Noch bis zum Jahresende haben Arbeitgeber die Möglichkeit, ihren Mitarbeitenden die Inflationsausgleichsprämie (IAP) in Höhe von bis zu 3.000,00 € steuer- und sozialabgabenfrei zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise zu zahlen, soweit sie nicht bereits verbraucht worden ist. Denn Zahlungen seit dem Inkrafttreten der Regelung im Jahr 2022 werden zusammengerechnet. Eine Verlängerung der Regelung in § 3 Nr. 11c EStG ist derzeit nicht absehbar.
Maßgeblich ist das Zuflussprinzip, d.h., die IAP muss noch im Jahr 2024 auf dem Konto des Mitarbeitenden eingehen, um steuer- und sozialabgabenfrei zu sein, § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG. Es ist also kurz vor zwölf für alle Arbeitgeber, die ihre Mitarbeitenden noch mit einer finanziellen Leistung „netto wie brutto“ zu Weihnachten überraschen möchten.
Wichtig: Auf die IAP besteht kein gesetzlicher Anspruch, aber manche Tarifverträge sehen (bzw. sahen) einen Anspruch vor, z.B. im öffentlichen Dienst. Die Prämie muss zudem zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Die „Umwidmung“ von Zahlungen, auf die ein Anspruch besteht, z.B. von einem arbeitsvertraglich vereinbarten Weihnachtsgeld, ist nicht zulässig. Sofern jedoch keine vertraglichen Vereinbarungen oder andere rechtliche Verpflichtungen des Arbeitgebers zur Gewährung einer Sonderzahlung bestehen, kann die IAP „stattdessen“ gezahlt werden. Dies kann z.B. bei in der Vergangenheit freiwillig gezahlten Sonderzahlungen der Fall sein.
Die IAP kann auch in Form einer Sachleistung gewährt werden. So könnten Arbeitgeber beispielsweise Gutscheine oder technische Geräte wie ein Smartphone/Tablet kurz vor Weihnachten als IAP an ihre Mitarbeitenden verteilen.
Werden Arbeitnehmer:innen für mehrere Arbeitgeber tätig, kann die IAP von jedem Arbeitgeber gewährt werden. Auch in Minijobs ist die Gewährung in voller Höhe steuer- und sozialabgabenfrei möglich.
Passend dazu wurde das – soweit ersichtlich – erste Urteil des BAG zur IAP veröffentlicht, wenn auch nur die Pressemitteilung. Einige weitere Urteile werden in den nächsten Monaten voraussichtlich noch folgen.
Das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 12.11.2024 – 9 AZR 71/24) hat – anders als beide Vorinstanzen – entschieden, dass der Ausschluss von Arbeitnehmer:innen in der Passivphase der Altersteilzeit von der Zahlung einer IAP unwirksam ist – selbst auf tarifvertraglicher Grundlage.
Im „Tarifvertrag über eine einmalige Sonderzahlung gemäß § 3 Nr. 11c Einkommenssteuergesetz“ (TV IAP) hat sich der Arbeitgeberverband energie- und wasserwirtschaftlicher Unternehmungen e.V. mit den Gewerkschaften ver.di und IG BCE auf eine einmalige steuer- und sozialabgabenfreie Zahlung von 3.000,00 € unabhängig vom Beschäftigungsgrad zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise geeinigt. Diese Zahlung wurde jedoch (mit Einverständnis der Gewerkschaften) Arbeitnehmer:innen verweigert, die sich am 31.05.2023 in der Passivphase der Altersteilzeit oder im Vorruhestand befanden. Ein Betroffener klagte – mit Erfolg.
Begründung
Das BAG stellte klar, dass der Ausschluss von Arbeitnehmer:innen in der Passivphase der Altersteilzeit gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) verstößt. Gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG dürfen Teilzeitbeschäftigte nicht schlechter behandelt werden als Vollzeitbeschäftigte, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen die Ungleichbehandlung. Im konkreten Fall fehlte jedoch nach der Bewertung der Erfurter Richter ein solcher sachlicher Grund, wie sich der bislang vorliegenden Pressemitteilung entnehmen lässt:
„Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern aufgrund der Freistellung in der Altersteilzeit gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten lässt sich aus den erkennbaren Leistungszwecken und dem Umfang der Teilzeitarbeit nicht herleiten. Die Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen steht der Annahme entgegen, dass es sich bei der Inflationsausgleichsprämie auch um eine Gegenleistung für erbrachte Arbeit handelt. Auch in Bezug auf die vergangene Betriebstreue sind keine Aspekte ersichtlich, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Von einer zukünftigen Betriebstreue haben die Tarifvertragsparteien den Anspruch nicht abhängig gemacht. Unterschiede für einen unterschiedlichen Bedarf aufgrund der gestiegenen Verbraucherpreise zwischen Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten, die sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinden, sind nicht erkennbar.“
Das Urteil zeigt, welch hohe Anforderungen das BAG an die Zulässigkeit von Ungleichbehandlungen beim Entgelt stellt. Eine solche hat es im vorliegenden Fall zulasten von Teilzeitbeschäftigten festgestellt und untersagt – denn auch Mitarbeitende in der Passivphase einer Altersteilzeit sind (noch) Teilzeitbeschäftigte. Nachdem die ersten beiden Instanzen die tarifvertragliche Differenzierung für wirksam erachtet hatten, dürfte das Urteil aus Erfurt bei dem betroffenen Arbeitgeber Erstaunen hervorgerufen haben, der sich schlicht an eine mit dem Einverständnis von zwei Gewerkschaften verhandelte Regelung gehalten hat und trotzdem zur Nachzahlung der Prämie verpflichtet wurde. Allerdings dürfte sich die Anzahl der Mitarbeitenden in der Passivphase der Altersteilzeit in Grenzen halten, daher wird sich der finanzielle Schaden und auch das Risiko für andere Arbeitgeber in Grenzen halten.
