Was ist die SCIP-Datenbank?
Die Datenbank mit Informationen über besonders besorgniserregende Stoffe in Erzeugnissen (Substances of Concern In articles as such or in complex objects (Products) „SCIP-Datenbank“) ist eine elektronische Datenbank der Europäischen Chemikalienagentur („ECHA“) mit Informationen über besonders besorgniserregende Stoffe (substances of high concern „SVHC“) in Erzeugnissen oder in komplexen Gegenständen. Welche Stoffe als SVHC-Stoffe gelten, ergibt sich aus der Kandidatenliste der ECHA, welche zweimal im Jahr ergänzt wird (https://echa.europa.eu/de/candidate-list-table).
Bis zum 19.01.2021 wurden nach Angaben der ECHA 5 Mio. Mitteilungen eingereicht. Momentan sind diese Mitteilungen noch nicht für jedermann verfügbar. ECHA plant jedoch, diese Mitteilungen in den nächsten Monaten öffentlich verfügbar zu machen.
Sobald die ECHA den öffentlichen Zugang zur SCIP-Datenbank ermöglicht, können die in der SCIP-Datenbank enthaltenen Informationen auch von Abfallentsorgern verwendet werden. Obwohl keine unmittelbare gesetzliche Pflicht zur Nutzung der SCIP-Datenbank besteht, können die in der SCIP-Datenbank enthaltenen Informationen zukünftig mittelbar Einfluss auf Abfallbewirtschaftungsmaßnahmen von SVHC-haltigen Stoffströmen entfalten, z. B. bei der Einstufung einer Maßnahme als Abfallverwertung oder Abfallbeseitigung. Nachdem die SCIP-Datenbank öffentlich zugänglich gemacht worden ist – was nach Aussagen der ECHA in den nächsten Monaten zu erwarten ist – sollten Abfallentsorger vor diesem Hintergrund regelmäßig prüfen, ob die von ihnen behandelten Stoffströme aus Erzeugnissen stammen, die in der SCIP-Datenbank genannt werden.
Inhalt und Hintergrund der europäischen Vorschriften
Wieso gibt es die SCIP-Datenbank?
Die Pflicht der ECHA zur Einrichtung der SCIP-Datenbank und die Pflicht der Lieferanten zur Mitteilung von Informationen über SVHC-Stoffe in ihren Erzeugnissen ist in der Abfallrahmenrichtlinie vorgesehen (Art. 9 Abs. 1 lit. i, Abs. 2 Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG). Sie soll die Senkung des Gehalts an gefährlichen Stoffen in Materialien und Produkten fördern und der Abfallwirtschaft die notwendigen Informationen für eine effiziente Behandlung dieser Produkte zur Verfügung stellen. Damit soll sichergestellt werden, dass Informationen über SVHC-Stoffe während des gesamten Lebenszyklus eines Erzeugnisses (auch nachdem es Abfall wurde) zur Verfügung steht.
So können z. B. Demontagebetriebe von Altfahrzeugen oder Erstbehandlungsanlagen von Elektro-Altgeräten im Rahmen der Demontage oder der Erstbehandlung von Altgeräten die Informationen der SCIP-Datenbank nutzen, um SVHC-Stoffe aus Altfahrzeugen oder Altgeräten zu entfernen. Ferner sollen auch Betreiber von Sortieranlagen durch die SCIP-Datenbank besser in der Lage sein, potenziell SVHC-haltige Abfallfraktionen zu identifizieren und aus dem Wertstoffkreislauf auszuschleusen.
Dabei verweist die Abfallrahmenrichtlinie auf Art. 33 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 („REACH-Verordnung“), welcher diese Pflicht zur Weitergabe von Informationen über SVHC-Stoffe in Erzeugnissen von Lieferanten bereits seit 2007 enthält. Die neue Pflicht zur Mitteilung an die ECHA bzw. die SCIP-Datenbank tritt neben diese bisherige Pflicht. Bislang verlangt Art. 33 Abs. 1 REACH-Verordnung die Weitergabe der Informationen an die Abnehmer des Erzeugnisses, nicht an die (Datenbank der) ECHA. Als Abnehmer eines Erzeugnisses gelten nach der REACH-Verordnung auch nur industrielle/gewerbliche Anwender oder Händler, aber nicht Verbraucher (Art. 3 Nr. 35 REACH-Verordnung). Außerdem verlangt Art. 33 Abs. 1 REACH-Verordnung lediglich, dass der Lieferant die „ihm vorliegenden, für eine sichere Verwendung des Erzeugnisses ausreichenden Informationen zur Verfügung“ stellt, „mindestens den Namen des betreffenden Stoffes“.
