Bereits seit Jahren soll die TA Luft angepasst werden. Nach mehreren Anläufen hat nun das Bundeskabinett eine Neufassung beschlossen. Die neuen Regelungen betreffen zahlreiche der 50.000 von der TA Luft erfassten Anlagen. Wir stellen einige zentrale Eckpunkte des Kabinettsentwurfs vor.
Hintergrund der Neuregelung
Seit Inkrafttreten der derzeit geltenden Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) im Jahr 2002 haben sich der Stand der Technik und unionsrechtliche Rahmenbedingungen erheblich verändert. Daran soll die TA Luft nach mehreren Anläufen seit dem Jahr 2016 mit dem nunmehr vorliegenden Kabinettsentwurf vom 17.12.2020 (Link) angepasst werden.
Dabei sollen die Anforderungen der Richtlinie 2008/50/EG (Luftqualitätsrichtlinie), der Richtlinie (EU) 2016/2284 über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe (neue NEC-Richtlinie) und der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-Verordnung) berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollen diverse Durchführungsbeschlüsse der Kommission über Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken (BVT) gemäß der Richtlinie 2010/75/EU (Industrieemissionsrichtlinie) in die TA Luft integriert werden und BVT-Merkblätter Berücksichtigung finden.
Erstmals Anforderungen an Geruchsimmissionen in der TA Luft
Geruchsimmissionen waren bislang vom Anwendungsbereich der TA Luft ausgenommen und in der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) geregelt. In dem Kabinettsentwurf zur TA Luft finden sich nun hierzu erstmals Regelungen. Danach ist für Anlagen, von denen relevante Geruchsemissionen ausgehen können, eine Prüfung durchzuführen, ob der Schutz vor erheblichen Belästigungen durch Geruchsimmissionen gewährleistet ist. Zudem sind bei Anlagen, die relevante Konzentrationen an Geruchsstoffen emittieren können, Anforderungen zur Emissionsminderung zu treffen.
Daneben finden sich Bestimmungen zu Geruchsimmissionen in den anlagenspezifischen Anforderungen, etwa für Biogasanlagen, Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen, Anlagen zum Trocknen von Abfällen oder Klärschlamm und Anlagen zur mechanischen Behandlung von gemischten Siedlungsabfällen. Die Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen soll künftig in einem Anhang 7 zur TA Luft geregelt werden, der – mit einigen Anpassungen – der bisherigen GIRL entspricht.
Anpassungen an Unionsrecht bei Immissionswerten und Emissionsbegrenzungen
Weiterer zentraler Bestandteil des Kabinettsentwurfs sind Anpassungen an das Unionsrecht bei Immissionswerten und Emissionsbegrenzungen. Hierfür wird die TA Luft unter anderem um Bestimmungen zu Formaldehyd ergänzt. Dies wurde erforderlich, nachdem Formaldehyd aufgrund neuer Erkenntnisse bereits 2014 in der CLP-Verordnung als krebserzeugender Stoff eingestuft worden war. Die Anforderungen der TA Luft sind insoweit aber nur noch auf Anlagen anwendbar, die nicht dem Anwendungsbereich der 44. BImSchV unterliegen. Diese war bereits vergangenes Jahr entsprechend angepasst worden.
Zudem werden die unionsrechtlichen Vorgaben zur emissions- wie immissionsseitigen Begrenzung von Luftschadstoffen umgesetzt. Dies betrifft insbesondere Regelungen zu Feinstaub und Stickstoffoxiden auf Grundlage der Luftqualitätsrichtlinie sowie zu Stickstoffoxiden, Ammoniak und Schwefeloxiden im Rahmen der neuen NEC-Richtlinie. Die Anforderungen der TA Luft sollen in diesen Bereichen zur Reduzierung der durch Industrieanlagen verursachten Belastungen beitragen. Damit sollen gleichzeitig Einträge von reaktivem Stickstoff in alle Umweltmedien gemindert werden.
Darüber hinaus wird die TA Luft hinsichtlich besonders gesundheitsschädlicher Stoffe, also vor allem karzinogener, keimzellmutagener oder reproduktionstoxischer Stoffe bzw. hinsichtlich Stoffen, bei denen der Verdacht auf eine entsprechende Wirkung besteht, an den aktuellen Stand des Wissens angepasst. Hierfür werden unter anderem die CLP-Verordnung und Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) des Ausschusses für Gefahrstoffe nach der Gefahrstoffverordnung zugrunde gelegt.
Schließlich sind zur Senkung der Quecksilber-Emissionen bei den Vorsorgeanforderungen die Regelungen entsprechend dem Stand der Technik angepasst worden.
„Gesamtzusatzbelastung“ künftig bei Anlagenänderungen zu beachten
Bereits bisher dienen Immissionskenngrößen dazu, die Höhe der Vorbelastung, der Zusatzbelastung oder der Gesamtbelastung zu kennzeichnen. Als neue Kategorie soll nun diejenige der Gesamtzusatzbelastung hinzukommen. Darunter ist der Immissionsbeitrag zu verstehen, der durch die gesamte Anlage hervorgerufen wird. Bei Neugenehmigungen entspricht die Zusatzbelastung der Gesamtzusatzbelastung. Bei Schadstoffen, für die Immissionswerte in den Nummern 4.2 bis 4.5 der TA Luft festgelegt sind, soll die Bestimmung von Immissionskenngrößen unter anderem wegen einer irrelevanten Gesamtzusatzbelastung entfallen. In diesen Fällen soll grundsätzlich davon auszugehen sein, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch die Anlage nicht hervorgerufen werden können.
