Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Entscheidung vom 20.06.2024 mit der Zulässigkeit von Bietergemeinschaften bei Rettungsdienstvergaben auseinandergesetzt (VGH München, Beschl. v. 26.07.2024 – 12 CE 24.1067).
Obwohl das zugrunde liegende Verfahren der Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB unterfiel und damit vom Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts freigestellt war, hat der VGH geprüft, ob und unter welchen Voraussetzungen die Bildung einer Bietergemeinschaft bei Rettungsdienstvergaben zulässig ist. Da für diese Prüfung auf das in § 1 GWB enthaltene Kartellverbot abzustellen ist, war dieser Prüfungsrahmen trotz Anwendbarkeit der Bereichsausnahme eröffnet.
Der VGH ist hierbei zu dem Ergebnis gekommen, dass bei einer Bietergemeinschaft, die von zwei bereits auf dem Markt tätigen Rettungsdienstorganisationen gebildet wird, grundsätzlich vom Anschein einer wettbewerbswidrigen Absprache auszugehen ist. Dieser Anschein kann durch die Mitglieder der Bietergemeinschaft nur in bestimmten, eng auszulegenden Ausnahmefällen beseitigt werden. Gelingt dies nicht, ist das Angebot der unzulässigen Bietergemeinschaft vom Verfahren auszuschließen.
Ein bayerischer Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) schrieb als Träger des Rettungsdienstes den Betrieb von vier Rettungsmitteln in vier Losen aus. Das Verfahren fiel unter den Anwendungsbereich der Bereichsausnahme des § 107 Abs.1 Nr. 4 GWB und wurde in der Folge als verwaltungsrechtliches Auswahlverfahren durchgeführt. Wegen der Anwendung der Bereichsausnahme war der Teilnehmerkreis auf gemeinnützige Organisationen und Vereinigungen beschränkt. Neben Einzelbietern gab auch eine Bietergemeinschaft, bestehend aus zwei bundesweit im Rettungswesen tätigen Hilfsorganisationen, ein Angebot ab.
Der VGH prüfte die Zulässigkeit der Bietergemeinschaft anhand der von der Rechtsprechung hierfür gebildeten Fallgruppen. Nach diesen Fallgruppen kommt die Bildung einer Bietergemeinschaft grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn deren Mitglieder für sich genommen nicht leistungsfähig sind. Sind die Mitglieder leistungsfähig, dann darf eine Bietergemeinschaft nur dann eingegangen werden, wenn zwar Kapazitäten vorhanden, diese für den konkreten Auftrag jedoch nicht einsatzfähig sind. Alternativ können leistungsfähige Unternehmen eine Bietergemeinschaft dann bilden, wenn dieser eine wirtschaftlich zweckmäßige und kaufmännisch vernünftige Entscheidung zugrunde liegt. Dies ist wiederum nur dann der Fall, wenn erst der Zusammenschluss zu einer Bietergemeinschaft ein wirtschaftlich zweckmäßiges Angebot ermöglicht. Dient die Beteiligung an einer Bietergemeinschaft lediglich dem Zweck, die Chancen auf einen Zuschlag zu steigern oder mit Hilfe der Bietergemeinschaft Synergiepotenziale oder -effekte zu realisieren, ist von einem Verstoß gegen das Kartellverbot auszugehen.
Nach Ansicht des VGH konnten sich die beiden Organisationen in dem Verfahren „offenkundig“ (!) nicht darauf berufen, dass die Bildung der Bietergemeinschaft deshalb erforderlich sei, weil beide Organisationen für sich genommen nicht leistungsfähig seien. Ausreichend war für den VGH an dieser Stelle, dass es sich bei den Mitgliedern der Bietergemeinschaft bekanntermaßen um bundesweit im Rettungswesen tätige Organisationen handele. Folglich hätte die Bietergemeinschaft nur dann eingegangen werden dürfen, wenn andernfalls kein erfolgversprechendes Angebot möglich gewesen wäre bzw. die vorhandenen Kapazitäten nicht einsatzfähig wären. Ob diese Voraussetzungen erfüllt waren, konnte der VGH mangels entsprechender Sachverhaltsaufklärung durch das erstinstanzliche Gericht nicht entscheiden. Dass der VGH insoweit jedoch erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Bietergemeinschaft hegt, hat er in seiner Entscheidung dennoch deutlich anklingen lassen.
Im Ergebnis dürften Bietergemeinschaften der großen Hilfsorganisationen bei Rettungsdienstvergaben daher in den meisten Fällen der Geschichte angehören.
Für die Praxis lässt sich aus der Entscheidung der klare Auftrag an die Auftraggeber entnehmen, dass diese die Gründe für die Bildung einer Bietergemeinschaft regelmäßig durch entsprechende Nachfragen kritisch und umfassend aufklären müssen. Für Bieter, die bereits in größerem Umfang Rettungsdienstleistungen erbringen und dementsprechend als leistungsfähige Unternehmen gelten, dürfte es sehr schwer werden, eine tragfähige Begründung für die Eingehung einer Bietergemeinschaft liefern zu können. Dies gilt umso mehr, wenn die (Hilfs-) Organisationen überregional tätig sind.
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