Das BAG hat sich mit Urteil vom 07.02.2024 (Az. 5 AZR 177/23) zum Annahmeverzugslohnanspruch eines Arbeitnehmers nach Ausspruch einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geäußert und insbesondere entschieden, dass gekündigte Arbeitnehmer nicht generell und ohne Weiteres verpflichtet sind, eigene Bewerbungsbemühungen zu entfalten.
Nach einer Arbeitgeberkündigung, gegen die sich der Arbeitnehmer gerichtlich wehrte, meldete sich Letzter bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend. Diese unterbreitete dem Arbeitnehmer jedoch keine Vermittlungsvorschläge, weil der Arbeitnehmer erwähnt hatte, er werde potentiellen Arbeitgebern mitteilen, dass ein Kündigungsschutzverfahren laufe und er bei seinem letzten Arbeitgeber unbedingt weiterarbeiten wolle. Eigene Bewerbungsbemühungen entfaltete der Arbeitnehmer zunächst nicht. Nach Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung erhob der Arbeitnehmer Klage auf Zahlung von Annahmeverzugslohn.
Ein Arbeitnehmer hat nach Feststellung der Unwirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung grundsätzlich Anspruch auf Arbeitsentgelt für den Zeitraum ab Ende einer (etwaigen) Kündigungsfrist (Annahmeverzugslohn). Der Arbeitnehmer muss sich hierauf jedoch nach § 11 KSchG insbesondere anrechnen lassen, was er durch anderweitige Arbeit verdient hat und was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen.
An letzterem Anrechnungstatbestand entfacht sich in der Praxis oftmals Streit, zumal für die Beurteilung der Böswilligkeit eine unter Bewertung aller Einzelfallumstände vorzunehmende Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen ist. Nach neuerer Rechtsprechung des BAG ist im Rahmen der Gesamtabwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer sich arbeitssuchend gemeldet und auf zumutbare Vermittlungsvorschläge reagiert hat. Die Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer anderweitigen Verdienst hätte erzielen können, trägt der Arbeitgeber. Er muss konkret darlegen, dass für den Arbeitnehmer im entsprechenden Zeitraum zumutbare Beschäftigungsmöglichkeiten bestanden haben. Das BAG gesteht dem Arbeitgeber diesbezüglich ergänzend einen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitnehmer in Bezug auf die Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und diesbezügliche Bewerbungsbemühungen des Arbeitnehmers zu (vgl. nur BAG Urt. v. 27.05.2020 – 5 AZR 387/19).
Die Frage, inwiefern der Arbeitnehmer eigene Bewerbungsbemühungen – d.h. außerhalb der von der Agentur für Arbeit unterbreiteten Vermittlungsvorschläge – entfalten muss, war zuletzt wiederholt Gegenstand von instanzgerichtlichen Entscheidungen. Für Aufsehen sorgte insbesondere eine Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 30.09.2022 – 6 Sa 280/22), nach der der Arbeitnehmer verpflichtet sei, im zeitlichen Umfang einer Vollzeitstelle Bewerbungsbemühungen zu entfalten.
Dieser Rechtsauffassung erteilte das BAG nun eine Absage. Eigene Bewerbungsbemühungen müsse der Arbeitnehmer nur im Einzelfall entfalten, wenn sich ihm eine realistische und zumutbare Arbeitsmöglichkeit bietet. Der Arbeitgeber habe insofern jedoch die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer geeignete Stellenangebote zu übermitteln. Hierzu hat sich der Arbeitnehmer dann zu erklären und darzulegen, was er unternommen hat. Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer indes keine Stellenangebote übersandt.
Der Umstand, dass der Arbeitnehmer keine Vermittlungsvorschläge von der Agentur für Arbeit erhalten hat, weil der Arbeitnehmer dies verhindert hatte, wirkt sich nach Ansicht des BAG auf die Darlegungs- und Beweislast aus. Das Gericht geht zwar auch in einem solchen Fall davon aus, dass der Arbeitgeber geeignete Stellen benennen müsse – Kenntnis über die Vermittlungsmöglichkeiten der Agentur für Arbeit könne sich der Arbeitgeber insbesondere über die öffentlich zugänglichen Angebote der Agentur für Arbeit (Selbstinformationseinrichtungen) verschaffen. Den Arbeitnehmer treffe dann allerdings die (strengere) Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine hypothetische Bewerbung auf eine solche Stelle erfolglos gewesen wäre.
Arbeitgeber sind nach der Entscheidung des BAG nach Ausspruch von Kündigungen – jedenfalls von solchen, die risikobelastet sind – gut beraten, dem gekündigten Arbeitnehmer in regelmäßigen Abständen geeignete Stellenangebote zu übersenden. Dies gilt auch in Anbetracht des Umstandes, dass es nicht ausreichend ist, lediglich Statistiken für gute Beschäftigungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Entsprechende Stellenangebote können insbesondere privaten Jobportalen im Internet oder Zeitungsannoncen entnommen werden, zugleich „lohnt“ sich – wie die Entscheidung des BAG zeigt – ein regelmäßiger Blick auf die Website der Agentur für Arbeit.
Wichtig ist, dass die Übermittlung der Stellenangebote so erfolgt, dass sich der Zugang im Streitfall beweisen lässt. Dem Arbeitnehmer sollten auch nicht nur Hinweise auf Stellenangebote auf bestimmten Websites im Internet („Links“) zur Verfügung gestellt, sondern die Stellenangebote unmittelbar und vollständig als (Voll-)Text übersandt werden.
Die Übermittlung der Stellenangebote sollte schließlich grundsätzlich mit dem Hinweis versehen werden, dass man davon ausgehe, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet habe, für den Fall der gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung aber auf ein (dann fortbestehendes) Wettbewerbsverbot verzichte. Die Aufnahme einer gegen das Wettbewerbsverbot verstoßenden Tätigkeit stellt nach Auffassung des BAG nämlich keine zumutbare Arbeit dar, was der Arbeitnehmer als Grund für eine unterbliebene Bewerbung sonst einwenden könnte. Durch die Erklärung, dass man als Arbeitgeber ausdrücklich damit einverstanden ist, dass sich der Arbeitnehmer auf eine Stelle bewirbt, obwohl es sich bei dieser Tätigkeit um eine Wettbewerbstätigkeit handeln würde, nimmt man dem Arbeitnehmer diesen möglichen Einwand. Mit dem erklärten Einverständnis des Arbeitgebers wird auch die Stelle beim Wettbewerber eine zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit.
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