Am 21.08.2024 hat die Bundesregierung dem Bundesrat ihren Entwurf zur Überarbeitung der Gefahrstoffverordnung („GefStoffV“) sowie zur Änderung weiterer Arbeitsschutzverordnungen vorgelegt. Am 18. Oktober 2024 hat der Bundesrat der Novelle zugestimmt und nur kleinere Änderungen am ursprünglichen Entwurf vorgenommen.
Mit der Novelle der GefStoffV sollen schwerpunktmäßig zur verbesserten Prävention arbeitsbedingter Krebserkrankungen Regeln im Umgang mit krebserzeugenden und reproduktionstoxischen Gefahrstoffen und insbesondere zu Asbest neu eingeführt bzw. aktualisiert werden. Hintergrund dieser Regelungen sind die trotz des bereits seit 31. Oktober 1993 geltenden nationalen Asbestverbots weiterhin hohen Zahlen von Berufskranken und Todesfällen. In den vergangenen zehn Jahren haben die Unfallversicherungsträger mehr als 30.000 anerkannte asbestbedingte Berufskrankheiten und über 16.000 asbestbedingte Todesfälle verzeichnet.
Die Novelle zur Änderung der GefStoffV sieht verschiedene Neuerungen vor. Für Akteure der Bau-, Abbruch-, Schadstoffsanierungs- und Recyclingwirtschaft ist insbesondere die Einführung besonderer Informations- und Mitwirkungspflichten für Veranlasser von Tätigkeiten an baulichen oder technischen Anlagen und deren Auswirkungen auf die die Maßnahmen ausführenden Unternehmen von großer Tragweite. Mit § 5a GefStoffV sollen besondere Informations- und Mitwirkungspflichten für Veranlasser von Tätigkeiten an baulichen oder technischen Anlagen eingeführt werden. Solche Veranlasser haben zukünftig vor Beginn der Tätigkeiten dem ausführenden Unternehmen alle ihnen vorliegenden Informationen zur Bau- oder Nutzungsgeschichte über vorhandene oder vermutete Gefahrstoffe schriftlich oder elektronisch zur Verfügung zu stellen.
Wer genau als „Veranlasser“ gilt, bleibt allerdings bisher im Wesentlichen unklar. Der Verordnungsentwurf benennt in Klammern Auftraggeber und Bauherrn. Ob diese Aufzählung abschließend ist, ergibt sich aus der Verordnungsbegründung nicht. Wäre die Aufzählung als nicht abschließend, sondern nur als beispielhaft zu verstehen, stellt sich die Frage, ob auch mittelbar Beteiligte wie etwa Investoren als Veranlasser gelten können und damit Informationen zur Verfügung stellen müssten.
Die Verpflichtung des Veranlassers zur Zurverfügungstellung von Informationen bezieht sich dem Umfang nach auf die Informationen, die dem Veranlasser zur Bau- oder Nutzungsgeschichte über vorhandene oder vermutete Gefahrstoffe bezüglich der Teile oder Bereiche, an denen Tätigkeiten ausgeführt werden sollen, bereits vorliegen sowie auf solche, die er sich mit zumutbarem Aufwand beschaffen kann. Zumutbar in diesem Sinne ist vor allem die Beschaffung aus leicht zugänglichen Quellen, wie dem zuständigen Bauamt. Nicht zumutbar wäre dagegen in der Regel, Dritte wie beispielsweise sämtliche Voreigentümer oder die zuvor am Projekt tätigen Bauunternehmen zu konsultieren. Die Pflichten greifen bereits dann, wenn Gefahrstoffe enthalten sein können, ihr Vorhandensein also noch nicht feststeht.
