Mit Datum vom 20.07.2011 (BT-Drucks. 17/6645) hat die Bundesregierung ihre Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Kabinettsentwurf für ein Kreislaufwirtschaftsgesetz („KrWG-E“) vom 27.05.2011 vorgelegt. Die vom Bundesrat geforderten Korrekturen des Entwurfs in Bezug auf der Neuregelung der Überlassungspflichten, durch welche nach Willen der Bundesregierung „gewerbliche Sammlungen“ in Abkehr von der „Altpapier“-Rechtsprechung des BVerwG vom 18.06.2009 (7 C 16/08) wieder breiteren Raum erhalten sollen, werden dabei unter Hinweis auf zwingende Vorgaben des Europarechts umfassend abgelehnt.
Kabinett: Definition der „gewerblichen Sammlung“ europarechtlich vorgegeben
Unter anderem hatte der Bundesrat am 27.05.2011 einen Änderungsvorschlag betreffend die in § 3 Abs. 18 KrWG-E vorgesehene Definition des Begriffs der „gewerblichen Sammlung“ beschlossen. Nach dem Kabinettsentwurf soll – in offensichtlicher Abkehr von der Rechtsprechung des BVerwG – jede zum Zweck der Einnahmeerzielung erfolgende Sammlung von dieser Begriffsdefinition erfasst und es hierbei insbesondere unschädlich sein, wenn die Sammlung „auf der Grundlage vertraglicher Bindungen zwischen dem Sammler und dem privaten Haushalt in dauerhaften Strukturen abgewickelt“ werde. Der Bundesrat möchte dagegen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerwG festgelegt wissen, dass nur unentgeltliche und ohne dauerhafte Strukturen auskommende Sammlungen dem Begriff der „gewerblichen Sammlung“ im Sinne des KrWG-E unterfallen können.
Eine solche Reduzierung des Sammlungsbegriffs lehnt die Bundesregierung jedoch unter Hinweis auf zwingende verfassungs- und europarechtliche Vorgaben eindeutig ab und macht hierbei noch einmal deutlich, dass ihres Erachtens der Begriff der „gewerblichen Sammlung“ nicht erst mit Inkrafttreten des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes, sondern bereits unter der Geltung des bisherigen § 13 Abs. 3 S. 1 KrW-/AbfG weit ausgelegt werden muss. Denn nicht nur greife die Forderung des Bundesrates nach einer an der Rechtsprechung des BVerwG orientierten Einschränkung des Sammlungsbegriffs in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise in den Bestand bereits praktizierter Sammlungssysteme ein. Darüber hinaus erfordere eine EU-rechtskonforme weite Auslegung des Sammlungsbegriffes, dass es zur Gewährleistung der Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit auf den Organisationsgrad und das Marktverhalten eines Sammlers nicht ankommen dürfe. Auch durch Art. 106 Abs. 2 AEUV, so die Bundesregierung weiter, sei ein kategorischer Ausschluss dauerhafter oder entgeltlicher Sammlungen nicht zu rechtfertigen. Derartige Aspekte seien vielmehr allein bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob einer gewerblichen Sammlung aufgrund ihrer Auswirkungen auf bestehende Entsorgungsstrukturen „überwiegende öffentliche Interessen“ entgegenstünden. Dabei verweist die Bundesregierung auch darauf, dass die EU-Kommission im Rahmen ihrer im KrWG-Notifizierungsverfahren ergangenen Stellungnahme vom 29.06.2011 ausgeführt habe, dass sogar nicht jegliche, sondern nur „wesentliche Auswirkungen“ auf die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger im Rahmen der Einzelabwägung berücksichtigt werden dürften. Es sei daher davon auszugehen, dass der vom Bundesrat im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerwG geforderte kategorische Ausschluss bestimmter gewerblicher Sammlungen von der EU-Kommission von vornherein als EU-rechtswidrig angesehen würde. Die Bundesregierung weist vor diesem Hintergrund darauf hin, dass die vom Bundesrat geforderte Änderung voraussichtlich europarechtlich keinen Bestand hätte und das System der kommunalen Überlassungspflichten daher insgesamt gefährden würde.
