Die zentrale Vorschrift der AGG ist die Beweislastregel des § 22. Nach dieser Vorschrift besteht die Gefahr, dass ein abgelehnter Bewerber einen Entschädigungsanspruch auch dann gerichtlich durchsetzen kann, wenn ihn der Arbeitgeber tatsächlich nicht wegen eines der unzulässigen Differenzierungsmerkmale (Rasse oder ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität) benachteiligt hat. Nach § 22 AGG muss nämlich der abgelehnte Bewerber nur Indizien beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines der vorgenannten Merkmale vermuten lassen. Gelingt ihm dies, so trägt der Arbeitgeber die volle Beweislast dafür, dass die Auswahlentscheidung tatsächlich benachteiligungsfrei erfolgt ist. Dieser Beweis wird in der Regel nur schwer erbracht werden können, so dass dem Arbeitgeber selbst bei tatsächlich nicht erfolgter Benachteiligung Sanktionen drohen.
Der (vermeintlich) benachteiligte Arbeitnehmer kann zwar nicht die Einstellung verlangen. Nach § 15 Abs. 2 AGG hat er jedoch einen Anspruch auf angemessene Entschädigung für den ihm entstandenen immateriellen Schaden. Dieser Anspruch ist nur dann, wenn der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, der Höhe nach auf drei Monatsgehälter begrenzt. Eine Höchstgrenze für den Fall, dass der Bewerber bei benachteiligungsfreier Auswahl eingestellt worden wäre, sieht das Gesetz hingegen nicht vor. In letzterem Fall besteht gemäß § 15 Abs. 1 AGG zusätzlich auch noch ein Schadensersatzanspruch, dessen Höhe dem Arbeitsentgelt, das der abgelehnte Bewerber bis zum nächstmöglichen (hypothetischen) Kündigungstermin erhalten hätte, entspricht.
Arbeitgeber, deren betriebliche Abläufe im Bewerbungsverfahren nicht an die Anforderungen des AGG angepasst werden, setzen sich somit erheblichen finanziellen Risiken aus. Aus diesem Grund haben avocado rechtsanwälte die folgende AGG-Checkliste entworfen, die als Arbeitshilfe zur diskriminierungsfreien Bewerberauswahl herangezogen werden kann:
Stellenausschreibung
Fakten:
Ein Verstoß gegen die Pflicht zur neutralen Stellenausschreibung führt zur Beweislastumkehr im Sinne des § 22 AGG (Indiz!). Erfasst werden interne und externe Ausschreibungen, Ausschreibungen für die berufliche Weiterbildung und Beförderung sowie Stellenausschreibungen durch Dritte, z. B. die Bundesagentur für Arbeit, Personalberatungsunternehmen oder Headhunter (Überwachungspflicht des Arbeitgebers!).
Prüfung:
1.
Ergibt sich aus der Stellenausschreibung, dass eines der unzulässigen Differenzierungsmerkmale für die Auswahlentscheidung unmittelbar oder mittelbar entscheidungserheblich ist?
2.
Falls ja, ist dies gerechtfertigt, weil das Differenzierungsmerkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die auszuübende Tätigkeit darstellt?
Praxistipps:
Bewerbungsgespräche und Personalfragebögen
Fakten:
Fragen nach einem unzulässigen Differenzierungsmerkmal können zur Beweislastumkehr im Sinne des § 22 AGG führen (Indiz!)
Prüfung:
1.
Stellt eine Frage im Bewerbungsgespräch oder im Personalfragebogen unmittelbar oder mittelbar auf ein unzulässiges Differenzierungsmerkmal ab?
2.
Falls ja, ist dies gerechtfertigt, weil das Differenzierungsmerkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die auszuübende Tätigkeit darstellt?
Praxistipps:
Auswahlentscheidung
Fakten:
Der Arbeitgeber darf der Auswahlentscheidung weder unmittelbar noch mittelbar eines der unzulässigen Differenzierungsmerkmale zugrunde legen
Prüfung:
1.
Aus welchem Grund wird der/die Bewerber/in abgelehnt? Ist ein unzulässiges Differenzierungsmerkmal für die Entscheidung (mit-)ursächlich?
2.
Falls ja, ist dies gerechtfertigt, weil das Differenzierungsmerkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die auszuübende Tätigkeit darstellt?
Praxistipps:
Absageschreiben
Fakten:
Der Hinweis auf die Entscheidungserheblichkeit eines unzulässigen Differenzierungsmerkmals im Absageschreiben kann zur Beweislastumkehr im Sinne des § 22 AGG führen (Indiz!)
Prüfung:
1.
Ergibt sich aus dem Absageschreiben, dass eines der unzulässigen Differenzierungsmerkmale unmittelbar oder mittelbar Einfluss auf die Auswahlentscheidung hatte?
2.
Falls ja, war dies gerechtfertigt, weil das Differenzierungsmerkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die auszuübende Tätigkeit darstellt?
Praxistipps:
Aufbewahrung von Bewerbungsunterlagen
Fakten:
Die zweimonatige Frist zur Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs beginnt mit dem Zugang des Absageschreibens beim Bewerber (§ 15 Abs. 4 AGG)
Praxistipps: