Mit dem Ausbruch von COVID-19 und den damit einhergehenden infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen häufen sich bundesweit Betriebsschließungen in sämtlichen wirtschaftlichen Branchen. Ein umfassender Versicherungsschutz kann Ertragsausfälle von Unternehmen jedoch ausgleichen und die Kontinuität der unternehmerischen Tätigkeit sichern. Aus diesem Grund sollten Unternehmen und Versicherer bereits bestehende Deckungskonzepte für den möglichen Fall einer Betriebsunterbrechung wegen COVID-19-Infektionen überprüfen und gegebenenfalls nachverhandeln.
Der konkrete Umfang des Versicherungsschutzes für den Fall eines Pandemieausbruchs ist abhängig von der Ausgestaltung der jeweiligen Versicherungsverträge. Hierbei sind folgende Aspekte von erheblicher Relevanz:
I. Versicherungsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bei (drohenden) Betriebsunterbrechungen
Betriebsunterbrechungspolicen auf Grundlage der FBUB 2010, AMBUB 2011 oder der Musterbedingungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft decken grundsätzlich keine seuchenbedingten Betriebsschließungen ab. Vielmehr tritt der Versicherungsfall nach diesen Bestimmungen erst ein, wenn der Betrieb infolge eines Sachschadens unterbrochen wird. Ein solcher dürfte bei Betriebsunterbrechungen infolge gesetzlicher Infektionsschutzmaßnahmen abzulehnen sein, da präventive Maßnahmen der Gesundheitsbehörden in der Regel nur die Belegschaft betreffen und nicht die sachliche Integrität des Betriebes beeinträchtigen.
Bei Abschluss sogenannter All-Risk Policen oder Extended Coverage Bausteine kann der Versicherungsschutz weiter reichen und damit auch COVID-19 bedingte Betriebsschließungen erfassen. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang der vertraglich vereinbarte Umfang des Versicherungsschutzes. Setzt der Versicherungsfall bedingungsgemäß keine Beeinträchtigung der Sachsubstanz voraus, ist die Deckung eines COVID-19-Ausbruchs samt seiner betrieblichen Auswirkungen möglich. Zu bejahen ist der Versicherungsschutz insbesondere in solchen Fällen, in denen Seuchen und/oder Infektionskrankheiten ausdrücklich als versichertes Risiko benannt werden oder eine umfassende Allgefahrendeckung besteht.
Die Einbeziehung so genannter Rückwirkungsschäden dehnt den Versicherungsschutz auf Betriebsunterbrechungen wegen Ereignissen im Sinne der Risikobeschreibung bei Zulieferern und/oder Abnehmern aus. Beispiele hierzu sind in den Verbandsempfehlungen SK 8403 und SK 8404 genannt. Diese setzen allerdings einen konkret bezifferbaren Sachschaden in der Lieferkette voraus.
Lebensmittelverarbeitende Betriebe schließen zudem häufig selbstständige Betriebsschließungsversicherungen ab. Auf diese Weise können Ertragsausfallschäden kompensiert werden, die wegen behördlicher Betriebsschließungsverfügungen entstehen. Das IfSG ermächtigt die Verwaltung in diesem Zusammenhang zu einer Reihe von Maßnahmen, welche der Prävention und Eindämmung bestimmter meldepflichtiger Krankheiten im Sinne der §§ 6, 7 IfSG dienen. Bei COVID-19 handelt es sich jedoch um einen neuartigen Erreger, welcher nicht ausdrücklich im Katalog der §§ 6 und 7 IfSG genannt ist. Aus diesem Grund hat das Bundesministerium für Gesundheit den Anwendungsbereich des IfSG mit der CoronaVMeldeV vom 30.01.2020 ausgedehnt.
Im Hinblick auf den Schutzumfang von abgeschlossenen Versicherungspolicen sind die jeweiligen Risikobeschreibungen von maßgeblicher Bedeutung. Einige Bedingungswerke nennen in ihrem Vertragstext einen Katalog von Krankheiten und Erregern, für welche der Versicherungsschutz greift. Dieser Katalog entspricht regelmäßig der aktuellen Fassung des IfSG. Aus diesem Grund ist es unwahrscheinlich, dass die Risikobeschreibung einen ausdrücklichen Hinweis auf COVID-19 enthält. Es kommt im Ergebnis somit darauf an, inwieweit die jeweilige Police zukünftige Entwicklungen und Änderungen des IfSG miteinbezieht.