Die von der ECHA gewählte Ausgestaltung der SCIP-Datenbank wird heftig kritisiert u. a. mit dem Hinweis darauf, dass diese über die gesetzlichen Anforderungen der abfall- und chemikalienrechtlichen Vorschriften hinaus gehe, unnötigen erheblichen administrativen Aufwand ohne erkennbaren Nutzen verursache und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht ausreichend schütze. Bei der Ausgestaltung ist insbesondere zu beachten, dass der chemikalienrechtliche Begriff des Erzeugnisses nach der REACH-Verordnung weit verstanden wird. So ist z. B. bei einem Fahrrad nach Ansicht der ECHA nicht nur das Fahrrad als Erzeugnis einzustufen, sondern auch die Fahrradbremse und der Fahrradsattel. Sobald in einem Fahrradsattel SVHC-Stoffe in relevanten Mengen vorliegen sollten, ist dies der ECHA mitzuteilen.
Wer muss Mitteilungen an die SCIP-Datenbank machen?
Lieferanten von Erzeugnissen, die SVHC in einer Konzentration von mehr als 0,1 Massenprozent (w/w) enthalten, müssen diese Erzeugnisse seit dem 05.01.2021 der ECHA mitteilen. Einzelhändler, die nur an Verbraucher liefern, müssen keine Meldung einreichen.
Nur sofern Abfallentsorger als Lieferanten von Erzeugnissen mit SVHC-Stoffen in relevanten Konzentrationen einzustufen sind, müssen diese die neue Mittteilungspflicht erfüllen. Dies ist z. B. denkbar, falls als Ergebnis der Abfallbehandlung ein Erzeugnis im Sinne von der REACH-Verordnung hergestellt wird und der Abfall-Behandler dieses anschließend als Lieferant weitergibt. Dabei ist insbesondere der chemikalienrechtliche Erzeugnis-Begriff zugrunde zu legen. Danach ist jeder Gegenstand ein Erzeugnis, der bei der Herstellung eine spezifische Form, Oberfläche oder Gestalt erhält, die in größerem Maße als die chemische Zusammensetzung seine Funktion bestimmt. Die umfangreichen Leitlinien der ECHA zu den Anforderungen für Stoffe in Erzeugnissen (abrufbar unter https://echa.europa.eu/documents/10162/23036412/articles_de.pdf/cbc54016-5d57-3737-60a1-f562738e2094) geben Hinweise zu den im Einzelfall schwierigen Abgrenzungsfragen (z. B. Einstufung von PE-Granulat als Gemisch (daher keine Mitteilung an SCIP-Datenbank), PE-Folie als Erzeugnis (daher ggf. Mitteilungspflicht an SCIP-Datenbank).
Was muss gemeldet werden?
Folgende Informationen müssen laut ECHA an die SCIP-Datenbank übermittelt werden:
Dazu hat die ECHA umfangreiche Leitlinien erlassen (ECHA, Requirements for SCIP notifications, Oktober 2020, abrufbar unter Manual Template (europa.eu)). ECHA hat bereits mitgeteilt, dass Mitteilungen nur über die SCIP-Datenbank entgegengenommen werden.
Was passiert mit den Informationen aus der SCIP-Datenbank?
ECHA plant, die in der SCIP-Datenbank enthaltenen Informationen öffentlich zugänglich zu machen und die eingereichten Informationen in den nächsten Monaten zu veröffentlichen (vgl. dazu im Detail, ECHA, Dissemination and confidentiality in the SCIP Database, Juli 2020, abrufbar unter Dissemination and confidentiality in the SCIP Database (europa.eu)).
Wie wurde die Pflicht zu Mitteilung an die SCIP-Datenbank in Deutschland umgesetzt?
Der deutsche Gesetzgeber hat sich für die Verortung der Mitteilungspflicht im Chemikalienrecht entschieden. § 16f Chemikaliengesetz („ChemG“) regelt die Informationspflicht der Lieferanten nun wie folgt:
„(1) Wer als Lieferant im Sinne des Artikels 3 Nummer 33 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 Erzeugnisse im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 in Verkehr bringt, hat ab dem 5. Januar 2021 die Informationen gemäß Artikel 33 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 der Europäischen Chemikalienagentur nach Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2008/98/EG zur Verfügung zu stellen. Satz 1 gilt nicht für Erzeugnisse mit militärischer Zweckbestimmung.
(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates näher zu bestimmen, auf welche Art und Weise und mit welchen Maßgaben die Verpflichtung nach Absatz 1 unter Berücksichtigung der auf Unionsebene entwickelten Vorgaben für die Datenbank zu erfüllen ist.“
Zum Hintergrund verweist der Gesetzgeber darauf, dass damit eine 1:1-Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie sichergestellt werden soll. Von einem direkten Bezug zur SCIP-Datenbank wurde im Hinblick auf die als überzogen eingestuften Anforderungen der ECHA explizit abgesehen. Eine Pflicht zur Nutzung der SCIP-Datenbank sieht § 16f Abs. 1 ChemG nicht vor. Verlangt wird ausschließlich, dass die Informationen der ECHA zur Verfügung zu stellen sind. Erst in einer zukünftigen, noch nicht erlassenen Rechtsverordnung nach § 16f Abs. 2 ChemG wird daher konkret festgelegt werden, auf welche Art und Weise die Mitteilungen an die ECHA übermittelt werden müssen (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 19/19373, S. 102 ff).
Was müssen Entsorgungsunternehmen im Zusammenhang mit der SCIP-Datenbank beachten?
