Speyerer Luftverkehrsrechtstag
In seinem Eröffnungsreferat ging Professor Dr. Michael Ronellenfitsch, Universität Tübingen, zunächst der Frage nach, ob das am 01.01.2005 in Kraft getretene Luftsicherheitsgesetz teilverfassungswidrig ist. Ronellenfitsch zeigte auf, dass der Schutz vor Terrorismus auf Flughäfen eine originär staatliche Aufgabe sei. Das im Rahmen des Luftsicherheitsgesetzes verfolgte Konzept der Eigensicherung lasse sich hiermit nicht in Einklang bringen. Die Abwälzung der Terrorismusabwehr auf den Betreiber stelle die Staatlichkeit in Frage, weshalb das Luftsicherheitsgesetz insoweit verfassungswidrig sei. In der sich anschließenden Diskussion wurde von Seiten der Behördenvertreter auf seit längerem bestehende Vorschriften des Luftverkehrsrechts hingewiesen, durch die schon früher Sicherungsaufgaben auf den Flughafenbetreiber übertragen worden seien. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen sei nie in Frage gestellt worden. Als Beispiel wurde die Pflicht des Flughafenbetreibers genannt, Flugzeuge, gegen die eine Bombendrohung vorliegt, in die Sicherheitsposition zu verbringen und dort zu entladen. Ronellenfitsch hielt dem entgegen, die Sündenfälle früherer Jahre ließen sich als Argument nicht heranziehen. Zudem wurden Fragen des Rechtsschutzes für Flughafenbetreiber diskutiert. Es bestand Einigkeit darüber, dass eine Verfassungsbeschwerde mangels Grundrechtsfähigkeit der meisten Betreiber wohl nicht in Betracht komme und dass deshalb ordnungsbehördliche Bescheide abzuwarten seien, mit deren Anfechtung ein konkretes Normenkontrollverfahren veranlasst werden könne.
Im zweiten Referat des Luftverkehrsrechtstages setzte sich Rechtsanwalt Dr. Lutz Eiding, Hanau, mit der Frage auseinander, ob die Planung von Flughäfen über den tatsächlichen Bedarf hinaus unter dem Aspekt der Planrechtfertigung zulässig sein kann. Einem Vorhaben, das weit über den prognostizierten und nachvollziehbaren Bedarf dimensioniert sei, fehle es stets an der Planrechtfertigung. Ein fehlender Bedarf könne nicht im Wege der Abwägung, etwa aus strukturpolitischen Gründen, kompensiert werden. Als insoweit problematische Beispielsfälle führte Eiding die Drehung der Start- und Landebahn am Flughafen Leipzig allein aufgrund der Tatsache an, dass DHL Interesse bekundet habe, hier ein Frachtzentrum einzurichten. Problematisch seien weiterhin die Fälle, wo Bedarf erst aufgrund einer großen Werbeoffensive generiert werden solle. In der sich anschließenden Diskussion wurden bereits Zweifel daran geäußert, ob der Gesichtspunkt der Planrechtfertigung in der Flughafenplanung überhaupt ausschlaggebend sein kann. Im Übrigen wurde überwiegend die Auffassung vertreten, dass der Prüfungspunkt der Planrechtfertigung, berücksichtige man die höchstrichterliche Rechtsprechung, nicht überfrachtet werden dürfe und deshalb nur als eher grobes Kriterium verstanden werden solle. Allgemein wurde bemängelt, dass im Bereich der Verkehrsflughäfen keine bedarfsdefinierende übergeordnete Planung existiert.
In dem sich anschließenden Referat behandelte Dr. Peter Wysk, Richter am Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Münster, die Möglichkeiten des behördlichen Einschreitens und die individuellen Schutzansprüche gegen zugelassenen Luftverkehr. Wysk erörterte zunächst die Möglichkeiten einer vorbeugenden Überwachung durch Gestaltung der Zulassungsentscheidung. Als Instrumente der nachträglichen Überwachung nannte Wysk die Einschränkung der Zulassungsgrundlage durch Widerruf oder die Ergänzung der Zulassungsgrundlage durch Plan- oder Genehmigungsergänzung. Gerade im Hinblick auf eine Planergänzung könnten sich nachträgliche individuelle Schutzansprüche aus § 75 Abs. 2 VwVfG ergeben. Als Fazit hielt Wysk fest, dass die Möglichkeiten zur Erlangung eines nachträglichen Schutzes für von der Flughafenplanung Betroffenen bei konsequenter Ausnutzung ausreichend sei. In der Diskussion zu diesem Referat wurde in erster Linie das Merkmal der Vorhersehbarkeit in § 75 Abs. 2 VwVfG problematisiert. Wysk äußerte die Auffassung, dass über dieses Merkmal kein Fall gelöst werden könne. Im Übrigen stellte er sich auf den Standpunkt, dass die Betreiber von Flughäfen zwar durchaus eine Funktion der Daseinsvorsorge ausfüllten, dass man aber nicht von einem Vorrang des Flugverkehrs ausgehen könne. Dieser ergebe sich auch nicht aus dem Luftverkehrsgesetz.