Praktische Auswirkung ist, dass es bei Änderungsgenehmigungen für die Frage, ob auf eine Bestimmung der Immissionskenngrößen verzichtet werden kann, nicht mehr auf die von der Änderung ausgehende Zusatzbelastung, sondern auf die aus der Vorbelastung durch die bestehende Anlage und die durch die Änderung hinzukommende Zusatzbelastung zu ermittelnde Gesamtzusatzbelastung ankommen soll. Der Vorschriftengeber will damit eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.10.2013 (Link) „korrigieren“. Dort war entschieden worden, dass im Rahmen eines Änderungsgenehmigungsverfahrens für ein Kraftwerk für die Ermittlung der Zusatzbelastung im Grundsatz allein auf den Immissionsbeitrag abzustellen sei, der durch das Erweiterungsvorhaben (Erweiterung um einen zusätzlichen Kraftwerksblock) verursacht werde. Hieraus leitet der Vorschriftengeber die Notwendigkeit ab, innerhalb der TA Luft klarzustellen, für welche Sachverhalte der Immissionsbeitrag der Gesamtanlage zu betrachten ist und für welche Sachverhalte auf den Beitrag der Änderung abzustellen ist.
Eine bedeutsame Neuerung gegenüber vorhergehenden Entwürfen besteht allerdings darin, dass für die Frage der Genehmigungsfähigkeit (weiterhin) nur die Zusatzbelastung betrachtet werden soll. Dies dürfte verfassungsrechtlichen Bedenken geschuldet sein, da ansonsten in vorbelasteten Gebieten Änderungsgenehmigungen auch bei nur geringfügiger und damit nicht kausaler Zusatzbelastung durch die Änderung selbst nicht hätten erteilt werden dürfen.
Stickstoff- und Säureeinträge sowie Stickstoffdeposition bei Sonderfallprüfung zu beachten
Bereits nach der bisherigen TA Luft ist bei luftverunreinigenden Stoffen, für die Immissionswerte nicht festgelegt sind, und in den Sonderfällen eine Prüfung, ob schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können, erforderlich, wenn hierfür hinreichende Anhaltspunkte bestehen. Hierzu sieht der Kabinettsentwurf nun auch eine Prüfung der Verträglichkeit von Stickstoff- und Säureeinträgen für Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung nach der Richtlinie 92/43/EWG (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) vor. In Bezug auf Stickstoffdepositionen auf Böden enthält der Kabinettsentwurf Konkretisierungen zur Erforderlichkeit einer Prüfung im Einzelfall. Diese soll entfallen, wenn die Gesamtzusatzbelastung im Beurteilungsgebiet 5 Kilogramm pro Hektar und Jahr nicht überschreitet bzw. die Gesamtzusatzbelastung 30 Prozent des anzuwendenden Immissionswertes nicht übersteigt.
Weitere Neuerungen: Neue Anlagenarten, Abluftreinigung für Tierhaltungsanlagen
Die in der TA Luft enthaltenen besonderen Regelungen für bestimmte Anlagenarten werden um neue Anlagenarten ergänzt. Aufgenommen werden sollen etwa Anlagen zur Herstellung von Holzpresslingen wie Holzpellets oder Holzbriketts, bestimmte Anlagen zur Erzeugung von Biogas und Anlagen zur Behandlung von nicht gefährlichen metallischen Abfällen in Schredderanlagen.
Neu ist auch die verpflichtende Abluftreinigung in neuen Tierhaltungsanlagen mit Zwangslüftung ab einer bestimmten Anzahl von Tierplätzen. Bestandsanlagen müssen innerhalb von fünf Jahren nachgerüstet werden, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich verhältnismäßig ist. Mit der Abluftreinigungseinrichtung sind Emissionsminderungsgrade für Staub, Ammoniak und Gesamtstickstoff von jeweils mindestens 70 Prozent zu gewährleisten.
Ausblick und Fazit
Nachdem das Bundeskabinett den Entwurf der neuen TA Luft beschlossen hat, muss nun der Bundesrat zustimmen. Wann der Entwurf im Bundesrat behandelt wird, ist derzeit offen.
Stimmt der Bundesrat zu, gelten künftig für neue Genehmigungen und Änderungsgenehmigungen von immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen sowie teilweise für Bestandsanlagen zahlreiche strengere Anforderungen zum Schutz vor und zur Vorsorge gegen Luftverunreinigungen. Dabei richtet sich die TA Luft als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift primär an die Genehmigungsbehörden, entfaltet aber auch gegenüber Anlagenbetreibern mittelbare Wirkung.
Für die im Rechtssetzungsverfahren umstrittene Einführung der neuen Kategorie einer „Gesamtzusatzbelastung“ scheinen die verheerendsten Auswirkungen für die Anlagenbetreiber abgewendet zu sein. Zwar müssen auch bei einer Änderung, die für sich genommen nur geringfügig zur Gesamtbelastung beiträgt, nunmehr die Immissionskenngrößen einschließlich der Vorbelastung ermittelt werden, wenn die Gesamtzusatzbelastung der zu ändernden Anlage unter Einschluss des Anlagenbestands die Geringfügigkeitsschwellenwerte überschreitet. Dies soll die Genehmigungsbehörde in die Lage versetzen, zielgerichtet gegen die Überschreitung der Immissionswerte vorzugehen. Neben anlagenbezogenen Maßnahmen kommen hierfür insbesondere Maßnahmen der Luftreinhalteplanung in Betracht. Die Genehmigung der Änderung selbst kann deshalb allerdings nicht länger versagt werden, wenn deren Immissionsbeitrag die einschlägigen Irrelevanzwerte unterschreitet.
Haben Sie Fragen zur TA Luft oder generell zu genehmigungsrechtlichen Themen? Wir beraten Sie gerne!