Keine unmittelbare gesetzliche Pflicht zur Nutzung der SCIP-Datenbank
Die SCIP-Datenbank soll zusätzliche Informationen zur Verfügung stellen, um den Abfallsektor dabei zu unterstützen, die derzeitigen Abfallbewirtschaftungsverfahren zu verbessern. Eine unmittelbare und gesondert gesetzlich angeordnete Pflicht der Abfallentsorger zur Verwendung der in der SCIP-Datenbank enthaltenen Informationen gibt es derzeit nicht. Die Bundesregierung plant – zumindest bislang – keine obligatorische Nutzung der SCIP- Datenbank durch die Betreiber von Recyclinganlagen gesetzlich zu verankern (BT-Drs. 19/20890, S. 9 (Antwort vom 07.07.2020 auf Kleine Anfrage)).
SCIP-Datenbank als Grundlage zukünftiger Regelungen für SVHC-haltige Stoffströme
Allerdings ist zu beachten, dass die SCIP-Datenbank auch deutschen und europäischen Behörden zur Verfügung stehen wird und die Transparenz über SVHC in Erzeugnissen verbessern kann.
Nach unserer Einschätzung ist es daher nicht unwahrscheinlich, dass für bestimmte Stoffströme mit hohen Anteilen an SVHC-Stoffen regulatorische Risikomanagementverfahren gemäß der REACH-Verordnung (Zulassung und Beschränkung) oder gemäß anderer Vorschriften eingeleitet werden. Die SCIP-Datenbank könnte daher zukünftig letztlich doch zu neuen Pflichten der Abfallwirtschaft führen, falls auf ihrer Grundlage neue (stoffstromspezifische) Vorschriften hinsichtlich der Trennung, Behandlung oder Entsorgung bestimmter SVHC-haltiger Stoffströme erlassen werden sollten. Denkbar sind insbesondere Ergänzungen der Vorschriften zur Entsorgung von Altfahrzeugen oder Elektroaltgeräten.
Mittelbare Auswirkungen der SCIP-Datenbank auf Abfallbewirtschaftungsmaßnahmen SVHC-haltiger Stoffströme
Die in der SCIP-Datenbank enthaltenen Informationen können außerdem mittelbaren Einfluss auf die Abfallbewirtschaftung SVHC-haltiger Stoffströme haben, sobald die SCIP-Datenbank öffentlich verfügbar wird (womit nach Aussagen der ECHA in den nächsten Monaten zu rechnen ist).
So hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, dass Abfallbesitzer und -erzeuger nach § 7 Abs.3 KrWG zur ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung ihrer Abfälle verpflichtet sind. Die SCIP-Datenbank könne als zusätzliche Informationsquelle dienen, um potenziell SVHC-haltige Abfallströme zu identifizieren und so zu behandeln, dass die SVHC aus dem Wertstoffstrom ausgeschleust werden (BT-Drs. 19/20890, S. 9 (Antwort auf Kleine Anfrage vom 07.07.2020).
Einerseits können Abfallentsorgungsunternehmen die Informationen aus der SCIP-Datenbank daher nutzen, wenn sie z. B. darlegen möchten, dass im Einzelfall für bestimmte Stoffströme eine Verwertung statt einer Beseitigung möglich ist, weil die SCIP-Datenbank Anhaltspunkte für das Fehlen von SVHC-Stoffen in diesen Stoffströmen gibt. Andererseits ist denkbar, dass sich Abfallbehörden auf Informationen aus der SCIP-Datenbank berufen, um im Einzelfall eine Verwertungsmaßnahme von SVHC-belasteten Stoffströmen zukünftig zu untersagen, da SVHC-Stoffe aus dem Wertstoffkreislauf ausgeschleust werden sollen. In beiden Fällen ist allerdings zu beachten, dass die Erzeugnisse, die in der SCIP-Datenbank genannt werden, erst zeitverzögert zu Abfällen werden und in den Abfallentsorgungsunternehmen ankommen.
Nachdem die SCIP-Datenbank öffentlich zugänglich gemacht worden ist, sollten Abfallentsorger vor diesem Hintergrund regelmäßig prüfen, ob die von ihnen behandelten Stoffströme aus Erzeugnissen stammen, die in der SCIP-Datenbank genannt werden, und ob diese ggf. neuen Erkenntnisse zukünftig Änderungen bei den von ihnen bislang angewandten Abfallbewirtschaftungsmaßnahmen auslösen können.
Weitere Informationen
ECHA zur SCIP-Datenbank allgemein, SCIP-Datenbank - ECHA (europa.eu), und SCIP infographic - ECHA (europa.eu))
ECHA zur SCIP-Datenbank und Nutzen für Abfallentsorgungsunternehmen - ECHA (europa.eu)
BT-Drs. 19/19373 (Gesetzesbegründung, abrufbar unter Drucksache 19/19373 (bundestag.de)).
BT-Drs. 19/20890, S. 9 (Antwort vom 07.07.2020 auf Kleine Anfrage, abrufbar unter Drucksache 19/20890 (bundestag.de))
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