Im vierten Beitrag des Tages setzte sich Rechtsanwalt Dr. Norbert Kämper, Düsseldorf, mit der Schließung von Flughäfen auseinander. Als Anlass für die Behandlung dieses Themas nannte Kämper die beabsichtigte Schließung der Flughäfen Tempelhof und Tegel in Berlin im Zusammenhang mit dem Ausbau des Flughafens Schönefeld zu einem internationalen Verkehrsflughafen für Berlin und Brandenburg. Kämper gelangte in seinem Referat zu dem Ergebnis, dass die Schließung von Flughäfen erst nach sorgfältiger Abwägung unter Berücksichtigung der Belange der Flughafennutzer und der Erfordernisse der Raumordnung möglich sei. Flughafennutzern solle gegen behördliche Schließungsentscheidungen der Verwaltungsrechtsweg offen stehen, sobald sie von der Schließung eines Flughafens in ihrem Recht auf gerechte Abwägung ihrer Interessen betroffen sein könnten. Die Rechtsprechung habe das anerkannt für Flugschulen und Flugcharterunternehmen. In der sich anschließenden Diskussion wurde intensiv die Frage erörtert, ob der Betreiber eines Flughafens zur Weiterführung eines unrentablen Betriebs gezwungen werden kann. Aus dem Plenum kam der Hinweis auf die einschlägigen Regelungen des Eisenbahnrechts, wonach die Bahn zur Weiterführung gegen Kostenersatz verpflichtet werden kann.
Der Luftverkehrsrechtstag schloss mit einer aktuellen Stunde zum Thema Rechtsschutz und Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten. Professor Dr. Jan Ziekow, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, und Rechtsanwalt Dr. Volker Gronefeld, München, gaben einen kurzen Überblick über die zu erwartenden Neuerungen in Bezug auf den Individualrechtsschutz und die Verbandsklagemöglichkeiten aufgrund der Aarhus-Konvention. Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde stark kritisiert. Bemängelt wurde insbesondere die sich einstellende Doppelspurigkeit von Verfahrensrecht. Vor allem Gronefeld äußerte die Befürchtung, man werde sich vor Gericht künftig zunächst intensiv über verfahrensrechtliche Fragen streiten müssen, bevor man zu den eigentlichen Sachfragen gelange.
7. Speyerer Planungsrechtstage (ausgewählte Referate)
Im ersten Vortrag der 7. Speyerer Planungsrechtstage befasst sich Privat-Dozent Dr. Dr. Wolfgang Durner, Universität München, mit der Rolle des Richterrechts im Planungsrecht. Er zeigte zunächst die verfassungsrechtlichen Grenzen auf, die der richterlichen Rechtsfortbildung gesetzt sind, und illustrierte die Problematik sodann anhand von vier Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, in denen die verfassungsrechtlichen Vorgaben nach Auffassung des Referenten teilweise mustergültig eingehalten, teilweise möglicherweise überschritten worden sind. In der sich anschließenden Debatte wurde von den anwesenden Vertretern der Justiz mit Nachdruck auf die Notwendigkeit bzw. Unausweichlichkeit einer mitunter ergebnisorientierten Rechtsfortbildung hingewiesen.
Im Abschlussbeitrag des ersten Tages referierte schließlich Dr. Ekkehard Hofmann, Universität Hamburg, über die Möglichkeiten, Abwägungsentscheidungen durch quantifizierende Vergleichssysteme transparenter zu gestalten. Er wies nach, dass quantifizierende Vergleichssysteme in anderen Bereichen, z. B. der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, bereits gang und gäbe sind. Er arbeitete die Vorteile, aber auch die Gefahren quantifizierender Methoden heraus.
