Facebook findet Eingang in die deutsche Rechtsprechung. Das Landgericht Aschaffenburg meint, dass kommerzielle Facebook-Auftritte in gleicher Weise zu kennzeichnen sind, wie „normale" Internet-Seiten. Das ist wenig überraschend.
Der Europäische Gerichtshof hat bereits vor dem geplanten Gutachten in einem Vorabentscheidungsverfahren Eckpunkte für die voraussichtliche Bewertung von ACTA geliefert. Er sieht keinen Anspruch von Verwertungsgesellschaften gegen Plattformbetreiber auf Einrichtung von allgemeinen Filtersystemen gegen Verletzungen von Urheberrechten, die präventiv, zeitlich unbegrenzt und unterschiedslos wirken. Dies sei europarechtswidrig. Die Diskussion um ACTA wird damit nicht enden; die Entscheidung zeigt aber deutlich, dass die ohnehin von ACTA nicht vorgesehenen - gleichwohl von vielen befürchteten – allgemeinen Filtersysteme und Sperren mit europäischem Rechtsverständnis nicht in Einklang zu bringen sind. Dem Europäischen Gerichtshof kann man zu den klaren und richtigen Aussagen in dieser Entscheidung nur gratulieren.
Das Oberlandesgericht München beweist Humor: die Werbeaussage „make taste, not waste." für eine „French Press" Kaffeemaschine unter Abbildung von verbrauchten Kaffee- Portionskapseln bekannter Hersteller wird als zulässige vergleichende Werbung angesehen.
Dieses und andere Entscheidungen aus der jüngsten Zeit sowie aktuelle Informationen aus den Markenämtern finden Sie auf den nachfolgenden Seiten. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Schmökern.
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Rechtsprechungsticker – Aktuelle Entscheidungen in Stichworten
Kommerzielle Facebook- Auftritte unterliegen der Anbieterkennzeichnungspflicht
Nach Auffassung des Landgerichts Aschaffenburg (Urt. v. 19.08.2011, Az.: 2 HK O 54/11) besteht für den Betreiber einer kommerziellen Facebook-Seite eine Pflicht zur Anbieterkennzeichnung / Impressumspflicht nach § 5 des Telemediengesetzes. Ein nicht sofort ersichtlicher Verweis auf das Impressum einer externen Internet-Seite genüge nicht. Die Anbieterkennzeichnungspflicht bestehe immer dann, wenn keine reine private Nutzung einer Facebook-Seite erfolge.
DENIC zur Löschung von Domain-Namen bei eindeutigem Missbrauch verplichtet
Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 27.10.2011, Az.: I ZR 131/10 – regierung-oberfranken.de) hat die DENIC eG als Vergabestelle für .de Domain-Namen verpflichtet, in Fällen eindeutig rechtswidriger Registrierungen von Domain-Namen eine Registrierung zu verweigern bzw. wieder zu löschen. Eine solche eindeutig rechtswidrige Registrierung liege etwa vor, wenn die von einem Privatunternehmen beanspruchten Domain-Namen eindeutig einer staatlichen Stelle zustehen.
Gütesiegel darf sich nicht auf Hotelbewertungen von Hotelgästen stützen
Das Landgericht Köln hat es dem Betreiber des Reisevermittlungsportals Reisen.de mit Urteil vom 05.01.2012 (Az.: 31 O 491/11) untersagt, die im Bewertungsportal „Holidaytest“ abgegebenen Benotungen zur Grundlage eines Gütesiegels zu machen und diese Gütesiegel zu Werbezwecken einzusetzen, da die Bewertungen durch die Gäste nicht auf sachgerechten Prüfungen sondern nur auf Meinungen beruhen. Die Vergabekriterien für das Gütesiegel seien überdies nicht hinreichend transparent.
