Die Justizminister der Länder haben auf Grundlage des Abschlussberichts der von ihr eingesetzten Arbeitsgruppe „Kodifizierung des Unternehmenskaufs“ auf ihrer Konferenz am 5./6. Juni diesen Jahres den Bundesjustizminister um Einsetzung einer Expertenkommission zur Konkretisierung des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs und um Erstellung eines Entwurfs geeigneter Vorschriften für den Unternehmenskauf gebeten.
Trotz seiner enormen Bedeutung für die Wirtschaft wird der Unternehmenskauf im kodifizierten Recht nahezu nicht geregelt – die existierenden allgemeinen Regeln zum Kaufvertrag werden den Besonderheiten von Unternehmenskäufen nicht gerecht. So ist ein Unternehmen nicht lediglich die Summe vieler Gegenstände, sondern erstreckt sich auf zahlreiche „unkörperliche“ Umstände wie Umsatz- und Ertragszahlen, Bilanzpositionen, Bewertungen oder verschiedenste Rechtsverhältnisse. Für einen Ausgleich bei Mängeln dieser komplexen Beschaffenheitselemente eines Unternehmens sind die nach dem allgemeinen Kaufrecht bestehenden Mängelrechte, welche sich ganz überwiegend auf Sachen beziehen, sowohl hinsichtlich ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen als auch ihrer Rechtsfolgen ungeeignet. Dies hat dazu geführt, dass die bestehenden, jedoch wenig geeigneten gesetzlichen Vorgaben zum Sachkauf in der Regel vertraglich abbedungen und im Rahmen des Vertrages individuell mit in der Vertragspraxis langjährig entwickelten, vielfach aus dem anglo-amerikanischen Recht stammenden Regelungen ersetzt werden. Der Gesetzgeber sieht in der bisher fehlenden Kodifizierung einen Rechtsunsicherheitsfaktor, der die Attraktivität des deutschen Wirtschaftsstandorts schwäche und zudem gerade kleinen und mittleren Unternehmen die Nachfolge erschwere, weil man auf das Aushandeln umfangreicher Vertragswerke angewiesen sei. Dem will man mit der Kodifizierung des Unternehmenskaufs entgegenwirken.
Geplant ist keine umfassende Regelung in einem gesonderten „Unternehmenskaufgesetzbuch“, sondern, dem Wesen des Unternehmenskaufs als Querschnittsgebiet mit Bezügen zum Kaufrecht, allgemeinen Schuldrecht, Sachenrecht, Handels- und Gesellschaftsrechts entsprechend, eine Anpassung vor allem der zivil- und handelsrechtlichen Regelungen. Auf die Bezüge zu Rechtsgebieten wie dem Arbeits-, Datenschutz-, Kartell-, Steuer-, Umwandlungs- und dem Kapitalmarktrecht geht der Abschlussbericht nur punktuell ein. Es soll zudem weder gesetzlich der gesamte Prozess einer M&A-Transaktion abgebildet, noch den Vertragspartnern staatliches Recht aufgezwungen werden – vielmehr zielen die aktuell in den Blick genommenen Änderungen darauf, ein für den Unternehmenskauf geeignetes Grundgerüst an dispositiven Regelungen zu bieten, welches bei kleineren und mittleren Unternehmen gegebenenfalls alternativ zu einer individualvertraglichen Regelung herangezogen werden kann und im Falle von Regelungslücken bei vertraglicher Ausgestaltung die Rechtslage tauglich gesetzlich regelt. Zudem plant man Erleichterungen bei Formvorschriften, um Unternehmenskäufe in bestimmten Fällen kostengünstiger zu gestalten, weil Beurkundungspflichten teilweise entfallen sollen.
So kommt der Abschlussbericht zu zwölf Empfehlungen hinsichtlich einer Änderung bzw. Ergänzung des geltenden Rechts.
Als Ausgangspunkt sehen die Empfehlungen eine gesetzliche Definition des Unternehmenskaufs einschließlich seiner Unterfälle vor. Erfasst sein soll der Erwerb sämtlicher oder nahezu sämtlicher Anteile wie auch der Erwerb der wesentlichen Verfügungsbefugnis in Form der satzungsändernden Mehrheit. Nicht zu empfehlen seien die kaufrechtlichen Bestimmungen hingegen bei unter diesen Anforderungen liegenden bloßen Anteilskäufen.
Insbesondere ins Gewicht fallen dürfte die angedachte zumindest teilweise Erleichterung der Beurkundungspflichten: Bisher bedürfen Unternehmenskaufverträge häufig der notariellen Beurkundung, etwa beim Anteilskaufvertrag („Share Deal“) gemäß den Formvorschriften für die Übertragung von Geschäftsanteilen bei der GmbH wie auch beim Kauf einzelner Wirtschaftsgüter („Asset Deal“), wenn Gegenstände des Unternehmenskaufs, wie z.B. Grundstücke, der Beurkundung unterliegen oder eine Vertragspartei mit dem Vertrag ihr gesamtes Vermögen veräußert. Letzterer Fall soll nach den Empfehlungen der Arbeitsgruppe aus der Formvorgabe herausgenommen werden, da hier in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bei der Definition des „gesamten Vermögens“ bestünden.
