Zur (Vor-)Kasse bitte
Mangelnde Liquidität ist oft das zentrale Symptom einer fortgeschrittenen Unternehmenskrise. In der Regel fehlt einem Unternehmen aber nicht nur die Liquidität, sondern auch die erforderliche Bonität, um erforderliche finanzielle Mittel bei Banken zu beschaffen. Wer in dieser Situation über gute Geschäftsbeziehungen verfügt, kann durchaus versuchen, die fehlende Liquidität bei seinen Geschäftspartnern einzusammeln. Vorkasse ist nicht nur ein Sicherungsmittel (vgl. unseren Beitrag vom 20.08.2015 – Vorkasse als Sicherungsmittel), sondern aus Sicht des klammen Unternehmers auch durchaus als Mittel zur Kreditbeschaffung denkbar. Wer aber seine Kunden zur (Vor-)Kasse bittet, sollte einige Risiken bedenken:
Das Konzept
Im Normalfall schließen Unternehmen langfristige Verträge, bei denen ein Unternehmen eine Ware oder Dienstleistung erbringt und das andere Unternehmen in engem zeitlichem Zusammenhang zu dieser Leistung den vereinbarten Preis entrichtet. Gerade wer als Hersteller oder Dienstleister aber ein Alleinstellungsmerkmal hat, ist auch durchaus in der Position, von seinem Geschäftspartner zu verlangen, dass dieser Vorkasse leistet, um sich Lieferkontingente für die Zukunft schon heute zu sichern. Damit kann er sich nötige Liquidität beschaffen und die Krise einstweilen entschärfen.
Liquidität ohne Probleme?
So einfach der Weg zur Liquidität für den Unternehmer auch scheint, sind doch Risiken im Auge zu behalten:
- Es gilt die alte Kaufmannsweisheit, dass man jeden Euro nur einmal ausgeben kann. Wer sich heute verpflichtet, Morgen etwas zu leisten, aber das Geld für diese Leistung heute schon ausgibt, muss seine Liquidität sehr sorgfältig planen und kontrollieren. Der Unternehmer muss damit planen, dass er in der Zukunft Ausgaben tätigen muss, für die ihm keine Liquidität mehr zur Verfügung steht.
- Einem Geschäftsführer oder Vorstand ist eine solche Liquiditätsplanung ohnehin nur dringend anzuraten, weil er zur verschärften Überwachung des von ihm geleiteten Unternehmens in der Krise verpflichtet ist. Er muss stets im Auge behalten, ob nur ein kurzfristiger Engpass der Liquidität besteht oder die Gesellschaft bereits insolvent und damit zu einem Insolvenzantrag verpflichtet ist (§ 15a InsO).
- Schließlich sollte der Unternehmer stets sehr genau überlegen, ob er tatsächlich in der Lage sein wird, die bereits bezahlte Leistung zu erbringen. Ihm droht andernfalls eine Strafbarkeit (Eingehungsbetrug).
- Des Weiteren sind die Auswirkungen auf die Bilanz des Unternehmens zu berücksichtigen. Die erhaltenen Anzahlungen sind zu passivieren (§ 266 Abs. 2, 3 HGB) und evtl. zu erwartende Verluste aus dem Geschäft (Drohverlustrückstellung, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) ebenso wie zu erwartende Herstellungskosten (§ 255 Abs. 2 Satz 1 HGB) auszuweisen.
- Der positive Effekt auf die Liquidität kann sich damit als Danaer-Geschenk erweisen: Weil die Bonität auch und gerade von Bilanzkennzahlen abhängt, können sich für die Folgejahre wirtschaftliche Schwierigkeiten eines Unternehmens infolge der beschafften Liquidität verschärfen. Es wird für das Unternehmen damit u. U. noch schwieriger auf dem geregelten Kapitalmarkt Geld zu beschaffen.
- berdies bleibt je nach Gestaltung auch die Frage, ob die Liquidität wirklich endgültig beim Unternehmen verbleibt. In aller Regel wird der Unternehmer verpflichtet sein, erhaltene Anzahlungen zurückzuzahlen, falls er den Auftrag nicht oder nicht vollständig ausführt. Auch diese muss eingeplant werden.
- Nicht selten wird der Auftrag bei Vorkasse insgesamt teurer, weil Kosten für Sicherheiten zugunsten des Anzahlenden anfallen können.
Fazit
Wer sich Liquidität durch Anzahlungen beschafft, hat einiges zu beachten, um sein Unternehmen durch diese vermeintlich leichte Möglichkeit der Geldbeschaffung nicht in eine tiefere Krise zu führen. Beachtet der Unternehmer alle Stolpersteine und plant umsichtig, steht ihm dieser Weg aber tatsächlich offen.