Mit einiger Verspätung hat der EU-Rat am 26. März 2024 der neuen Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt (im Folgenden „Richtlinie“, abrufbar unter folgendem Link) endgültig zugestimmt und damit den Weg für eine grundlegende Novellierung des europäischen Umweltstrafrechts beschritten. Die Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft und löst damit die bereits seit 2008 geltende Richtlinie 2008/99/EG über den Schutz der Umwelt ab. Die wesentlichen Änderungen und Neuheiten der Richtlinie sowie die äußerst spannende Frage, welche Auswirkungen die Richtlinie auf die nationale Praxis haben wird, wollen wir Ihnen nicht vorenthalten…
Die EU-Kommission hatte Ende 2021 einen Vorschlag zur grundlegenden Überarbeitung der bestehenden Regelungen zum Schutz der Umwelt vorgelegt. Grund für die Verschärfung des Umweltrechtstrafrechts war, dass die bisherigen Regelungen aus der Richtlinie 2008/99/EG nach Ansicht der EU-Kommission nicht geeignet waren, die Einhaltung des Umweltschutzrechts der EU hinreichend sicherzustellen. Aus diesem Grund sollte einerseits die Liste von Umweltstraftaten in der Richtlinie 2008/99/EG erweitert und andererseits zusätzliche Straftatbestände auf der Grundlage der schwerwiegendsten Verstöße gegen das EU-Umweltrecht aufgenommen werden. Um die nachhaltige Wirkung von Sanktionen zu verstärken, sollten diese verschärft und die Wirksamkeit der Aufdeckung, Ermittlung, Strafverfolgung und gerichtlichen Entscheidung im Zusammenhang mit Umweltstraftaten insgesamt verbessert werden.
Ob die nun beschlossene Richtlinie tatsächlich ihr Ziel erreicht, das Umweltschutzrecht besser zu gewährleisten, bleibt abzuwarten. Jedenfalls enthält sie Regelungen, die erhebliche Ausweitungen und Verschärfungen des bisherigen Sanktionsrechts vorsehen:
Die Richtlinie erweitert die bereits bestehende Liste der Richtlinie 2008/99/EG um weitere Umweltstraftaten. Statt der bisher nur neun strafbaren Handlungen werden nun zwanzig Handlungen gegenüber der Umwelt unter Strafe gestellt. Darunter fallen beispielsweise der illegale Holzhandel, das illegale Recycling von Schiffsteilen sowie schwerwiegende Verstöße gegen Chemikalienrechtsvorschriften.
Hervorzuheben ist die Neuregelung in Bezug auf den Umgang mit gefährlichen Abfällen. Hierzu erweitert die Richtlinie den Straftatenkatalog betreffend „die Sammlung, Beförderung und Behandlung von Abfällen, die betriebliche Überwachung dieser Verfahren und die Nachsorge von Beseitigungsanlagen, einschließlich der Handlungen, die von Händlern oder Maklern übernommen werden“ und legt fest, dass derartige Handlungen, sofern sie rechtswidrig sind und gefährliche Abfälle in nicht unerheblicher Menge betreffen, als Straftat einzustufen sind. Bei der Prüfung, ob „eine nicht unerhebliche Menge“ vorliegt, muss unter anderem die Gefährlichkeit und die Toxizität des Materials oder des Stoffs berücksichtigt werden. Denn je gefährlicher oder toxischer das Material oder der Stoff ist, desto eher wird dieser Schwellenwert erreicht sein. Unverändert Bestand hat die Regelung aus der Richtlinie 2008/99/EG für „andere Abfälle“, wonach eine rechtswidrige Abfallbewirtschaftung eine Straftat darstellt, wenn die betroffenen Abfälle erhebliche Schäden für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit verursachen oder dazu geeignet sind, dies zu verursachen.
Neu ist zudem die Aufnahme einer sog. „qualifizierten Straftat“. Hierunter sind rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen zu verstehen, die die Umwelt zerstören oder irreversibel oder dauerhaft schädigen. Ob hiervon nun auch der hochumstrittene „Ökozid“ umfasst ist, kann ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 21 der Richtlinie nur gemutmaßt werden. Jedenfalls sollen solche Handlungen mit mindestens acht Jahren geahndet werden.
Eine weitere wesentliche Änderung zu den bereits seit 2008 geltenden Vorschriften stellt die Festlegung von EU-weiten Mindestvorschriften für die Definition von Straftatbeständen und Sanktionen dar.
So werden vorsätzlich begangene Straftaten, die den Tod einer Person verursachen, künftig mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens zehn Jahren geahndet, wobei sich die Mitgliedstaaten dazu entschließen können, in ihren nationalen Rechtsvorschriften noch härtere Strafen vorzusehen. Andere (außer „qualifizierte“) Straftaten werden eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren nach sich ziehen.
Auch können den Unternehmen nunmehr bei schwersten Straftaten Geldstrafen, die entweder prozentual nach dem Gesamtumsatz des Unternehmens, mindestens 5 % des weltweiten Gesamtumsatzes, berechnet werden, oder alternativ als Strafzahlung in Höhe von 40 Mio. Euro auferlegt werden. Für alle anderen Straftaten beträgt die Höchstgeldstrafe bzw. ‑geldbuße mindestens 3 % des Umsatzes oder alternativ 24 Mio. Euro.