Den Ausführungen des BAG in der Pressemitteilung (siehe oben) lässt sich entnehmen, dass es als Differenzierungskriterien bei der IAP akzeptieren dürfte:
Abzuwarten ist vor einer abschließenden Bewertung, ob sich aus der vollständigen Urteilsbegründung ggf. weitere Erkenntnisse gewinnen lassen.
Vor einer Ungleichbehandlung beim Entgelt sollten Arbeitgeber in jedem Fall sorgfältig abwägen, ob und aus welchen Gründen diese erfolgt. So hat das LAG Düsseldorf (Urteil vom 14.08.2024 – 14 SLa 303/24) in einem aktuellen Urteil die Leistungsbezogenheit einer IAP als Differenzierungsmerkmal akzeptiert, wodurch Mitarbeitende an mindestens einem Tag im Bezugszeitraum Entgelt erhalten haben müssen, um anspruchsberechtigt zu sein. Dies benachteiligt zwar z.B. Mitarbeitende in vollständiger Elternzeit, nach dem LAG besteht aber durch das mit der IAP verfolgbare Ziel „Vergütung von Arbeit“ eine Rechtfertigung, die durch die Anspruchsvoraussetzungen entsprechend gestaltet werden. Ob diese Argumentation auch das BAG überzeugen wird, ist offen (Revision ist beim BAG anhängig, Az. 10 AZR 261/24). Nach den in der obigen Pressemitteilung enthaltenden Hinweisen dürfte einiges dafürsprechen.
Nach einem Urteil des ArbG Stuttgart (Urt. v. 14.11.2023 – 3 Ca 2173/23) ist es zulässig, die Zahlung der IAP an die zukünftige Betriebstreue zu knüpfen, dies scheint inzwischen auch das BAG so zu sehen (siehe oben). Damit können Arbeitgeber Anreize für eine langfriste Bindung der Mitarbeitenden setzen. Allerdings ist bei der Ausgestaltung darauf zu achten, dass befristet Beschäftigte nicht ungerechtfertigt benachteiligt werden. Von ihnen darf keine längere Betriebstreue verlangt werden als von unbefristet Beschäftigten über die geltenden Kündigungsfristen, die ggf. nur zu einer kürzeren Bindungsdauer führen.
Das ArbG Paderborn (Urt. v. 06.07.2023 – 1 Ca 54/23) hat es akzeptiert, wenn der freiwillige Verzicht auf Sonderzahlungen zur Unterstützung des Arbeitgebers in der Vergangenheit als Differenzierungsmerkmal für die Zahlung einer IAP herangezogen wird.
Anerkannt ist schließlich eine Differenzierung nach der Lohnhöhe, wonach nur solchen Mitarbeitenden eine IAP gewährt, deren Lohn unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze liegt, sowie die Anknüpfung an zusätzliche Unterhaltspflichten, wie sie z.B. bei Kindern gegeben ist. Anhand solcher Gesichtspunkte ist auch eine Staffelung der Höhe der IAP gestaltbar. Dies knüpft an das Merkmal „unterschiedlicher Bedarf“ der Mitarbeitenden an, welches auch vom BAG in der oben angesprochenen Entscheidung thematisiert worden ist.
Dringend zu empfehlen ist Arbeitgebern eine sorgfältige Prüfung der Begründung bei Ungleichbehandlungen im Einzelfall, um finanzielle Risiken zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren. Dies gilt nicht nur für die IAP, sondern auch bei der Gewährung sonstiger freiwilliger Leistungen durch den Arbeitgeber, die nicht allen Mitarbeitenden in gleicher Höhe gewährt werden sollen.
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