Drei Beschlüsse in jüngerer Zeit haben sich mit einem Anspruch auf Löschung persönlicher Daten im Handelsregister befasst – und bestärken darin, auch künftig nur zwingend erforderliche Daten an das Handelsregister zu übermitteln. Denn: das Handelsregister vergisst nicht, und dies nach den jüngsten Entscheidungen selbst dann nicht, wenn es sich um sensible Daten handelt oder diese überobligatorisch an das Register gereicht wurden oder überholt sind.
Der BGH hat sich in diesem Zusammenhang in seinem Beschluss vom 23. Januar 2024 (Az. II ZB 7/23) ausführlich mit der Frage befasst, ob ein Geschäftsführer einer GmbH einen Anspruch auf Löschung seines Geburtsdatums und seines Wohnortes im Handelsregister hat, und diesen verneint. Der Antragsteller war als Geschäftsführer einer GmbH seit dem September 2022 mit seinem Geburtsdatum und dem bei der Anmeldung angegebenen Wohnort im Handelsregister eingetragen und beantragte die Löschung dieser Daten, da seine berufliche Tätigkeit den Umgang mit Sprengstoff betreffe, so dass in seinem Fall die Gefahr bestehe, dass er Opfer einer Entführung oder eines Raubes werden könne, um die von ihm gehandhabten Stoffe zu erlangen. Im Melderegister seien sein Geburtsdatum und sein Wohnort vor diesem Hintergrund gesperrt. Der BGH hat dem Ersuchen nicht abgeholfen.
Im Handelsregister ist neben anderen Daten der Gesellschaft die Person des Geschäftsführers zwingend offenzulegen. In der Anmeldung sind neben Vor- und Nachnamen das Geburtsdatum und der Wohnort anzugeben. Sämtliche dieser Daten sind sodann zwingend im Handelsregister einzutragen. Eine Löschung dieser Daten im Falle ihrer Änderung oder Korrektur erfolgt nicht durch technische Entfernung der Eintragung, sondern ihrerseits als eigene Eintragung, um den Vorgang der Löschung im Handelsregister nachvollziehbar zu machen.
Die Person des Geschäftsführers gehöre zu den Grundinformationen über eine GmbH, weil es sich um das vertretungsberechtigte Organ der Gesellschaft handele, das im Rechtsverkehr verbindlich für selbige handeln dürfe. Zwecks Gewährung eines Mindestmaßes an Sicherheit für diejenigen, die mit der Gesellschaft in rechtsgeschäftlichen Kontakt träten und ein Interesse daran hätten, dass die wechselseitigen Willenserklärungen der Gesellschaft zugerechnet werden könnten, sei es daher elementar, das vertretungsberechtigte Organ im Rechtsverkehr eindeutig identifizieren zu können. Zu diesem Zweck werden Vor- und Familienname nebst Geburtsdatum und Wohnort gemäß § 43 Nr. 4 S. 1 lit. b) der Verordnung über die Einrichtung und Führung des Handelsregisters (HRV) eingetragen und gemäß § 10 Handelsgesetzbuch (HGB) zusammen mit dem Gesamteintrag der Gesellschaft öffentlich bekannt gemacht. Nachdem sich die Daten nur auf wenige, nicht zum Kernbereich des Schutzes personenbezogener Daten und auf Achtung des Privatlebens gehörende Informationen bezögen und nach eingehender Prüfung des BGH die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit gewahrt würden, bestehe kein Anspruch auf Löschung nach Art. 17 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) oder nationalem Recht. Daran ändere auch die Tatsache, dass das Handelsregister für jedermann einsehbar sei, nichts – ebenso wenig die Tatsache, dass der Antragsteller beruflich mit gefährlichen Substanzen Umgang habe. Eine entsprechend tätigkeitsbedingt allgemein erhöhte Gefahrenlage bestehe vergleichbar bei einer Vielzahl anderer beruflicher Tätigkeiten mit gefährlichen Stoffen oder wertvollen Vermögensgegenständen, so dass bei einer Einschränkung der Veröffentlichung der persönlichen Daten in allen diesen Fällen die Publizitäts- und Informationsfunktion des Handelsregisters nicht mehr ausreichend gewährleistet würde. Zwar räumt der BGH ein, dass es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht ausgeschlossen sei, dass es besondere Situationen geben könne, in denen es aus überwiegenden, schutzwürdigen, sich aus dem konkreten Fall ergebenden Gründen ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann, nach Ablauf einer hinreichend langen Frist nach Auflösung der fraglichen Gesellschaft den Zugang zu den im Register eingetragenen Daten auf Dritte zu beschränken, die ein besonderes Interesse an der Einsichtnahme nachweisen. Eine entsprechende Regelung obliege aber dem nationalen Gesetzgeber und auch hier komme eine vollständige Löschung nicht in Betracht. Ob in besonderen Ausnahmefällen bei Nachweis konkreter Gefahren für Leib oder Leben eine andere Beurteilung geboten sei, hat der BGH ausdrücklich nicht entschieden.
