ECHA Guidance zu Abfällen und zurückgewonnenen Stoffen
Die europäische Chemikalienagentur („ECHA“) hat im Mai 2010 eine neue Guidance zu Abfällen und wiedergewonnenen Stoffen herausgegeben (Guidance on waste and recovered substances). In dieser erläutert sie, welche Anforderungen Art. 2 Abs. 7 lit. d REACH an zurückgewonnene Stoffe stellt, damit diese von der (Vor-)Registrierungspflicht nach REACH ausgenommen werden können. Des Weiteren beschreibt die Guidance, wie die Informationsanforderungen der Art. 31 ff. REACH für zurückgewonnene Stoffe erfüllt werden können.
Abgrenzung REACH und Abfallrecht
Zunächst ist eine Abgrenzung zwischen dem Rechtsregime des Abfallrechts und REACH erforderlich. Aufgrund möglicher zukünftiger Änderungen der (europäischen oder nationalen) Einstufung eines Stoffes als Abfall kann ein Stoff, der gegenwärtig noch als Abfall zu behandeln ist, aus dem Abfallregime herausfallen und in den Anwendungsbereich von REACH gelangen und den entsprechenden Registrierungs- und Zulassungspflichten unterfallen. Die ersten Verordnungen über das Abfallende bestimmter Sekundärrohstoffe, wie z. B. Aluminium-, Stahl- und Eisenschrotte, werden derzeit für das erste Halbjahr 2011 erwartet. Für den Fall einer neuen Einstufung eines Stoffes als Produkt, ist gegebenenfalls noch eine späte Vorregistrierung nach Art. 28 Abs. 6 REACH möglich ist. Diesbezüglich ist allerdings zu beachten, dass die Frist für eine späte Vorregistrierung für solche Stoffe bereits abgelaufen ist, die bis zum 01.12.2010 registriert werden müssen.
Anforderungen an zurückgewonnene Stoffe
ECHA geht detailliert auf die Anforderungen des Art. 2 Abs. 7 lit. d REACH ein, der bestimmte zurückgewonnene Stoffe von den Registrierungspflichten von REACH ausklammert. Die Guidance enthält im Annex 2 ein Fließbild, mit dem überprüft werden kann, ob eine Wiedergewinnung im Sinne des Art. 2 Abs. 7 lit. d REACH vorliegt. Sie enthält ferner Beispiele für einzelne Stoffströme, anhand deren dargestellt wird, wann von der Abfalleigenschaft auszugehen ist, und ab wann die Regelungen von REACH für Produkte eingreifen. Anhang 1 der Guidance behandelt die Stoffströme z. B. für Altpapier, Altglas, Altmetalle, mineralisches Material, Kunststoffe, Gummi, regeneriertes Altöl sowie aufbereitete Lösemittel.
Zudem nimmt die ECHA auch zu der umstrittenen Fragestellung Stellung, ab wann eine Wiedergewinnung vorliegt. In jeder Form der Wiedergewinnung, sei es durch Modifizierung chemischer Eigenschaften oder lediglich durch mechanische Behandlung, wird ein Herstellungsprozess gesehen.
Die Agentur betont, dass es erforderlich ist, dass der aus dem Rückgewinnungsverfahren hervorgegangene Stoff mit einem bereits registrierten Stoff identisch ist. Dazu ist nicht zwingend notwendig, dass diese Registrierung in der gleichen Lieferkette erfolgt. Informationsquellen für den Recycler, ob eine solche Registrierung vorliegt, bilden zum einen das substance information exchange forum („SIEF“) als auch die Informationen, welche die ECHA auf ihrer Homepage nach Art. 119 REACH veröffentlicht. Ferner wird die Identität eines Stoffes nicht von der ECHA bestimmt, vielmehr wird dies den einzelnen Herstellern, insbesondere der Diskussion im SIEF, überlassen.
Schließlich müssen dem rückgewinnenden Unternehmen verschiedene Informationen zur Verfügung stehen, gegebenenfalls ein Sicherheitsdatenblatt oder andere Informationen, wie z. B. die Registrierungsnummer. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu achten, dass keine Urheberrechte verletzt werden. Soweit dem Hersteller keine ausreichenden Informationen zur Verfügung stehen, greift die Ausnahme nach Art. 2 Abs. 7 lit. d nicht ein. Dies bedeutet: Der Stoff ist registrierungspflichtig.
Informationen an Nutzer der wiedergewonnenen Stoffe
Darüber hinaus sind den Nutzern der wiedergewonnenen Stoffe verschiedene Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Pflichten zur Weitergabe von Informationen in der Lieferkette gelten uneingeschränkt auch für zurückgewonnene Stoffe. Gegebenenfalls müssen Sicherheitsdatenblätter
oder andere Informationen (Registrierungsnummern, verfügbare und sachdienliche Informationen über den Stoff) in der Lieferkette weitergegeben werden. Dies kann bei zulassungspflichtigen Stoffen auch für Stoffe in Erzeugnisse gelten.
Bei der Weitergabe von Informationen an Nutzer von wiedergewonnenen Stoffen kann ggf. das ursprüngliche Sicherheitsdatenblatt für den Stoff herangezogen werden. Es ist allerdings zu beachten, dass eventuell eine andere Beurteilung erforderlich ist (z. B. aufgrund anderer Expositionsszenarien oder nunmehr vorhandener Unreinheiten, die in dem ursprünglich registrierten Stoff nicht vorhanden sind). ECHA weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf Haftungsrisiken hin, die sich aus der Weitergabe unzutreffender oder unvollständiger Informationen an Nutzer der wiedergewonnenen Stoffe ergeben können.
Abschließend betont die Agentur, dass die Pflichten der CLP-Verordnung, sowie gegebenenfalls Beschränkungen oder Zulassungspflichten nach REACH beachtet werden müssen.
Einige umstrittene Fragen werden von der ECHA in der Guidance angesprochen. Es ist jedoch zu beachten, dass die Meinung der ECHA keine endgültige Klärung der Auslegung der REACH-Verordnung darstellt, sondern nur eine Auslegungshilfe darstellt, die auch von den nationalen Vollzugsbehörden beachtet werden wird. Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass endgültige Rechtssicherheit erst durch die Auslegung in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof erlangt werden kann.