Für den Ausschlusstatbestand des § 7 Nr. 5 lit. c) VOL/A, der Bewerber erfasst, die nachweislich eine schwere Verfehlung begangen haben, welche ihre Zuverlässigkeit in Frage stellt, ist nach Auffassung des Gerichts das Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils nicht erforderlich. Zwar bestehe in der Rechtsprechung und Literatur Einigkeit darüber, dass unspezifizierte Vorwürfe, Vermutungen oder vage Verdachtsgründe insoweit nicht ausreichten; die die schweren Verfehlungen belegenden Indiztatsachen müssten vielmehr einiges Gewicht haben. Voraussetzung für einen Ausschluss sei daher, dass konkrete, etwa durch schriftlich fixierte Zeugenaussagen, sonstige Aufzeichnungen, Belege oder Schriftstücke objektivierte Anhaltspunkte für schwere Verfehlungen bestünden. Die verdachtsbegründenden Umstände müssten zudem aus seriösen Quellen stammen und der Verdacht müsse einen gewissen Grad an „Erhärtung“ erfahren haben. Nach Auffassung des Gerichts würde es aber in der Praxis zu schwer erträglichen Ergebnissen führen, wenn man in Fällen, bei denen die zum Ausschluss führenden Verfehlungen ein strafrechtlich relevantes Verhalten zum Gegenstand haben, verlangen würde, dass eine Anklageerhebung oder gar eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt sei. Dies ergibt sich – so die Saarbrücker Richter – schon daraus, dass zwischen dem Bekannt werden strafbarer Handlungen, der Anklageerhebung und deren rechtskräftiger Aburteilung – gerade bei Straftaten mit wirtschaftlichem Bezug – oft Jahre lägen. Dem öffentlichen Auftraggeber könne es daher bei dringenden Verdachtsmomenten nicht zugemutet werden, mit dem betreffenden Bewerber ohne Einschränkungen in Geschäftsverkehr zu treten, denn dies setze gegenseitiges Vertrauen voraus. Dies gelte umso mehr, wenn sich die vorgeworfenen Taten gegen den Auftraggeber selbst oder ihm nahestehende Unternehmen richteten.
Gegen dieses Ergebnis spreche auch nicht die Unschuldsvermutung. Zwar gebiete diese, dass Maßnahmen, die den vollen Nachweis der Schuld erforderten, nicht getroffen werden dürften, bevor jener erbracht sei. Schwere Verfehlungen im Sinne des § 7 Nr. 5 lit. c) VOL/A müssten aber nicht unbedingt strafbare Handlungen sein, zudem setze ihre Annahme nicht den vollen Nachweis strafrechtlicher Schuld voraus. Die Unschuldsvermutung besagt aber nach Auffassung des OLG Saarbrücken nicht, dass einem Tatverdächtigem bis zur rechtskräftigen Verurteilung als Folge der Straftaten, deren er verdächtigt ist, überhaupt keine Nachteile entstehen dürfen. Auch das Diskriminierungsverbot stehe der Berücksichtigung noch nicht rechtskräftig abgeurteilter strafbarer Handlungen nicht entgegen. Es besage lediglich, dass allen Bewerbern die gleichen Chancen eingeräumt werden müssten und dass kein Bewerber ohne sachliche Gründe bevorzugt oder benachteiligt werden dürfe.
Ausschluss nur bei konkretem, ohne weiteres greifbarem Verdacht
Der Anwendungsbereich des § 7 Nr. 5 VOL/A ist nach Ansicht des Saarbrücker Vergabesenats aus Gründen der praktischen Handhabbarkeit auf Fälle schnell feststellbarer, objektiv nachweisbarer Eignungsdefizite beschränkt. Daher komme der Ausschluss eines Bieters nach dieser Vorschrift nur in Betracht, wenn bereits nach Aktenlage ein konkreter, ohne weiteres greifbarer Verdacht bestehe. Sind dagegen die vom Auftraggeber zum Nachweis der Unzuverlässigkeit unterbreiteten Indiztatsachen so schwach und zweifelhaft, dass sie nur durch umfangreiche Beweiserhebungen erhärtet und konkretisiert werden könnten, ist – so das OLG Saarbrücken – ein Ausschluss nach § 7 Nr. 5 lit. c) VOL/A nicht gerechtfertigt. Eine ausufernde Beweisaufnahme sei schon mit dem Sinn des unter dem Beschleunigungsgrundsatz stehenden Nachprüfungsverfahrens nicht vereinbar.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die Vergabestelle im Offenen Verfahren einen Dienstleistungsvertrag zur Sammlung und Beförderung von PPK-Abfällen aus Depotcontainersystemen in 48 Kommunen ausgeschrieben. Die spätere Antragstellerin bat um Zusendung der Ausschreibungsunterlagen. Hierauf teilte ihr die Vergabestelle mit, dass sie von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen sei, weil es ihr an der notwendigen Zuverlässigkeit fehle. Zur Begründung nahm sie auf das gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin laufende Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Saarbrücken Bezug. Gegenstand der Ermittlungen war u.a. der Vorwurf des Abrechnungsbetruges in 24 Fällen, begangen in den Jahren 1999 und 2000, durch den einem Tochterunternehmen des Antragsgegners ein Gesamtschaden von rund 462.000 EURO entstanden sein soll. Darüber hinaus rechtfertigte die Vergabestelle den Ausschluss damit, dass sich aus Zeugenaussagen im Rahmen eines Untersuchungsausschusses des Landtages des Saarlandes der dringende Verdacht ergeben habe, dass sich der Geschäftsführer der Antragstellerin bei der Ausschreibung der Depotcontainerwerft im Jahr 1996 an Preisabsprachen mit anderen Bewerbern beteiligt habe. Die gegen den Ausschluss erhobene Sofortige Beschwerde blieb vor dem OLG Saarbrücken ohne Erfolg.
Die Entscheidung des OLG Saarbrücken ist zumindest unter einem Aspekt zu begrüßen: Sie schafft klare Kriterien für den vergaberechtlichen Umgang mit anhängigen Ermittlungs- und Strafverfahren. Wirtschaftlich betrachtet kann sie allerdings zu unerwünschten – weil rechtsstaatlich bedenklichen – Vorverurteilungen führen.