Reform der Insolvenzanfechtung beschlossen
Über den Gesetzesentwurf der Bundesregierung, durch den u. a. die Vorsatzanfechtung novelliert werden soll, hatten wir bereits am Rande unseres Beitrags zur Anfechtungsversicherung berichtet. Am 29.09.2015 war es nun so weit: Die Bundesregierung hat den Entwurf zur Reform der Insolvenzanfechtung beschlossen. Zeit für einen detaillierten Blick:
Das Gesetzesvorhaben im Detail
Gerade in der Kundenkrise sind die Risiken der Insolvenzanfechtung oft ein Hemmnis, um als Gläubiger relativ sorgenfrei dem Kunden aus der wirtschaftlichen Schieflage zu helfen. Wer helfen möchte und z. B. einen Zahlungsaufschub gewährt, gerät schnell in das Fadenkreuz der Insolvenzverwalter, falls die Rettungsaktion am Ende misslingt: Wusste der Gläubiger, dass eine Zahlungsunfähigkeit drohte, muss er mit einer Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) rechnen, die noch für Rechtshandlungen aus einer Zeit von bis zu zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich ist. Die Krux: Wem vom Kunden offengelegt wird, dass er sich in einer Krise befindet, hat Kenntnis von einer (wenigstens) drohenden Zahlungsunfähigkeit, so dass ihm unterstellt wird, er wisse bei der Leistung seines Kunden um dessen Absicht, andere Gläubiger zu benachteiligen.
Hier und an ähnlichen Stellen greift nun die Reform ein:
Zahlungserleichterungen und Insolvenzanfechtung
Gläubiger, die ihre Schuldner mit Zahlungserleichterungen unterstützen, müssen zukünftig nicht mehr allein wegen dieser Unterstützung eine Vorsatzanfechtung fürchten. Der Entwurf sieht hierzu Folgendes vor:
„Die Kenntnis des anderen Teils vom Vorsatz des Schuldners
kann nicht allein daraus abgeleitet werden, dass
(1. ) der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung
nach § 802b Absatz 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung abgeschlossen hat oder
(2.) der Schuldner beim anderen Teil im Rahmen der Gepflogenheiten
des Geschäftsverkehrs um eine Zahlungserleichterung nachgesucht hat.“
Die Zahlungserleichterung gibt dem Insolvenzverwalter damit kein Indiz mehr, dass der Gläubiger Kenntnisse von einer Gläubigerbenachteiligung hatte. Um einen Anfechtungsanspruch zu begründen, muss er damit trotz der Zahlungserleichterung beweisen, dass der Gläubiger davon wusste, dass (a.) der Schuldner zahlungsunfähig war und (b.) Kenntnis von dem Vorsatz des Schuldners hatte, ihn gegenüber den anderen Gläubigern zu bevorzugen.
Leistungen zur Befriedigung oder Sicherung
Für den handelsüblichen Leistungsaustausch, bei dem Schuldner eine Forderung erfüllt oder Sicherheit für seinen Geschäftspartner leistet, wird überdies der Zeitraum verkürzt, in dem eine Vorsatzanfechtung möglich ist. Hierzu wird es einen neuen Absatz 2 in § 133 InsO geben:
„Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung o
der Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum
nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.“
Die Vorsatzanfechtung ist damit nur noch für vier und nicht mehr für zehn Jahre möglich.
Konkretisierung des Bargeschäftsprivilegs
Die Insolvenzanfechtung soll auch durch Änderungen des sog. Bargeschäftsprivilegs (§ 142 InsO) erschwert werden. Dieses Privileg sieht heute bereits vor, dass ein Leistungsaustausch nicht anfechtbar ist, wenn dem Schuldner für seine Leistung in engem zeitlichen Zusammenhang eine gleichwertige Gegenleistung zufließt. Dies soll zukünftig, wie folgt, konkretisiert werden:
„Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist
unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen
und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten
des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt.“
Damit ist der Weg frei, dass eine Insolvenzanfechtung an der üblichen Branchenpraxis scheitern kann.
Inkongruenzanfechtung
Mit der Reform der Insolvenzanfechtung soll zukünftig auch derjenige Gläubiger belohnt werden, der ein Gerichtsverfahren gegen seinen Schuldner anstrengt. § 131 InsO soll zu diesem Zweck um folgenden Satz ergänzt werden:
„Eine Rechtshandlung ist nicht allein deshalb nach
Satz 1 anfechtbar, weil der
Gläubiger die Sicherung oder Befriedigung
durch Zwangsvollstreckung auf der
Grundlage eines in einem gerichtlichen Verfahren
erlangten vollstreckbaren Titels erwirkt hat.“
Deckungen, die in den letzten drei Monaten vor Insolvenzantragstellung durch Zwangsvollstreckung erwirkt oder zu deren Abwendung bewirkt worden sind, sollen danach künftig grundsätzlich nur bei Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners anfechtbar sein.
Verzinsung in der Insolvenzanfechtung
Bislang sind Ansprüche des Verwalters aus einer Insolvenzanfechtung ab dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu verzinsen. Einer Aufforderung an den betroffenen Gläubiger bedarf es hierzu nicht, so dass bei einer späten Geltendmachung von Ansprüche hohe Zinsansprüche bestehen. Um die Masse zu erhöhen, haben Insolvenzverwalter daher durchaus einen Anreiz, erst spät Ansprüche aus einer Insolvenzanfechtung geltend zu machen. Dies soll sich nun ändern. § 143 Abs. 1 InsO soll folgender Satz beigefügt werden:
„Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs
oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen.“
Zinsen fallen also erst nur noch nach Maßgabe der allgemeinen Verzugsregeln oder ab Klageerhebung an.
Fazit
Das Gesetzesvorhaben ist insgesamt zu begrüßen, damit Gläubiger und Schuldner in der Krise zusammenwirken können, ohne dass dies für eine Seite zu hohe Risiken mit sich bringt.