Die EU-Kommission hat am 01.04.2020 Leitlinien zur Nutzung der EU-Vergaberegelungen in Notsituation aufgrund des Coronavirus (SARS-CoV-2) veröffentlicht (abrufbar unter folgendem Link). Die fünfseitige Mitteilung fasst die Auffassung der EU-Kommission zusammen und ergänzt insoweit die bereits von diversen nationalen Stellen in der Bundesrepublik herausgegebenen Rundschreiben (vgl. hierzu u.a. Bundeswirtschaftsministerium vom 19.03.2020, abrufbar unter folgendem Link, und Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vom 27.03.2020, abrufbar unter folgendem Link). Dieser Beitrag fasst die wesentlichen aktuellen Hinweise der EU-Kommission sowie des BMI für Sie zusammen.
I. EU-Leitlinien zur Nutzung der EU-Vergaberegelungen in Notsituation
In ihren neu veröffentlichten Leitlinien gibt die EU-Kommission eine Hilfe zur Auslegung der geltenden EU-vergaberechtlichen Regelungen. Die Leitlinien verändern also nicht die geltende Rechtslage, sondern geben nur die Auffassung der EU-Kommission dazu wieder, welche Möglichkeiten das EU-Vergaberecht öffentlichen Auftraggebern bietet, um auch in Notsituationen dringliche Bedarfe vergaberechtskonform zu decken. Die bindende Auslegung des EU-Vergaberechts bleibt aber in jedem Fall dem EuGH vorbehalten.
In ihrem Papier weist die EU-Kommission in erster Linie darauf hin, dass für öffentliche Auftraggeber generell die folgenden Möglichkeiten bestehen:
Insoweit gibt die EU-Kommission auch ein Prüfungsschema vor und stellt die bestehenden Fristenregelungen in einer recht übersichtlichen Tabelle zusammen.
Darüber hinaus, so die Kommission, sollten öffentliche Auftraggeber, um die Auftragsvergabe zu beschleunigen, auch in Erwägung ziehen,
All diese Vorgehensvarianten fallen im deutschen Recht unter das Stichwort „Markterkundung“ (vgl. § 28 VgV).
Interessant ist an der Mitteilung zudem ein Aspekt, der nur mittelbar etwas mit Vergabeverfahren (im engeren Sinne) zu tun hat. So ermutigt die Kommission in der Mitteilung die öffentlichen Auftraggeber auch dazu,
„innovative digitale Instrumente [zu] nutzen, um breites Interesse bei den Wirtschaftsakteuren zu wecken, die alternative Lösungen anbieten können. So könnten sie beispielsweise Hackathons für neue Konzepte durchführen, die die Wiederverwendung von Schutzmasken nach der Reinigung ermöglichen, oder für Ideen für einen wirksamen Schutz des medizinischen Personals oder aber für Möglichkeiten zum Aufspüren des Virus in der Umgebung usw.“
S. 2 der Kommissions-Mitteilung
Ein entsprechender „Hackathon - #WirVsVirus“ wurde insoweit von der Bundesregierung bereits in die Wege geleitet und erfolgreich durchgeführt. Die gesammelten Ideen werden aktuell mit Blick auf Praktikabilität und entsprechende Finanzierungsmöglichkeiten – Crowdfunding, öffentliche Finanzierung etc. – näher geprüft (vgl. zu den Ergebnissen des Hackathons auch die Zusammenfassung der Bundesregierung).
II. BMI-Rundschreiben vom 27.03.2020
Speziell zu Bauvergaben hat das BMI mit Datum vom 27.03.2020 ein Rundschreiben zu vergaberechtlichen Fragen (abrufbar unter folgendem Link) veröffentlicht.
Darin weist das BMI zunächst darauf hin, dass ausschreibungsreife Gewerke auch weiterhin zu vergeben, Planungen fortzusetzen und weitere Bauvorhaben zur Ausschreibung zu bringen sind. Es soll also möglichst keinen Stopp laufender oder bevorstehender Bauprojekte geben.
Des Weiteren weist das BMI darauf hin, dass auch im Baubereich in dringlichen Beschaffungsfällen, die im Zusammenhang mit der Pandemie stehen (wie etwa die Schaffung zusätzlicher Kapazitäten im Krankenhausbereich, Umbauten zur Erhöhung der Anzahl an Videokonferenzräumen oder Einbau von Trennwänden zur Separierung mehrfach belegter Büros), der Rückgriff auf ein Verhandlungsverfahren bzw. eine Freihändige Vergabe in Betracht kommt.
Für neu abzuschließende Verträge hat das BMI außerdem ein Hinweisblatt zum Umgang mit Bauablaufstörungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entwickelt, welches den Ausschreibungsunterlagen beigefügt werden soll. Das Hinweisblatt ist dem Rundschreiben als Anhang beigefügt (abrufbar unter folgendem Link). Auftraggeber werden überdies aufgefordert, Angebots- wie Vertragsfristen der Situation angepasst zu bemessen und Vertragsstrafen für Bauverzögerungen in Anbetracht der durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufenen Unsicherheiten hinsichtlich der Bauabwicklung nur im Ausnahmefall vorzusehen.
Schließlich enthält das Rundschreiben Hinweise dazu, wie mit der Tatsache umzugehen ist, dass aufgrund von Zugangsbeschränkungen zu Dienstgebäuden und Kontaktverboten aktuell keine regulären Eröffnungstermine abgehalten werden können, wie sie die VOB/A im Unterschwellenbereich eigentlich vorsieht. Ausweislich des Rundschreibens kann insoweit bis auf Weiteres anstelle eines Eröffnungstermins auch ein Öffnungstermin ohne Bieterteilnahme durchgeführt werden; in Ausschreibungsverfahren sind allerdings im Anschluss den Bietern die Angaben gemäß § 14 Abs. 3 lit. a bis d VOB/A unverzüglich im vereinbarten Kommunikationsweg zur Verfügung zu stellen.
Haben Sie (vergabe)rechtliche Fragen zum richtigen Umgang mit den Auswirkungen durch den Coronavirus? Sprechen [oder mailen] Sie uns gerne an!