Aushang an der Arbeitsstelle, ein Einstellen der Information in das dem Arbeitnehmer zugängliche Intranet oder die Möglichkeit der Auskunftseinholung bei einem anwesenden oder zumindest jederzeit leicht erreichbaren Vorgesetzten. Nicht erforderlich sei hingegen, dass der Arbeitnehmer von der ihm aufgezeigten Möglichkeit tatsächlich Gebrauch mache.
Fazit und Konsequenz für die Praxis
Im Hinblick auf die im Arbeitsvertrag mitgeteilte Kündigungsberechtigung und die Tatsache, dass der kündigende Niederlassungsleiter seine Funktion in der Kündigung angegeben hat, verwundert die Entscheidung zunächst. Rechtlich betrachtet stellt das BAG jedoch lediglich einmal mehr klar, dass eine im Innenverhältnis erteilte Kündigungsberechtigung den Arbeitnehmern auch zur Kenntnis gebracht werden muss. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin im Arbeitsvertrag über die Kündigungsberechtigung des jeweiligen Niederlassungsleiters in Kenntnis gesetzt, aber eben nicht darüber, wer der aktuelle Niederlassungsleiter ist. Dies genügt den Anforderungen des § 174 Satz 2 BGB nicht.
Arbeitgeber, die ihre Niederlassungsleiter oder sonstigen Mitarbeiter ermächtigt haben, Kündigungen auszusprechen, sollten überprüfen, ob die davon betroffenen Arbeitnehmer wirksam über die Kündigungsberechtigung in Kenntnis gesetzt wurden. Außerdem sollten Arbeitgeber bereits bei der Arbeitsvertragsgestaltung darauf achten, dass dem eingestellten Mitarbeiter nicht nur mitgeteilt wird, dass die jeweiligen Inhaber der betreffenden Position zur Kündigung berechtigt sind. Bereits im Arbeitsvertrag sollte die Möglichkeit aufgezeigt werden, wie der Mitarbeiter in Erfahrung bringen kann, wer derzeit die Position des Kündigungsberechtigten innehat. So kann im Arbeitsvertrag darauf hingewiesen werden, dass die jeweils kündigungsberechtigten Personen stets am „Schwarzen Brett“ aushängen oder im Intranet (unter Nennung des vollständigen Pfades) hinterlegt sind. Zusätzlich kann sogar der derzeitige Kündigungsberechtigte namentlich benannt werden („... zur Zeit Herr Heinz Müller...“).
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