Die Öffentlichkeitsbeteiligung in bau- oder umweltrechtlichen Planungs- und Genehmigungsverfahren erfordert noch immer die physische Auslegung der Planunterlagen und mündliche Erörterungstermine. Allerdings sind derzeit aufgrund der Kontaktbeschränkungen angesichts der COVID-19-Pandemie persönliche Kontakte weitgehend zu vermeiden. Auch Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung sind, wenn überhaupt, nur eingeschränkt zugänglich. Die Bundesregierung hat hierauf nun reagiert und macht mit dem Entwurf des Planungssicherstellungsgesetzes einen Schritt zur Digitalisierung der Öffentlichkeitsbeteiligung – zunächst befristet bis zum 31.03.2021.
Viele (Fach-)Planungsgesetze sehen vor Genehmigungserteilung eine Auslegung der relevanten Unterlagen zur Einsichtnahme und eine mündliche Erörterung der erhobenen Einwendungen vor. Insbesondere bei großem öffentlichem Interesse bergen aber daraus folgende größere Zusammenkünfte in Verwaltungsgebäuden ein erhebliches Infektionsrisiko. Durch die derzeit nur eingeschränkt zugänglichen Räumlichkeiten besteht für interessierte Bürger oder Vereinigungen faktisch keine Möglichkeit zur Einsichtnahme in die ausgelegten Unterlagen. Folgerichtig hat jüngst das Landesamt für Umwelt Brandenburg den geplanten Erörterungstermin für die Genehmigung der Tesla-Gigafactory auf unbestimmte Zeit verschoben. Das zeigt exemplarisch: Es drohen bei allen derzeit beantragten Genehmigungen oder in Aufstellung befindlichen Plänen Verzögerungen oder Verfahrensfehler und damit erhebliche Unsicherheiten rechtlicher und wirtschaftlicher Art auf Seiten der Antragsteller und Vorhabenträger, aber auch der Genehmigungsbehörden. Der Gesetzgeber sah sich dadurch veranlasst, sich mit digitalen Alternativen zur bisherigen Öffentlichkeitsbeteiligung zu befassen.
Der am 29.04.2020 vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf eines Planungssicherstellungsgesetzes sieht Ersatzmöglichkeiten für klassische Verfahrensschritte der Öffentlichkeitsbeteiligung mit physischer Präsenz vor. Hierfür sollen die Vorschriften zur Öffentlichkeitsbeteiligung in gleich 22 Fachgesetzen geändert werden, darunter das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, das Bundes-Immissionsschutzgesetz, das Kreislaufwirtschaftsgesetz, das Baugesetzbuch, das Netzausbaubeschleunigungsgesetz und das Wasserhaushaltsgesetz. In allen Regelungsmaterien werden die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung auch bei bereits begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Verfahren angepasst. Das Planungssicherstellungsgesetz sieht im Einzelnen die folgenden Regelungen vor:
Bisher war die Online-Auslegung von Unterlagen nach nationalem Recht nur ergänzend zur physischen Auslegung möglich, und auch nach neuer Rechtslage soll – sofern gesundheitlich vertretbar – die „analoge“ Variante ermöglicht werden. Dagegen sind Online-Konsultationen dem Planungs- und Genehmigungsverfahren gänzlich neu. Unionsrechtlich dürften die vorgesehenen Änderungen nicht zu beanstanden sein: Die Vorgaben beispielsweise der Industrieemissions- und der UVP-Richtlinie sehen weder zwingend eine „analoge“ Öffentlichkeitsbeteiligung vor noch einen Erörterungstermin.
Die Regelungen des Planungssicherstellungsgesetzes sind zunächst bis zum 31.03.2021 befristet. Inwieweit das Planungssicherstellungsgesetz – nach der zeitnah erwarteten Verabschiedung – den Weg zu digitalen Öffentlichkeitsbeteiligungen auch außerhalb pandemiebedingter Ausnahmesituationen ebnen wird, bleibt daher abzuwarten. Sofern sich die Digitalisierung der Öffentlichkeitsbeteiligung aber in anstehenden Verfahren bewährt, spricht Vieles für deren dauerhafte Verankerung im Planungs- und Genehmigungsrecht.
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