Insbesondere soll damit festgestellt werden können, ob Asbest vorliegt. So hat der Veranlasser vor Beginn der Tätigkeiten an Objekten mit Baujahr zwischen 1993 und 1996 das Datum des Baubeginns des Objekts oder, wenn das genaue Datum nicht bekannt ist, das Baujahr des Objekts zu übermitteln. Bei Objekten mit Baujahr vor 1993 oder nach 1996 reicht die Angabe des Baujahrs aus. Hintergrund dieser spezifischen Pflicht in Hinblick auf die Feststellung von Asbest ist, dass das Asbestverbot zwar seit dem 31. Oktober 1993 gilt, für bestimmte Produkte (unter anderem Druckrohrleitungen) aber Übergangsfristen galten. Daher ist bei Objekten, die zwischen 1993 und 1996 erbaut wurden, die Bestimmung des genauen Baubeginns erforderlich.
Diese Begrenzung der Mitwirkungspflichten des Veranlassers auf vorhandene und mit zumutbarem Aufwand zu besorgende Informationen stellen eine Abkehr von den in der Asbesterkundungsleitlinie (April 2020) enthaltenen Vorgaben dar. Diese hatte als Verantwortlichen für (auch weitergehende) Asbesterkundungen nämlich den Veranlasser identifiziert. Auch der Bundesrat hebt eine Abkehr von den Ergebnissen des Asbestdialogs in seiner Entschließung zur Verordnungsnovelle hervor und fordert eine Auswertung und Bewertung bestehender Daten zu Berufskrankheiten, insbesondere bei jüngeren Arbeitnehmergruppen, um daran anschließend eine Überprüfung der Mitwirkungspflichten vorzunehmen, um zu bewerten, ob und in welchem Rahmen eine Erkundung durch den Veranlasser angezeigt ist.
Die Verpflichtung des Veranlassers, Informationen zur Verfügung zu stellen, besteht gegenüber den Unternehmen, die die baulichen Maßnahmen ausführen („ausführende Unternehmen“). Diese ausführenden Unternehmen sollen auf diese Weise eine bessere Informationsbasis über die Anlage erhalten, an der die Maßnahmen auszuführen sind.
Diese erweiterte Informationsbasis soll dann in der Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich der Ausführung der baulichen Maßnahmen Berücksichtigung finden. Die Verpflichtung zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung ergibt sich bereits bisher aus dem Arbeitsschutzgesetz („ArbSchG“). So hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Durch die Verordnungsnovelle wird also zukünftig vom ausführenden Unternehmen in seiner Rolle als Arbeitgeber verlangt, dass er die vom Veranlasser erhaltenen Informationen für diese Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt.
Und die neuen Verpflichtungen des ausführenden Unternehmens gehen noch weiter: Reichen die vom Veranlasser erhaltenen Informationen nicht aus, so ist das ausführende Unternehmen verpflichtet, als „besondere Leistung“ zu prüfen, ob Gefahrstoffe bei den Tätigkeiten an baulichen oder technischen Anlagen freigesetzt werden und zu einer Gesundheitsgefährdung der Beschäftigten führen können. Der Begriff der besonderen Leistung verweist dabei auf die Pflichtenverteilung im Bauvertrag gemäß der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen („VOB“). Die Prüfung unterfällt damit nach dem Willen des Verordnungsgebers dem Arbeitgeber und ist vom Veranlasser zu vergüten.
Mit Blick auf das – voraussichtlich nach den aktuellen Ereignissen in den letzten Tagen nicht mehr in dieser Legislaturperiode - zu erwartende Inkrafttreten der neuen GefStoffV und den im Rahmen des Blogbeitrags im Fokus stehenden § 5a müssen sich Akteure im Bereich der Bau-, Abbruch-, Schadstoffsanierung und der Kreislaufwirtschaft auf ein geändertes Pflichtenprogramm einstellen.
Ausführende Unternehmen sollten insbesondere die zusätzlichen Anforderungen an die Gefährdungsbeurteilung und die erweiterten Ermittlungspflichten unter Rückgriff auf die durch den Veranlasser mitgeteilten Informationen beachten. Hiernach kann für sie in ihrer Rolle als Arbeitgeber insbesondere dann ein Mehraufwand entstehen, wenn die von dem Veranlasser bereitgestellten Informationen für eine Gefahrprognose nicht ausreichend sind.
Haben Sie Fragen zu Ihren Pflichten im Zusammenhang mit der Gefahrstoffverordnung? Sprechen Sie uns gerne an!