Treten Verdachtsfälle von COVID-19 im Betrieb auf, sollte das versicherte Unternehmen schnellstmöglich den Dialog mit dem Versicherungsunternehmen suchen, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Dies ist insbesondere in solchen Fällen erforderlich, in denen die Unternehmensleitung – noch vor Tätigwerden der Verwaltung – aus eigener Initiative eine zeitweilige Betriebsunterbrechung in Erwägung zieht, was zum Beispiel aus Gründen des Arbeitsschutzes geboten sein kann.
Unternehmen, deren geschäftliche Tätigkeit von Schlüsselpersonen oder bestimmten Veranstaltungen abhängt, können deren Ausfall zudem in besonderen Ausfallversicherungen beziehungsweise dread disease-Versicherungen abdecken, da eine Infektion mit COVID-19 grundsätzlich dazu geeignet ist, einen entsprechenden Versicherungsfall auszulösen.
Im Falle eines Rechtsstreits ist der Versicherer bezüglich des Vorliegens eines Deckungsausschlusses darlegungs- und beweisbelastet. Will ein Versicherungsunternehmen die Deckung wegen einer vertraglich vereinbarten Pandemie-Klausel verweigern, muss es substantiiert darlegen, dass im Zeitpunkt des Versicherungsfalls COVID-19 als Pandemie zu qualifizieren war.
II. Versicherungsschutz sicherstellen durch Auswertung bestehender Versicherungspolicen
Ziel eines jeden Unternehmens ist die Sicherstellung eines lückenlosen Versicherungsapparates, um die Unternehmenskontinuität auch im Falle einer zeitweiligen Betriebsunterbrechung nicht zu gefährden. Um dieses Ziel erreichen und die COVID-19-Pandemie unbeschadet überstehen zu können, bedarf es einer gründlichen Auswertung der abgeschlossenen Versicherungspolicen.
Diese enthalten regelmäßig Anzeige- und Mitwirkungsobliegenheiten des Versicherungsnehmers, welche zum Zwecke eines vollumfänglichen Versicherungsschutzes dringend eingehalten werden sollten. Zudem ist es sinnvoll, derartige Anforderungen in die allgemeinen Notfallpläne des Unternehmens einzubeziehen.
Betriebsschließungsversicherungen enthalten zudem die Obliegenheit, einschlägige Sicherheitsvorschriften zu beachten und mit den zuständigen Ordnungsbehörden zu kooperieren. Eine lückenlose Dokumentation dieser Verfahrensvorgänge ist für einen umfassenden Deckungsschutz von grundlegender Bedeutung.
§ 56 IfSG sieht unter bestimmten Voraussetzungen Entschädigungsansprüche gegen die öffentliche Hand vor, welche nach § 56 Abs. 5 IfSG auf den Arbeitgeber übergehen können. Demzufolge ist das einstandspflichtige Versicherungsunternehmen – bei Eintritt des Versicherungsfalles – gemäß § 86 VVG berechtigt (cessio legis). Für den Fall, dass der Versicherungsvertrag Sicherungsobliegenheiten des Versicherungsnehmers für Regressansprüche regelt, muss das Unternehmen den Schutz dieser Ansprüche sicherstellen und dokumentieren.
Fazit
Eine detailgetreue Überprüfung bereits abgeschlossener Versicherungspolicen macht durchaus Sinn. Mangels einschlägiger Erfahrungssätze mit globalen Pandemien sowie der – in der Regel – fehlenden vertraglichen Ausgestaltung derartiger Umstände, kommt es im Wesentlichen auf die enge Zusammenarbeit mit dem Versicherungsunternehmen oder – im Streitfall – die Auslegung der Police an. In Betracht kommt zudem die Inanspruchnahme der Kreditausfallversicherung. Diese sollte vor allem dann in Erwägung gezogen werden, wenn sich der Forderungsausfall in einer Geschäftsbeziehung endgültig realisiert hat.