Registrierung eines Domain-Namens begründet kein absolutes Recht
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 18. Januar 2012 (Az.: I ZR 187/10 – gewinn.de) seine bisherige – im Einklang mit der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts stehende – Auffassung bestätigt, dass die Registrierung eines Domain-Namens weder zum Erwerb von Eigentum an dem Domain-Namen noch zu einem sonstigen absoluten Recht ähnlich der Inhaberschaft an einem Immaterialgüterrecht (Marke etc.) führt. Die dritte ausschließende Stellung des Domain-Inhabers sei alleine technisch bedingt.
Leitsatzentscheidungen
Kein Zwang zur Einrichtung von Filter-Systemen zur Verhinderung von Urheberrechtsverletzungen
EuGH, Urteil vom 16. Februar 2012, Az.: C-360/10 – SABAM
Kernaussage
Der Europäische Gerichtshof hat in einem Vorabentscheidungsverfahren festgestellt, dass europäisches Recht einer gerichtlichen Anordnung entgegensteht, die einen Betreiber von sozialen Netzwerken dazu verpflichten würde, ein System der Filterung von Nutzerinformationen einzurichten, welches präventiv, zeitlich unbegrenzt und unterschiedslos auf alle Nutzer anwendbar wäre, um etwaige Verstöße gegen Urheberrechte feststellen zu können.
Einzelheiten
Die belgische Verwertungsgesellschaft SABAM hat im Ausgangsverfahren den Betreiber eines sozialen Netzwerks (Netlog) auf Unterlassung jeglicher unzulässiger Bereitstellung von Werken aus dem Repertoire von SABAM in Anspruch genommen. Das soziale Netzwerk Netlog ermöglicht unter anderem die Veröffentlichung von Fotografien und Videoausschnitten durch die angemeldeten Nutzer im Rahmen der eingerichteten Profile.
Netlog hat argumentiert, der geltend gemachte Anspruch verpflichte das Unternehmen faktisch, eine allgemeine Überwachung seiner Nutzer vorzunehmen. Dies verstoße gegen die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr. Außerdem führe eine solche Verpflichtung im Ergebnis dazu, dass Netlog gehalten sei, auf eigene Kosten und ohne zeitliche Beschränkung für sämtliche Kunden ein präventives Filtersystem einzurichten und gegebenenfalls Dateien zu blockieren. Hierzu müssten auch persönliche Daten der Nutzer verarbeitet werden.
Das angerufene Gericht in Brüssel hat die Rechtsfragen dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Dieser hat entschieden, dass die seitens der Verwertungsgesellschaft vom Betreiber des sozialen Netzwerkes verlangten Maßnahmen nicht mit europäischem Recht vereinbar seien. Im Wesentlichen führt der Europäische Gerichtshof aus, die Einrichtung eines entsprechenden Filtersystems verpflichte den Anbieter zur aktiven Überwachung fast aller Daten seiner Nutzer. Eine derartige Verpflichtung zur allgemeinen Überwachung bestehe nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr gerade nicht. Überdies könne ein solches Filtersystem Grundrechte der Nutzer des sozialen Netzwerkes beeinträchtigen (Informationsfreiheit, Schutz personenbezogener Daten) und könne auch aus diesem Grund jedenfalls nicht unbeschränkt und dauerhaft eingerichtet werden.
Bewertung
Der Europäische Gerichtshof hat sich – im Übrigen in interessantem zeitlichen Kontext mit der aktuellen Diskussion um ACTA – in einer Art Rundumschlag durch alle für den Umgang mit und die Verteidigung von Schutzrechten im elektronischen Geschäftsverkehr maßgeblichen Richtlinien klar und eindeutig positioniert: unbeschränkte Filter- und Überwachungssysteme im Sinne von „Big brother is watching you!“, welche letztlich „nur“ der Durchsetzung zivilrechtlicher Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche dienen, sind – unter ausdrücklichem Hinweis auf die Grundrechte der Nutzer von sozialen Netzwerken mit europäischem Recht nicht in Einklang zu bringen. Der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes kann nur nachhaltig zugestimmt werden. Derartige anlasslose und weitreichende Überwachungen durch Private sind nur schwerlich mit europäischer Rechtskultur in Einklang zu bringen.