In einem weiteren Beschluss vom selben Tag (Az. II ZB 8/23) hat der BGH zudem mit nahezu gleichem Wortlaut einen Anspruch eines Kommanditisten einer GmbH & Co.KG auf Löschung der Angabe seines Geburtsdatums und seines Wohnortes aus dem Handelsregister verneint. So sind nach §§ 162 Abs. 1, 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 lit. a HGB bei der Anmeldung einer Kommanditgesellschaft ebenfalls Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort jedes Kommanditisten zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Eintragungen dienten auch hier der Möglichkeit der Öffentlichkeit, sich über die Rechtsverhältnisse von Kaufleuten und Gesellschaften in einem Register zu unterrichten, dessen Eintragungen registerrechtlicher Kontrolle unterliegen und daher hohe Zuverlässigkeit aufweisen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der sich an das vorhandene Vertrauen knüpfenden materiell-rechtlichen Folgen des Vertrauensschutzes. Sie dienen damit der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs. Die Eintragungen betreffend einen Kommanditisten ermöglichten es, sich über die Rechts- und Haftungsverhältnisse in der Gesellschaft zu informieren, und erleichterten Gesellschaftsgläubigern die Durchsetzung ihrer Ansprüche. Unter Anwendung der identischen Argumente kommt der BGH auch in Bezug auf die handelsregisterlichen Eintragungen betreffend Kommanditisten daher zu dem Ergebnis, dass deren Löschung auch im Falle einer Befassung der Gesellschaft mit den Kommanditisten eventuell gefährdenden Gütern nicht verlangt werden könne und der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte eines Kommanditisten vielmehr verhältnismäßig sei.
Eine dritte Entscheidung, hier eine oberlandesgerichtliche, befasste sich mit der Frage, ob ein Gesellschafter einen Anspruch auf Löschung von in der Gesellschafterliste enthaltenden personenbezogenen Daten durch Austausch der Gesellschafterliste haben kann (OLG München, Beschluss vom 25. April 2024, Az. 34 Wx 90/24e). Bei dem Anspruchsteller handelte es sich um einen Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die seit 2008 im Handelsregister eingetragen ist. Aufgrund der Abtretung eines Geschäftsanteils war am 2. Juli 2012 eine notariell bescheinigte Gesellschafterliste in den Registerordner aufgenommen worden, in der bei allen Gesellschaftern jeweils die vollständige Wohnanschrift (Postleitzahl, Ort, Ortsteil, Straße und Hausnummer) angegeben war. Der Wohnort des Anspruchstellers hatte zwischenzeitlich gewechselt. Aus diesem Grund hatte der Antragsteller mit anwaltlichem Schreiben durch Einreichung einer neuen Liste, die mit Datum 2. Juli 2012 unterzeichnet war und nur noch den aktuellen Wohnort ohne Straße und Hausnummer auswies, die Löschung personenbezogener Daten durch Austausch mit der aktuell beim Handelsregister hinterlegten Liste beantragt. Dies wurde vom Registergericht zurückgewiesen, eine Beschwerde blieb erfolglos. Die Entscheidung hat das OLG München nunmehr bestätigt, der Antrag auf Löschung der vom Beschwerdeführer beanstandeten Daten „Straße“ und „Hausnummer“ im Wege des Austauschs der Gesellschafterliste sei zu Recht abgelehnt worden - zum einen aus formalen Gründen, da nur der die aktuell hinterlegte Gesellschafterliste bescheinigende Notar überhaupt eine bereinigte neue Gesellschafterliste zwecks Austausch mit der aktuell hinterlegten Liste einreichen könne. Zum anderen verneint das OLG München aber auch überhaupt das Bestehen einer Anspruchsgrundlage für den Listenaustausch.
