Dem Verfahren liegt ein Sachverhalt zugrunde, bei welchem es um Kraftstoffe geht, die aus einer undichten Tankanlage ausgetreten sind und das umliegende Erdreich verunreinigt haben. Die damit verbundenen Rechtsstreitigkeiten vor belgischen Gerichten führten zu einem Vorabentscheidungsersuchen beim Europäischen Gerichtshof. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die rechtliche Qualifizierung als Abfall im Sinne der Definition der Abfallrahmenrichtlinie nur dann gilt, wenn durch Kraftstoffe verunreinigtes Erdreich ausgehoben wurde oder auch dann, wenn es sich noch im Boden befindet. Das vorlegende Gericht möchte weiterhin wissen, ob Abfallerzeuger im Sinne der Rahmenrichtlinie auch ein Mineralölunternehmen sein kann, das Kraftstoffe herstellt und an den Betreiber einer seiner Tankstellen nach Maßgabe bestimmter vertraglicher Vereinbarungen verkauft, wenn diese Kraftstoffe in den Boden einsickern und dadurch eine Verunreinigung des Erdreichs und des Grundwassers verursachen.
Die Generalanwältin schlägt in ihren Schlussanträgen vom 29.01.2004 dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen mit folgendem Wortlaut zu beantworten:
„Daher wird vorgeschlagen, die Fragen der Cour d’appel wie folgt zu beantworten:
Verunreinigtes Erdreich ist als Abfall anzusehen, wenn der Besitzer aufgrund der Verunreinigung verpflichtet ist, es auszukoffern. Die Abfalleigenschaft ist widerlegbar zu vermuten, wenn das Erdreich aufgrund der Verunreinigung nicht mehr bestimmungsgemäß genutzt werden kann.
Ein Mineralölunternehmen, das Kraftstoffe herstellt und sie an den Betreiber einer seiner Tankstellen im Rahmen einer Bewirtschaftungsvereinbarung verkauft, die die Autonomie des Betreibers ohne Unterordnungsverhältnis dem Unternehmen gegenüber vorsieht, ist als Besitzer von Abfällen in der Form von mit ausgetretenen Kraftstoffen verunreinigtem Erdreich anzusehen,
In der Begründung ihres Vorschlags setzt sich die Generalanwältin ausdrücklich mit den Abfalldefinitionen einzelner Mitgliedstaaten auseinander, die – wie beispielsweise die deutsche – als Abfall im Rechtssinne nur bewegliche Sachen einstufen. Hierzu führt sie wörtlich aus: „Hintergrund der Auffassung, dass noch nicht ausgekofferte Böden kein Abfall sein könnten, dürfte sein, dass verschiedene Mitgliedstaaten den Abfallbegriff auf bewegliche Sachen beschränken. Die Regelungstradition in einigen Mitgliedstaaten kann jedoch für die Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Begriffe nicht ausschlaggebend sein.“ Die Auswirkungen eines auf unbewegliche Sachen, wie kontaminierte Grundstücke ausgedehnten europäischen Abfallbegriffs in Deutschland dürften voraussichtlich vielfältiger Natur sein. Die Reichweite des Abfallrechts würde auf Sachverhalte erstreckt, die bislang nur anderen, z. B. bodenschutzrechtlichen Regelungen unterworfen sind. Hieraus würden sich dann vielfältige Fragen z. B. nach Behördenzuständigkeiten im Schnittstellenbereich verschiedener Rechtsmaterien, nach der Reichweite von abfallrechtlichen Andienungs- und Überlassungspflichten, nach der Berücksichtigung „unbeweglicher“ Abfälle bei Aspekten wie Abfallbilanz oder Abwirtschaftkonzept stellen. Unklar wäre auch, wie mit zur Sanierung anstehenden Altlastenflächen genehmigungsrechtlich umzugehen ist. Da die Generalanwältin im vorliegenden Zusammenhang ausführt, dass auch zivilrechtliche Vereinbarungen Entledigungspflichten auslösen können, die für den Abfallbegriff konstitutiv sind, müsste bei einer entsprechenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auch überlegt werden, ob in Pacht- oder Nutzungsverträgen auf die geänderte Rechtslage zu reagieren ist.