Beraterhinweis
Die Entscheidung betrifft unmittelbar zwar nur Betreiber von sozialen Netzwerken und damit auch sonstige Hosting-Provider. Sie hat jedoch erhebliche Auswirkungen darüber hinaus: kostenintensive Filtersysteme müssen die betroffenen Provider nicht einrichten – die zwangsläufige Umlegung dieser Kosten auf die Nutzer entfällt daher auch. Für die Inhaber von Schutzrechten und ihre Verwertungsgesellschaften bleibt es bei der bisherigen Situation, etwaige Rechtsverletzungen selbst zu recherchieren, zu belegen und Maßnahmen nach den allgemeinen Bestimmungen einzuleiten.
Prüfungs- und Löschungspflichten des Hostbetreibers bei rechtsverletzenden Aussagen
BGH, Urteil vom 25. Oktober 2011, Az.: VI ZR 93/10
Kernaussage
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes erfordert die Haftung eines Hostproviders für persönlichkeitsrechtsverletzende Aussagen Dritter in einem Blog Kenntnis von der Rechtsverletzung. Eine Löschungspflicht des Providers bezüglich der Einträge bestehe dann, wenn auf Grundlage der Stellungnahme des Verantwortlichen für den Blog und einer etwaigen Antwort des Betroffenen darauf von einer Rechtsverletzung auszugehen sei.
Einzelheiten
Ein Immobilienunternehmer hatte Google als Anbieter der technischen Infrastruktur und des Speicherplatzes für die Internet-Seite www.blogger.com für auf dieser Seite veröffentliche angeblich persönlichkeitsrechtsverletzende Aussagen in Anspruch genommen.
Der Bundesgerichtshof hat nach vorheriger teilweiser Verurteilung durch das hanseatische Oberlandesgericht Hamburg das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Für die weitere Befassung mit dem Sachverhalt hat der Bundesgerichtshof auf Folgendes hingewiesen:
Google sei zwar Anbieter des Dienstes, treffe jedoch nur eine eingeschränkte Verantwortlichkeit für die eingestellten Inhalte, da diese weder durch Google verfasst worden seien noch Google sich die Aussagen zu Eigen gemacht habe. Für die Störerhaftung eines Hostproviders bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen sei zukünftig von folgenden Grundsätzen auszugehen:
Bewertung
Der Bundesgerichtshof hat mit der vorliegenden Entscheidung dezidiert das zukünftige Vorgehen gegenüber den betroffenen Providern nach Feststellung tatsächlicher oder vermeintlicher Persönlichkeitsrechtverletzungen durch Veröffentlichung von Beiträgen auf Internet-Seiten, bei denen der eigentlich Verantwortliche nicht ohne Weiteres feststellbar ist, vorgegeben. Mit dem durchaus innovativen Vorgehen des Senates dürfte eine in der Praxis sehr praktikable Lösung gefunden worden sein.
Keine unlautere Rufausbeutung durch Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft
BGH, Urteil vom 28. September 2011, Az.: I ZR 48/10 – Teddybär
Kernaussage
Die Übernahme von kennzeichnenden Bildelementen aus Produktdarstellungen von Mitbewerbern ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofes nicht unlauter solange und soweit in der Übernahme keine Herabsetzung oder Verunglimpfung der Kennzeichen läge. Eine etwaige Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft sei insofern unerheblich.
Einzelheiten
Der Drucker- und Druckerpatronenhersteller EPSON nahm ein Unternehmen der Pelikan- Gruppe wegen nachstehender Übernahme von Bildelementen (Teddybären, Enten und Schirme) auf Produktverpackungen in Anspruch.