§ 40 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) schreibe zwar lediglich die Angabe von Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort, nicht aber der kompletten Wohnanschrift vor. Eine Anspruchsgrundlage für eine Löschung der überobligatorisch gelieferten Daten durch einen Austausch der Gesellschafterliste sei hingegen nicht ersichtlich. So bestehe aufgrund der fortdauernden Transparenz- und Beweisfunktion des Handelsregisters insbesondere kein Anspruch nach § 17 Abs. 1 DS-GVO. Der Grundsatz der Datenerhaltung stelle den Kern des registerrechtlichen Publizitätsprinzips dar. Eine gesetzliche Ermächtigung, Dokumente nachträglich zu verändern bzw. diese nachträglich der unbeschränkten Einsicht zu entziehen, sei nicht vorhanden. Insbesondere bei Gesellschafterlisten erfordere es die auf ihnen beruhende Legitimationswirkung nach § 16 GmbHG, chronologisch die dort angegebene Inhaberschaft an den Geschäftsanteilen unzweifelhaft nachvollziehen zu können. Es sei daher selbst die Entfernung oder Korrektur einer fehlerhaften Liste nicht möglich, sondern lediglich die Aufnahme einer (zusätzlichen) neuen fehlerfreien Liste. Bei einer Ersetzung bestehe ansonsten völlige Unklarheit über den Gesellschafterbestand im Zeitraum zwischen der Aufnahme und der Entfernung der alten Liste. Zwar müsse auf einen entsprechenden Austausch hingewiesen werden, für den Einsichtnehmenden bliebe aber offen, welchen Inhalt die entfernte Liste gehabt habe und wer die Legitimationswirkung bis zum Austausch für sich in Anspruch habe nehmen können. Die Beibehaltung sämtlicher eingereichter Gesellschafterlisten einschließlich ihrer freiwillig (überobligatorisch) übermittelten Daten sei daher für die Wahrnehmung der Aufgaben des Handelsregisters zwingend erforderlich. Auch nach dem Europäischen Gerichtshof genieße die Registerpublizität als Preis für die Verleihung der Rechtspersönlichkeit an Kapitalgesellschaften mit beschränkter Haftung grundsätzlichen Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz, zumal vorliegend keine besondere Schutzbedürftigkeit des Antragstellers ersichtlich sei.
Seit dem 1. August 2022 ist der Abruf von Handelsregisterauszügen und Dokumenten aus dem Handelsregister über das gemeinsame Registerportal der Länder für jedermann ohne Registrierung und kostenfrei möglich. Zwar kann nur nach Gesellschaften und nicht nach den in ihrem Zusammenhang eingetragenen natürlichen Personen (Gesellschafter, Geschäftsführer, Prokuristen etc.) gesucht werden, dennoch besteht seither bei denjenigen, deren Daten im Handelsregister hinterlegt sind, eine erhöhte Sensibilität hinsichtlich der dort abrufbaren Informationen. Gerichtsentscheidungen zu entsprechenden Löschungsanträgen mehren sich. Einer Löschung der einmal gelieferten, gesetzlich vorgesehenen Angaben (Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort) hat der BGH selbst bei auf gewisse Weise gefährdeten Personen eine Absage erteilt. Ob er dies wie das OLG München auch für gesetzlich gerade nicht vorgeschriebene, überobligatorisch gelieferte Daten in der Zukunft ebenso bestätigt, bleibt abzuwarten.
In jedem Fall ergibt sich hieraus einmal mehr das Bedürfnis, alle Eingaben beim Handelsregister auf das gesetzlich geforderte Minimum zu beschränken – denn in aller Regel vergisst das Handelsregister nicht, sondern stellt vielmehr sicher, dass zu jeder Zeit selbst gesetzliche Vorgaben überschießende und/oder überholte Eintragungen und Informationen in hinterlegten Dokumenten für jedermann abrufbar sind und bleiben. Während eine einmal im Handelsregister eingetragene vollständige Anschrift also selbst bei möglicherweise schutzbedürftigen Personen nie mehr verschwindet, kann sie im Melderegister bei Nachweis entsprechender Gefährdungen sehr wohl gesperrt werden, so dass auf diese Weise zumindest sichergestellt werden kann, dass nur der Wohnort und nicht auch noch die vollständige Anschrift für jedermann ermittelbar ist – wenn selbige nicht bereits zuvor ohne Not im Handelsregister eingetragen wurde. Weniger ist hier also mehr.