Neben diesen Geldstrafen und Geldbußen sieht die Richtlinie weiterhin Sanktionen durch zusätzliche Maßnahmen vor, wie beispielsweise die Verpflichtung, den vorherigen Zustand der Umwelt wiederherzustellen, oder entsprechende Entschädigung zu leisten. Auch ist der Ausschluss vom Zugang zu öffentlicher Finanzierung oder die Entziehung von Genehmigungen und Zulassungen vorgesehen.
Schließlich sind in der Richtlinie auch Erleichterungen für die Strafverfolgungsbehörden vorgesehen. So stehen den nationalen Justiz- und Verwaltungsbehörden nunmehr eine Reihe strafrechtlicher und nichtstrafrechtlicher Sanktionen und anderer Maßnahmen, einschließlich Präventionsmaßnahmen, zur Verfügung, die eine gezielte und wirksame Ermittlungsarbeit ermöglichen sollen.
Zur effizienten Verfolgung von Straftaten haben die Mitgliedstaaten die Ermittlungsbehörden entsprechend auszustatten, zu schulen und eine Koordinierungsstelle einzurichten, die es den Strafverfolgungsbehörden erlaubt, EU-weit zusammenzuarbeiten.
Zudem werden die Ermittlungsbefugnisse der Behörden im Hinblick auf die eingesetzten Ermittlungsinstrumente erweitert, insbesondere auf solche Befugnisse ausgeweitet, die beispielsweise bei der Bekämpfung von organisierter Kriminalität oder anderen schweren Straftaten verwendet werden. Schließlich können die Mitgliedstaaten auch die maßgeblichen Verjährungsfristen für die Verfolgung der Straftaten für einen ausreichend langen Zeitraum anpassen.
Die Richtlinie über Umweltkriminalität wird erhebliche Auswirkungen auf die bisherige Praxis in der Bundesrepublik Deutschland haben. Allein die Tatsache, dass die Richtlinie nunmehr auch Unternehmen strafrechtlich sanktioniert, wird den deutschen Gesetzgeber vor eine Herausforderung stellen. Gleiches gilt für die in der Richtlinie vorgesehene Möglichkeit, nun auch Dritte an einem Gerichtsverfahren unter Einräumung entsprechender Verfahrensrechte zu beteiligen. Eine solche Beteiligungsform ist der deutschen Gesetzeslage bisher fremd und deren Umsetzung in nationales Recht daher mit Spannung zu erwarten.
Auch wird der deutsche Gesetzgeber eine Regelung zur Veröffentlichung von Informationen aus dem Gerichtsverfahren zu treffen haben. Hierzu macht die Richtlinie im Hinblick auf personenbezogene Daten keine Einschränkung. Im Gegenteil: Personenbezogene Daten einer verurteilten Person sollen gemäß Erwägungsgrund Nr. 44 vielmehr „in hinreichend begründeten Ausnahmefällen“ veröffentlicht werden. Eine aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht ganz unproblematische Regelung…
Schließlich wird die Richtlinie auch deutliche Auswirkungen auf die Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren haben. Dabei ist nicht auszuschließen, dass die Neuregelungen bestehende nationale Beschleunigungsinstrumente (z. B. vorzeitiger Baubeginn) gefährden, da bereits in diesem Stadium ein Risiko der Strafbarkeit drohen kann.
Der Gesetzgeber hat nun zwei Jahre Zeit, die Regelungen aus der Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen und nationale Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Der Rechtsakt wird nur auf innerhalb der EU begangene Straftaten anwendbar sein, wobei sich die Mitgliedstaaten dazu entscheiden können, ihre gerichtliche Zuständigkeit auf Straftaten auszuweiten, die außerhalb ihres Hoheitsgebiets begangen wurden.
Bereits der Legislativvorschlag der EU-Kommission aus dem Jahr 2021 war Gegenstand vieler Diskussionen auf nationaler und EU-weiter Ebene, da er auf das Sanktionsrecht der Mitgliedstaaten in erheblicher Weise Einfluss nahm. Der EU-Rat hat nun mit dem gefundenen Kompromiss die bestehende Kritik nicht lösen können und damit eine Richtlinie beschlossen, die nicht nur den deutschen Gesetzgeber vor erhebliche Herausforderungen stellen wird. Wie dieser die Richtlinie in deutsches Recht umsetzt, bleibt daher mit Spannung zu erwarten.
Fest steht jedenfalls, dass die Unternehmen gut beraten sind, ihre Compliance-Vorschriften in Bezug auf die Neuregelungen – insbesondere mit Blick auf einen ordnungsgemäßen Umgang mit (gefährlichen) Abfällen – anzupassen, um eventuelle Haftungsrisiken zu minimieren und mögliche Verstöße sicher zu vermeiden. Selbstverständlich unterstützen unsere Expert:innen aus den Bereichen Umweltrecht, Compliance und Strafrecht Sie hierbei und beraten Sie gerne bei allen weiteren Fragen zur neuen Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt.