Europarechtswidrigkeit der deutschen Abfalldefinition
Der letzte Halbsatz – so wörtlich im Tenor der Entscheidung des Gerichtshofs enthalten – ist der entscheidende Punkt. Bekanntlicherweise sind nach § 3 Abs. 1 des deutschen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) nur bewegliche Sachen Abfall im Rechtssinne. Verunreinigtes Erdreich, d. h. die noch im Boden befindliche Altlast, ist es nicht. Ergebnis also: Ein Widerspruch zwischen deutschem und europäischem Abfallrecht.
Gesetzesänderung?
Der Handlungsdruck auf den deutschen Gesetzgeber für eine Novellierung zentraler Passagen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes wächst damit weiter, nachdem schon der Europäische Gerichtshof in seinen Entscheidungen zur energetischen Verwertung im Februar des vergangenen Jahres (C-458/00; C-288/00) Feststellungen getroffen hat, die an der Europarechtskonformität deutscher abfallrechtlicher Vorschriften zweifeln lassen. Dabei stellen die vorzunehmenden Reparaturarbeiten an der deutschen (Abfall)Rechtsordnung eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe dar. Es wird nicht damit getan sein, lediglich das Attribut „bewegliche Sache“ aus der deutschen Abfalldefinition zu streichen. Wenn auch Immobilien Abfall im Rechtssinne sein können, wird es an den Schnittstellen zwischen abfallrechtlichen Vorschriften und dem flankierenden (Umwelt)Recht Änderungsbedarf geben. So stellen sich beispielsweise durch den Gesetzgeber gelöst geglaubte bodenschutzrechtliche und altlastenrechtliche Fragen völlig neu, wenn die Altlast im Boden an Ort und Stelle besonders überwachungsbedürftiger Abfall ist. Anspruchsvoll sind auch die Fragestellungen, die mit möglichen unmittelbaren Folgen der Entscheidung vom 07.09.2004 noch vor einer Gesetzesänderung in Deutschland verknüpft sind. Auswirkungen in laufenden Verfahren können nicht ausgeschlossen werden.
Produzenten und Lieferanten als Abfallbesitzer
Abgesehen von der – aus deutscher Sicht – erfolgten Ausdehnung des Abfallbegriffs und der Anwendbarkeit abfallrechtlicher Bestimmungen ist das Urteil des EuGH vom vergangenen Dienstag noch in einer anderen Hinsicht bemerkenswert: Die Luxemburger Richter sehen das einen Tankstellenpächter beliefernde Mineralölunternehmen (in diesem Fall war es TEXACO) unter bestimmten Voraussetzungen als abfallrechtlich verpflichteten Abfallbesitzer an. In diesem Zusammenhang können vertragliche Verpflichtungen und Vertragsgestaltungen zwischen Produzent bzw. Lieferant und Abnehmer von haftungsauslösender Bedeutung sein.