Entgegen der Vorinstanzen wies der Bundesgerichtshof die Klage vollständig ab. Der Senat sah in der konkreten Ausgestaltung der angegriffenen Darstellung keine unlautere Ausnutzung oder Beeinträchtigung der als Kennzeichen anzusehenden Bildmotive des klagenden Druckerherstellers.
Nach den maßgeblichen Richtlinien sei eine vergleichende Werbung, soweit sie Zeichen von Mitbewerbern beeinträchtige, alleine dann als unzulässig anzusehen, wenn die Zeichen herabgesetzt oder verunglimpft würden. Eine (bloße) Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft sei einer Beeinträchtigung des Rufs nicht gleichzustellen.
Bewertung
In konsequenter Umsetzung der Richtlinien hat der Bundesgerichtshof im Streitfall eine Abgrenzung zwischen herabsetzenden bzw. verunglimpfenden Nutzungen fremder Bildzeichen und einer bloßen Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft vorgenommen. Der Entscheidung ist zuzustimmen. Der letztlich hier erfolgende Hinweis auf den Verwendungszweck des Produktes ist als zulässig anzusehen, sofern nicht darüber eine unlautere Übernahme erfolgt.
Beraterhinweis
Die weitere Liberalisierung des Wettbewerbsrechts macht im Einzelfall auch vor Übernahme von kennzeichnenden Elementen nicht halt. Der Hersteller hatte es hier allerdings wohl auch versäumt, die von ihm kennzeichnend eingesetzten Motive markenrechtlich abzusichern; markenrechtliche Fragen waren nicht Gegenstand der Entscheidung. Bei entsprechendem Markenschutz wäre die Produktverpackung wahrscheinlich verboten worden.
„make taste, not waste.“ ist keine irreführende vergleichende Werbung für manuelle Kaffeebereiter
OLG München, Urteil vom 11.11.2010, Az.: 29 U 2391/10 – make taste, not waste
Kernaussage
Das Oberlandesgericht München hat die Klage eines Kaffeesystemherstellers, bei dessen System mit Kaffee gefüllte Aluminium-Portionskapseln in spezielle Geräte eingesetzt werden, gegen die nachstehende Werbung eines Herstellers von manuellen Kaffeebereitern („French Press“) zurückgewiesen.
Das Oberlandesgericht sah in dieser Darstellung weder eine herabsetzende noch eine verunglimpfende Werbung. Sie sei darüber hinaus auch nicht irreführend.
Einzelheiten
Im Einklang mit dem Landgericht hat das Oberlandesgericht München den geltend gemachten Unterlassungsanspruch verneint. Zwar sei die Werbung vergleichend, sie halte sich jedoch (noch) in den Grenzen einer sachlichen Erörterung und setze das in Bezug genommene fremde Erzeugnis nicht pauschal herab. Dem Slogan könne überdies nicht die Aussage entnommen werden, das beworbene Produkt sei geschmacklich besser.
Durch die Bezugnahme auf die Unterschiede beim Entstehen von Abfall durch die Kaffeezubereitung seien im Übrigen auch die Anforderungen an eine zulässige vergleichende Werbung erfüllt. Schließlich sei die Werbung auch nicht irreführend; der Hinweis auf den fehlenden Anfall von Kapsel-Abfall sei zutreffend.
Bewertung
Die Entscheidung beweist neben der Kreativität der beauftragten Agentur ein hohes Maß an Humor und Verständnis bei den befassten Richtern. Sie zeigt auch, dass die Verkehrskreise heute mehr „vertragen“. Noch vor ein paar Jahren wäre diese Darstellung vermutlich untersagt worden.
Beraterhinweis
Werbung mit Anklängen an Mitbewerber ist regelmäßig Gegenstand einer gerichtlichen Klärung. Aus anwaltlicher Sicht ist eine vorherige gründliche Prüfung und Abwägung zwischen dem erwarteten werblichen Effekt, den rechtlichen Risiken und den Kosten etwaiger rechtlicher Auseinandersetzungen vorzunehmen.