EU-rechtskonforme Präzisierung der überwiegenden öffentlichen Interessen erforderlich
Auch der vom Bundesrat geforderten Rückführung der Ausnahmebestimmungen zur gewerblichen Sammlung auf die Rechtsprechung des BVerwG, wonach eine gewerbliche Sammlung bereits dann untersagt werden können soll, wenn die Sammlung „mehr als nur geringfügige Auswirkungen“ auf die Organisation und Planungssicherheit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers habe, erteilt die Bundesregierung eine eindeutige Absage. Vielmehr bestehe eine Notwendigkeit zur Korrektur des BVerwG-Rechtsprechung, da ansonsten „erhebliche EU-rechtliche Risiken“ für den Bestand der kommunalen Überlassungspflichten insgesamt bestünden. Die Regelung zu überwiegenden öffentlichen Interessen sei nämlich so zu konzipieren, dass die Belange der Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit mit denen der Funktionsfähigkeit der Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse in EU-rechtskonformer Weise abzuwägen seien. Nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH zu Art. 106 Abs. 2 AEUV seien Beschränkungen der Grundfreiheiten aber nur insoweit gestattet, als die wirtschaftlich ausgewogene Erfüllung von Dienstleistungen im allgemeinen Interesse gefährdet sei. Lediglich im Bereich der Entsorgung gemischter Siedlungsabfälle – nicht aber, wie vom Bundesrat gefordert, bei der Entsorgung von Wertstoffgemischen – könne etwas anderes gelten, da hier in Übereinstimmung mit der Regelung in Art. 16 AbfRRL der Kernbereich der kommunalen Daseinsvorsorge betroffen sei.
Eine zusätzliche Problematik sieht die Bundesregierung zudem in der Kombination der Änderungsvorschläge des Bundesrates zur Einschränkung der Sammlungsdefinition einerseits und zur Rückführung des Begriffs der „überwiegenden öffentlichen Interessen“ auf die BVerwG-Rechtsprechung andererseits. Denn bei einer Gesamtschau dieser Änderungsvorschläge seien selbst „Kleinsammlungen“ aller Voraussicht nach faktisch nicht mehr möglich. Hierdurch würde dem Bürger ein wichtiges Serviceangebot vorenthalten und ein „bewährtes Instrument für die ressourceneffiziente Verwertung von Haushaltsabfällen aufgegeben“. Es müsse daher dabei bleiben, dass gewerbliche Sammlungen erst dann untersagt werden könnten, wenn die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers bzw. des von diesem beauftragten Dritten tatsächlich im Einzelfall „verhindert“ werde.
Zuständigkeitstrennung
Auch die Forderung des Bundesrates nach einer Beibehaltung der Entscheidungsbefugnis des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers hinsichtlich der Zulässigkeit einer gewerblichen Sammlung erachtet die Bundesregierung als problematisch und lehnt sie daher im Ergebnis ab. Denn das EU-Wettbewerbsrecht und die Rechtsprechung des EuGH in der Sache MOTOE (Rs. C-49/07) erfordere, dass die Neutralität der entscheidenden Behörde sichergestellt werden müsse, um Interessenkonflikte und „prohibitive Entscheidungen zulasten gewerblicher Sammlungen“ zu verhindern. Dies sei jedoch bei einer Entscheidungsbefugnis der Kommunen nicht gewährleistet
Fazit und Ausblick
Insgesamt positioniert sich die Bundesregierung mit ihrer Gegenäußerung vom 20.07.2011 in erfreulicher Klarheit und Kompromisslosigkeit zugunsten einer EU-rechtlich vorgegebenen weitgehenden Zulässigkeit gewerblicher Sammlungen und berücksichtigt dabei auch die Stellungnahmen, die die EU-Kommission im Rahmen des aktuell anhängigen Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Vereinbarkeit des § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG in der Auslegung durch das BVerwG mit dem EU-Recht (COMP/B.1/39734) sowie im Rahmen des Verfahrens zur Notifizierung des KrWG-E vorgelegt hat. Nunmehr bleibt abzuwarten, wie sich Bundesrat und Bundestag letztlich zu den Neuregelungen gewerblicher Sammlungen aufstellen werden und ob in diesen Fragen auch ohne die Einsetzung eines Vermittlungsausschusses Einigkeit erzielt werden kann. Eine weitere wichtige Etappe auf diesem Weg wird hier die für den 10.09.2011 angesetzte Sachverständigenanhörung vor dem im Bundestag federführend zuständigen Umweltausschuss sein.