Am 16.05.2012 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren in den Bundestag eingebracht (BT-Drs. 17/9666). Den Kern des Gesetzes bildet die Einführung einer „frühen Öffentlichkeitsbeteiligung“ als allgemeinen Verfahrensgrundsatz. Daneben sollen einige verallgemeinerungsfähige Regelungen zum Planfeststellungsverfahren, die mit dem Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz aus dem Jahre 2006 in verschiedene Fachgesetze eingeführt worden waren, zum Zwecke der Rechtsvereinheitlichung in das Verwaltungsverfahrensgesetz überführt werden.
Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung bei Großvorhaben
Vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse betreffend das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ erachtet die Bundesregierung die bestehenden Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung in Genehmigungs- oder Planfeststellungsverfahren nicht mehr für ausreichend. Es sei ein zunehmendes Interesse der Bürgerinnen und Bürger an frühzeitiger Beteiligung und Mitsprache festzustellen. § 25 des Verwaltungsverfahrensgesetzes soll daher ein dritter Absatz hinzugefügt werden, wonach die Behörde darauf hinwirkt, dass der Träger bei der Planung von Vorhaben, die nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Belange einer größeren Zahl von Dritten haben können, die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig über die Ziele des Vorhabens, die Mittel, es zu verwirklichen, und die voraussichtlichen Auswirkungen des Vorhabens unterrichtet. Diese frühe Öffentlichkeitsbeteiligung soll dabei möglichst bereits vor Stellung eines Antrags erfolgen, wobei der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit zur Äußerung und zur Erörterung gegeben werden soll. Das Ergebnis der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung soll der Behörde spätestens mit der Antragstellung, im Übrigen unverzüglich mitgeteilt werden.
Auf eine verpflichtende Durchführung verzichtet der Gesetzentwurf, um die erforderliche Flexibilität zu wahren und unnötige Belastungen von Verwaltung und Wirtschaft zu vermeiden. Im Ergebnis soll die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung nach Vorstellungen der Bundesregierung für mehr Transparenz und Akzeptanz bei Großvorhaben sorgen.
Vereinheitlichung des Planfeststellungsverfahrens
Die weiteren Änderungen dienen der fachübergreifenden Vereinheitlichung des Planfeststellungsrechts. Sie betreffen unter anderem die verfahrensrechtliche Gleichstellung der anerkannten Umweltschutzvereinigungen mit sonstigen Betroffenen, die Einführung einer Frist für das Anhörungsverfahren zur Beschleunigung und Straffung des Planfeststellungsverfahrens, die Zulassung der Plangenehmigung für Fälle nur unwesentlicher Beeinträchtigungen sowie die Ausdehnung der Heilung von Abwägungsmängeln auch auf Verfahrens- und Formfehler, um nur einige wenige Punkte zu nennen. Die diesbezüglichen Regelungen waren zuvor über unterschiedliche Fachgesetze wie z. B. das Allgemeine Eisenbahngesetz, das Bundesfernstraßengesetz oder das Luftverkehrsgesetz verstreut.
Ausblick
Die Zusammenführung bislang nur fachgesetzlich geregelter Vorgaben für das Planfeststellungsverfahren im Verwaltungsverfahrensgesetz erscheint sinnvoll. Ob mit dem Instrument der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung tatsächlich die von der Bundesregierung erwarteten positiven Effekte erzielt werden können, bleibt demgegenüber abzuwarten. Dass den von einem Großvorhaben potenziell Betroffenen durch die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung die Befürchtung genommen werden kann, die Zulassung werde nicht ergebnisoffen geprüft, erscheint zumindest zweifelhaft.
Der Gesetzentwurf ist vom Bundestag Ende Mai in erster Lesung beraten und nach Aussprache zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen worden. Am 30.03.2012 hatte die Bundesregierung den Gesetzentwurf bereits dem Bundesrat zugeleitet. Mit Beschluss vom 11.05.2012 hat der Bundesrat hierzu bereits Stellung genommen. Insbesondere regt er eine Konkretisierung der Vorschriften über die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung an.