Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung bekräftigt, dass dem familiären Näheverhältnis bei Vermögensverschiebungen im engsten Familienkreis besondere Bedeutung für den Nachweis der subjektiven Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung zukommt.
(BGH, Urteil vom 10.07.2014 – IX ZR 50/12)
Zum Sachverhalt
Dem Kläger standen seit 2001 mehrere Forderungen gegen den Schuldner zu, deren Bezahlung dieser verweigerte. Im Jahr 2003 übertrug der arbeitslose Schuldner eine Wohnung, die im Wesentlichen sein gesamtes Vermögen darstellte, auf seine Mutter. Diese räumte dem Schuldner unter anderem ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnrecht an der Wohnung ein.
Die Zwangsvollstreckung des Klägers aus einem gegen den Schuldner erstrittenen Urteil blieb daher erfolglos. Der Kläger erhob darauf im Jahr 2010 Anfechtungsklage gegen die Mutter des Schuldners auf Duldung der Zwangsvollstreckung in die ihr übertragene Eigentumswohnung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung gemäß § 3 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes (AnfG).
Die Vorinstanzen wiesen die Klage mit der Begründung ab, es fehle am Nachweis der subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen.
Entscheidung und rechtlicher Kontext
Die hiergegen eingelegte Revision des Klägers hatte Erfolg.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) kann sich der beweisbelastete Kläger auf sog. Beweisanzeichen stützen, um den erforderlichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis der Beklagten hiervon nachzuweisen.
Da es sich bei den subjektiven Tatbestandsmerkmalen einer Vorsatzanfechtung um innere, dem Beweis nur schwer zugängliche Tatsachen handelt, können diese meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung sind – so der BGH – daher die maßgeblichen Umstände des Einzelfalles zu prüfen, welche als Erfahrungswerte für bzw. gegen den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners sprechen. Entscheidend sind vor allem die sog. Beweisanzeichen.
Wie der BGH nun nochmals ausdrücklich betont hat, besitzt dabei das enge persönliche Verhältnis innerhalb der Familie besonderes Gewicht. Überträgt der – im Übrigen weitgehend mittellose – Schuldner seinen einzigen werthaltigen Vermögensgegenstand auf einen Dritten und besteht zu diesem Dritten zusätzlich ein Näheverhältnis, insbesondere eine verwandtschaftliche Beziehung, so ist dies als starkes Beweisanzeichen zu werten. In einem solchen Fall spricht die Erfahrung dafür, dass der Schuldner bei der Übertragung mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelte und der Anfechtungsgegner hiervon Kenntnis hatte.
Dementsprechend entschied der BGH im vorliegenden Fall, dass die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung wegen der engen verwandtschaftlichen Beziehung zwischen Mutter und Sohn zu bejahen sind.
Fazit und Konsequenzen für die Praxis
Die Übertragung ihres Vermögens auf nahe Angehörige ist ein typisches Instrument für in die Krise geratene Schuldner (Stichwort „asset protection“). Diese versuchen, meist „in letzter Sekunde“, die noch vorhandenen Vermögenswerte durch Übertragung innerhalb der Familie dem Zugriff ihrer Gläubiger zu entziehen. Entsprechend häufig sind solche Sachverhalte in der anfechtungsrechtlichen Praxis anzutreffen.
Der Nachweis der subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen ist für den Anfechtenden in der Regel sehr schwierig. Dies gilt insbesondere bei Vermögensverschiebungen innerhalb der Familie, da entsprechende Vereinbarungen meist mündlich getroffen werden, so dass Belege zum Nachweis fehlen. Zudem werden die Beteiligten evtl. vorhandende Unterlagen streng geheim halten und sich vor Gericht nicht selbst belasten. Häufig versuchen sich Anfechtungsgegner mit dem Einwand zu verteidigen, die entsprechenden Übertragungen seien aufgrund familieninterner Absprachen gegen Entgelt erfolgt oder es handle sich um eine vorweggenommene Erbfolge, eine etwaige Gläubigerbenachteiligung sei keinesfalls beabsichtigt gewesen.
Aus Sicht der anfechtenden Insolvenzverwalter und Einzelgläubiger ist es daher erfreulich, dass solchen Schutzbehauptungen der Anfechtungsgegner unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH entgegengetreten werden kann.
Mit seiner Entscheidung bekräftigt der BGH einmal mehr, dass im Interesse einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung keine überzogenen Anforderungen an den Tatbestand der Vorsatzanfechtung gestellt werden dürfen.
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