Den Abschlusstag der Speyerer Planungsrechtstage eröffnete Axel Steffen, Ministerium für ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, Potsdam, mit einem Referat über Flächen- und Maßnahmenpools im Fachplanungsrecht. Zu Beginn seines Referates betonte er, dass es sich bei Flächen- bzw. Maßnahmenpools nicht um eine Begriffshülle handele, sondern um Qualitätsbegriffe, an die bestimmte Rahmenbedingungen geknüpft seien. Zurückzuführen sei die Strategie der Kompensationspools auf eine Analyse, die erhebliche Vollzugsdefizite der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung ergeben habe. Sodann skizzierte Steffen die rechtlichen Rahmenbedingungen von Poolmodellen. Die Vorgaben der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung seien selbstverständlich einzuhalten, Bedenken seien daher ungerechtfertigt, das Vermeidungsgebot werde durch Poollösungen zurückgedrängt. Steffen ging in einem Exkurs u. a. auch auf die Frage ein, ob FFH-rechtlich gebotene Kohärenzsicherungsmaßnahmen ebenfalls gepoolt werden könnten. Er wies auf die inhaltlich teilweise weitreichenden Anforderungen des FFH-Rechtsregimes hin. Die EU plane speziell zum Thema der Kohärenzsicherungsmaßnahmen überdies eine Leitlinie, weshalb sich augenblicklich noch nicht absehen lasse, ob Kohärenzsicherungsmaßnahmen gepoolt werden können. In der sich anschließenden Diskussion fand das Poolmodell überwiegend Zustimmung. Es wurde allerdings die Frage aufgeworfen, ob eine Durchsetzung des Modells bundesweit zu erwarten sei. Schließlich bringe Brandenburg besonders günstige Voraussetzungen für das Poolen von Flächen und Kompensationsmaßnahmen mit.
In dem darauffolgenden Vortrag behandelte Volker Kuhnert, Thüringer Landesverwaltungsamt, Weimar, den Konflikt zwischen der Errichtung von Windkraftanlagen und dem Artenschutz. Er skizzierte zunächst die raumordnungsrechtlichen Aspekte der Thematik und ging darauf ein, wie und unter welchen Voraussetzungen Vorranggebiete für die Windenergienutzung unter Berücksichtigung von Artenschutzfragen ausgewiesen werden könnten. Sodann wandte er sich der Frage zu, welche Auswirkungen das Vorhandensein besonders bzw. streng geschützter Arten im Zulassungsverfahren hat. Er zeigte das Konfliktpotenzial von Windkraftanlagen am Beispiel der Fledermaus auf und erläuterte die insoweit einschlägigen artenschutzrechtlichen Verbote des Bundesnaturschutzgesetzes. Vertieft ging er auf den Absichtsbegriff in § 43 Abs. 4 Bundesnaturschutzgesetz ein und äußerte die Auffassung, dass nach der Rechtsprechung des EuGH die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wohl nicht aufrechterhalten werden könne. Dem Vorhabenträger bleibe damit bei Vorhandensein besonders bzw. streng geschützter Arten wohl nur die artenschutzrechtliche Befreiung nach § 62 BNatSchG.
Die Veranstaltung schloss mit einem Beitrag von Prof. Dr. Nikolaus Herrmann, Fachhochschule der Sächsischen Verwaltung, Meißen, zur Alternativenprüfung aus fachplanungsrechtlicher und FFH-rechtlicher Sicht. Herrmann erarbeitete zunächst den grundlegenden strukturellen Unterschied zwischen fachplanungsrechtlicher Alternativenprüfung und FFH-rechtlicher Alternativenprüfung. Während erstere Bestandteil der planerischen Abwägung sei, beschränke letztere die Abwägung. Bei der FFH-rechtlichen Abwägung gehe es nämlich nicht darum, ob sich eine Alternative als vorzugswürdig darstelle, sondern allein darum, ob eine Alternative existiere, die nicht zu einer Beeinträchtigung des FFH-Gebietes führen würde. Sodann legte Herrmann dar, dass es für beide Alternativenprüfungen eine obere und eine untere Grenze gebe. Von einer Alternative könne zum einen dann nicht mehr gesprochen werden, wenn ein anderes Vorhaben in Rede stehe. Maßgeblich hierfür sei das vom Vorhabenträger verfolgte Ziel, wobei zu beachten sei, dass das Bundesverwaltungsgericht inzwischen von sog. Zielbündeln, also von einem Hauptziel und von untergeordneten Nebenzielen spreche. Am unteren Rand fielen Veränderungen des Vorhabens aus dem Alternativenbegriff heraus, die nicht zumindest zur Feststellung der Rechtwidrigkeit der Zulassungsentscheidung führen könnten.