Mit Beschluss vom 03.04.2009 (Z 3-3-3194-1-49-12/08) hat die Vergabekammer Südbayern zur Übertragung des Rettungsdienstes auf einen Privaten nach dem bayerischen Rettungsdienstgesetz Stellung genommen. Nach Auffassung der Vergabekammer werden solche Rettungsdienstleistungen auf den Durchführenden des Rettungsdienstes, d. h. den Leistungserbringer, in Form einer Dienstleistungskonzession übertragen. Eine solche Dienstleistungskonzession unterfalle nicht dem Vergaberegime nach den §§ 97 ff. GWB. In der Sache führte ein privates Rettungsdienstunternehmen im Auftrag des Leistungsträgers den Rettungsdienst durch. Nach Kündigung des Vertrages wollte der Leistungsträger bis zum Abschluss eines besonderen rettungsdienstlichen Auswahlverfahrens interimsweise zwei Hilfsorganisationen mit der Fortführung des Rettungsdienstes formlos beauftragen. Diese Vorgehensweise rügte der Altauftragnehmer als vergaberechtswidrig. Zu Unrecht – so die Vergabekammer.
Tatbestand der Dienstleistungskonzession erfüllt
Nach Auffassung der Vergabekammer erfolgt insoweit die Beauftragung der Leistungserbringung in Form einer Dienstleistungskonzession, da der Leistungsträger dem Leistungserbringer kein Entgelt zahle. Vielmehr räume er ihm lediglich das Recht ein, seine Leistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen zu verwerten. Mit diesen habe er nach dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz eine gesonderte Entgeltvereinbarung auszuhandeln. Gleichzeitig übernehme der Leistungserbringer das erforderliche Betriebsrisiko. Der Entgeltvertrag mit den Krankenkassen werde jährlich im Voraus auf Basis eines Kostenvoranschlages geschlossen. Im Falle eines Fehlbetrages gehe dieser nach dem Gesetz zu Lasten des Leistungserbringers.
BGH-Entscheidung vom 01.02.2008 bedenklich
Überdies äußerte sich die Vergabekammer auch zur Entscheidung des BGH vom 01.12.2008 (X ZB 31/08), mit der der BGH die Beauftragung eines Privaten im Rahmen des Sächsischen Submissionsmodells als vergabepflichtigen Vorgang angesehen hat. In der Sache unterscheidet sich der Sachverhalt von der Konstellation in Bayern, da es sich um unterschiedliche Modelle – dem Submissionsmodell in Sachsen und dem Konzessionsmodell in Bayern – handelt. Zur Begründung des BGH hat die Vergabekammer angemerkt, dass die BGH-Entscheidung nach ihrer Auffassung gegen Verfassungsrecht verstoße. Der BGH lasse die verfassungsrechtlichen Kompetenzregelungen für das GWB und das Rettungsdienstrecht als Gefahrenabwehrrecht außer Acht. Der Bundesgesetzgeber soll nach Auffassung der Vergabekammer nicht befugt sein, die Einbindung Dritter in den Rettungsdienst durch das GWB zu regeln. Der BGH hatte zuvor eine Bereichsausnahme des Rettungsdienstbereiches über den Ausnahmetatbestand der „hoheitlichen Aufgaben“ im Sinne der Art. 45, 55 EG abgelehnt. Ob ein Mitgliedstaat von dieser Ausnahme Gebrauch mache, liege in seinem Ermessen. Für den Bereich des Rettungsdienstes habe der Gesetzgeber eine solche Ausnahme aber gerade nicht aufgenommen.
Fazit
Nach der Entscheidung des BGH vom 01.12.2008 schien die Rechtslage im Rettungsdienstbereich – in Bezug auf den Ausnahmetatbestand der Art. 45, 55 EG – geklärt. Die Entscheidung der Vergabekammer Südbayern macht aber nun deutlich, dass die rechtlichen Unsicherheiten nach wie vor zu bestehen scheinen. Ob der Auffassung der Vergabekammer Südbayern mit ihrer Einschätzung des Vorliegens einer Dienstleistungskonzession tatsächlich zu folgen ist, bleibt abzuwarten. Denn das Bayerische Rettungsdienstgesetz sieht vor, dass Gewinne und Verluste des Leistungserbringers im Folgejahr grundsätzlich auszugleichen seien. Weitere Rechtsprechung zu diesem Bereich bleibt daher mit Spannung zu erwarten. Dies gilt insbesondere für die noch ausstehende Entscheidung des EuGH zu der Frage, „wieviel Risiko“ auf Seiten des Konzessionärs verbleiben muss (vorgelegt durch OLG Jena vom 08.05.2008, 9 Verg 2/08). Konkret hat der EuGH einzuschätzen, ob das erforderliche Betriebsrisiko für eine Dienstleistungskonzession auch bei einem Anschluss- und Benutzungszwang sowie einer gesetzlich vorgegebenen Preiskalkulation noch ausreichend vorliegt.
Öffentliche Auftraggeber tun derzeit zumindest gut daran, sorgfältig die Vergabepflichtigkeit einzelner Beschaffungsmaßnahmen im Rettungsdienstbereich zu prüfen (welches Modell greift im konkreten Bundesland?) und sich hierbei nicht auf eine vermeintliche Ausnahme nach Art. 45, 55 EG zu berufen.