Ebenso soll beim Asset Deal der Übergang von Rechtsverhältnissen (insbesondere Vertragsverhältnissen) erleichtert werden, indem der Übergang nicht mehr von der Zustimmung der Vertragspartner abhängen, sondern von anderen Schutzmechanismen protegiert werden soll – wie beispielsweise dem im österreichischen Recht etablierten Widerspruchsrecht oder dem z.B. im Umwandlungsrecht vorhandenen Recht zur außerordentlichen Kündigung.
Wesentliche Empfehlungen beziehen sich auf das Gewährleistungsrecht. Der im gesetzlichen Gewährleistungsrecht maßgebliche Beschaffenheitsbegriff soll für den Unternehmenskauf weiterentwickelt und präzisiert und die bereits von der herrschenden Meinung angewandte Formel zur Gesamterheblichkeit in den Mangelbegriff einbezogen werden. Das bisher existierende Rücktrittsrecht soll nach den Vorschlägen nach Vollzug des Unternehmenskaufvertrages ausgeschlossen werden. Gleiches gilt für das Recht auf Nacherfüllung. Der Ausschluss der Mängelrechte bei Kenntnis des Käufers soll nach den Empfehlungen an eine angemessene Offenlegung von sachmangelrelevanten Informationen durch den Verkäufer anknüpfen und die in der Rechtsprechung zur Wissensorganisation in Unternehmen entwickelten Grundsätze sollen nach dem Abschlussbericht zur Bestimmung der Reichweite der Wissenszurechnung zu Lasten des Verkäufers herangezogen und gesetzlich präzisiert werden.
Daneben finden sich Empfehlungen zur Regelung von Schiedsgutachten, zu Mitwirkungspflichten für die Phase zwischen Signing und Closing, zur Verjährung, zur erleichterten Überleitung personenbezogener Berechtigungen im öffentlichen Recht (Genehmigungen/ Zulassungen etc.) und zu einer angedachten Bereichsausnahme der AGB-Kontrolle für große Unternehmen.
Zu Recht konstatiert der Abschlussbericht, dass es sich beim Unternehmenskauf um einen komplexen Vorgang mit erheblichen wirtschaftlichen und rechtlichen Risiken handelt und dass die Vertragspartner ein hohes Interesse an Rechtssicherheit, Rechtstransparenz und überschaubaren Kosten haben. Doch wird die geplante Kodifizierung diesen Zielen gerecht?
Der Abbau der Rechtsunsicherheiten bei Formvorgaben in Form einer nicht mehr für den Fall einer Veräußerung des Vermögens im Gesamten bestehenden Beurkundungspflicht ist gut und wünschenswert, da diese Rechtsunsicherheit de facto dazu führt, dass Asset Deals – jedenfalls wenn sie nicht ganz kleinen Umfangs sind - aus Sicherheitsgründen beurkundet werden müssen verbunden mit den - dann einsparbaren - Kosten. Auch die Erwägung einer Einführung alternativer Voraussetzungen und angemessener Kompensationen für den Übergang von Rechtsverhältnissen beim Asset Deal jenseits der Zustimmung aller Vertragspartner ist positiv. Begrüßenswert ist grundsätzlich auch der Ansatz, das Gewährleistungsrecht in einer Weise fortzuentwickeln, dass auf Tatbestands- wie Rechtsfolgenseite auch den sachlichen Erfordernissen des Unternehmenskaufs entsprochen wird, so dass für Unternehmenskäufe, bei denen bewusst oder unbewusst (partiell) auf eine vertragliche Regelung verzichtet oder diese aufgrund gesetzlicher zwingender Vorgaben nicht anwendbar ist (z.B. bei Arglist), ein rechtssicheres, interessengerechtes gesetzliches Recht zur Verfügung steht.
Nicht hinwegtäuschen sollte eine entsprechende Kodifikation aber über die Tatsache, dass Unternehmenskäufe auch künftig in den allermeisten Fällen besser individualvertraglich geregelt werden, anstatt sich auf die allgemeinen Regeln, die der Gesetzgeber ohne Differenzierung für alle Unternehmenskäufe schaffen wird, zu verlassen. Die Bandbreite an Unternehmenskäufen und die Besonderheiten, die sich aus der Branche, der Größe und dem Hintergrund eines Unternehmens ergeben, sind zu individuell, als dass man sich nur auf den Handschlag und das Gesetzesrecht verlassen sollte. Dies dürfte selbst für die von dem Vorhaben in den Blick genommene Nachfolge in kleineren und mittleren Unternehmen gelten. Ein sorgfältig auf den Einzelfall abgestimmter Vertrag – der deswegen keinesfalls lang zu sein braucht – regelt unabhängig von der Größe des Unternehmens den Übergang in jedem Fall interessengerechter und risikoloser. Dass der deutsche Wirtschaftsstandort durch eine Kodifizierung des Unternehmenskaufs an Attraktivität gewinnt, kann bezweifelt werden: gerade im internationalen Bereich ist der Abschluss eines Unternehmenskaufs durch rechtlich kompetent beratene Verträge in international bekannter und weitgehend einheitlicher Regelungstechnik etablierter und auch keineswegs kritisierter Standard.
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