Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat am 10.08.2020 eine neue SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel veröffentlicht (abrufbar unter folgendem Link), die von den beratenden Arbeitsschutzausschüssen beim BMAS gemeinsam mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) erstellt wurde und die die Anforderungen an den Arbeitsschutz in Hinblick auf SARS-CoV-2 konkretisiert. Die Arbeitsschutzregel soll noch im August durch Veröffentlichung im Gemeinsamen Ministerialblatt in Kraft treten.
Ziel der neuen Regel
Nachdem das BMAS am 16.04.2020 bereits einen Zehn-Punkte-Plan zur Verringerung des betriebsinternen Ansteckungsrisikos und den sog. SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard vorgestellt hatte, deren Vorgaben im Rahmen der erforderlichen Gefährdungsbeurteilungen zu berücksichtigen sind (Blog-Beitrag vom 17.04.2020), soll die neue Arbeitsschutzregel Unternehmen nun mehr Sicherheit geben, indem konkrete Umsetzungsmaßnahmen benannt werden.
Ziel der Regel ist es, die Gesundheit der Beschäftigten in allen Situationen des Arbeitsalltags während der Pandemiezeit wirkungsvoll zu schützen. Ausgehend von dem aktuellen Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und der Hygiene sowie sonstiger gesicherter arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse werden Schutzmaßnahmen dargestellt, bei deren Einhaltung Arbeitgeber davon ausgehen können, dass sie die Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) und der Verordnungen hierzu erfüllen.
Wesentlicher Inhalt
In der Arbeitsschutzregel werden zunächst die wichtigsten Begriffe definiert, die für einen effektiven Arbeitsschutz im Hinblick auf die Infektionsgefahr notwendig sind. Hierzu gehören etwa die Termini Abstandsregel/Mindestabstand sowie Kurzzeitkontakte/Kurzzeitbegegnungen, aber auch die Unterscheidungen zwischen Mund-Nase-Bedeckung (MNB), Mund-Nase-Schutz (MNS), Filtrierende Halbmaske, Gesichtsschutzschild und Atemschutzgerät.
Sodann wird auf die (fortlaufende) Pflicht des Arbeitgebers hingewiesen, die nach §§ 5 f. ArbSchG erforderliche Gefährdungsbeurteilung gerade im Hinblick auf Infektionsschutzmaßnahmen zu überprüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren, wobei die Fachkraft für Arbeitssicherheit und der Betriebsarzt miteinbezogen werden sollen. Die Arbeitsschutzregel gibt den Unternehmen vor, dass im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung die Gestaltung der Arbeitsaufgaben, der Arbeitszeit und die Integration der im Homeoffice befindlichen Beschäftigten in betriebliche Abläufe sowie die aufgrund der epidemischen Lage zusätzlich zu betrachtenden psychischen Belastungsfaktoren zu berücksichtigen sind.
Unter Beachtung der – auch außerhalb des Arbeitsalltags – etablierten Mittel zum Schutz vor einer Infektion (Abstandhalten, Hygiene, Masken) werden dann Schutzmaßnahmen zu den Themen dargestellt, die bereits von dem SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard bekannt sind (Arbeitsplatzgestaltung, Lüftung, Homeoffice, Dienstreisen und Besprechungen, Arbeitsmittel/Werkzeuge, Arbeitszeit- und Pausengestaltung, Unterweisung und Kommunikation etc.). Die Rangfolge der Schutzmaßnahmen ergibt sich dabei aus dem sog. TOP-Prinzip (technische Maßnahmen sind gegenüber organisatorischen Maßnahmen vorrangig und diese wiederum sind vorrangig gegenüber personenbezogenen Maßnahmen). Die – von der konkreten betrieblichen Situation und den hieraus resultierenden Gefährdungen abhängigen – verschiedenen Maßnahmen sind sachgerecht miteinander zu verknüpfen.
Wo der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard noch vage geblieben ist, werden jetzt – zumeist ausgehend von den Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) – konkrete Vorgaben gemacht. Für Umkleide- und Waschräume wird etwa vorgegeben, dass durch Abstandsmarkierungen auf Fußböden, Begrenzung der Personenzahl oder zeitlich versetzte Nutzung die Beschäftigten genügend Platz erhalten sollen, um die Abstandsregel einhalten zu können; Sanitärräume sind nach der Arbeitsschutzregel arbeitstäglich mindestens einmal zu reinigen.
Mehr Rechtssicherheit
Die Vorgaben der Arbeitsschutzregel dürften Arbeitgebern die notwendige Sicherheit bei der Ergreifung von Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes geben. Auf der anderen Seite wird die Arbeitsschutzregel den Arbeitsschutzbehörden die Kontrolle der getroffenen Schutzmaßnahmen ebenso erleichtern wie im Einzelfall die Anordnung von zu treffenden Maßnahmen gemäß § 22 Abs. 3 ArbSchG.
Zwar ist es ausweislich der Arbeitsschutzregel auch möglich, dass Arbeitgeber von der Arbeitsschutzregel abweichende Schutzmaßnahmen treffen. Allerdings muss dann mindestens die gleiche Sicherheit und der gleiche Gesundheitsschutz für die Beschäftigten gewährleistet werden. Möchte man das Risiko einer insoweit fehlerhaften Einschätzung vermeiden, empfiehlt es sich, die Vorgaben der Arbeitsschutzregel einzuhalten.
Praxishinweise
Arbeitgeber sollten die Arbeitsschutzregel zum Anlass nehmen, die bereits getroffenen Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes zu kontrollieren und – falls erforderlich – nachzubessern.
Wichtig ist insoweit, alle getroffenen Maßnahmen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung vollständig und richtig zu dokumentieren, da Verstöße gegen diese Dokumentationspflicht eine Ordnungswidrigkeit darstellen und bußgeldbewehrt sind, vgl. §§ 3 Abs. 3, 9 Abs. 1 Ziffer 1 ArbStättV.
Zu beachten sind schließlich die Beteiligungsrechte des Betriebsrats, die insbesondere aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei der Umsetzung des Infektionsschutzes bestehen. Immer dort, wo mehrere denkbare Maßnahmen zum Ziel führen und dem Arbeitgeber eine Entscheidungsmöglichkeit verbleibt, ist der Betriebsrat einzubinden.
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