Die Hochwasserkatastrophe hat etliche Menschen betroffen und viele in ihrer Existenz gefährdet. Manche Arbeitgeber möchten ihre von dem Unglück betroffenen Arbeitnehmer in dieser Situation finanziell unterstützen. Derartige Beihilfen werden grundsätzlich steuerfrei erfolgen können.
Einkommenssteuergesetz und Lohnsteuerrichtlinie
Das Einkommenssteuergesetz geht in § 3 Nr. 11 EStG davon aus, dass insbesondere Bezüge, die wegen Hilfsbedürftigkeit bewilligt werden, unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei sind. Das Gesetz selbst spricht insofern zwar von „öffentlichen Mitteln“, allerdings weitet die zu der gesetzlichen Vorschrift erlassene Lohnsteuerrichtlinie (R 3.11 LStR) den Anwendungsbereich auch auf Leistungen privater Arbeitgeber aus. Gemäß R 3.11 Abs. 2 Satz 1 LStR sind Unterstützungen, die von privaten Arbeitgebern an einzelne Arbeitnehmer gezahlt werden, steuerfrei, wenn die Unterstützungen dem Anlass nach gerechtfertigt sind, z.B. in Krankheits- und Unglücksfällen.
Diese sog. Notstandsbeihilfen sind grundsätzlich bis zu einem Betrag von 600,00 Euro je Kalenderjahr steuerfrei. Wird diese Summe überschritten, zählt der 600,00 Euro übersteigende Betrag nur dann nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn er aus Anlass eines besonderen Notfalls gewährt wird. Ob diese Voraussetzung vorliegt, beurteilt sich auch unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse und des Familienstandes des Arbeitnehmers.
Katastrophenerlasse der Finanzministerien
Die Finanzministerien von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Bayern haben am 16. bzw. 19.07.2021 jeweils mit Erlassen auf die Hochwasserkatastrophe reagiert, um den Geschädigten durch steuerliche Maßnahmen entgegenzukommen. Hierbei wurden auch Erleichterungen für Notstandsbeihilfen geschaffen.
So wird statuiert, dass im Allgemeinen bei vom Hochwasser betroffenen Arbeitnehmern von einem besonderen Notfall ausgegangen werden kann, der auch die steuerfreie Auszahlung von Beträgen über 600,00 Euro gestattet. Zudem brauchen bestimmte (weitere) formale Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach der Lohnsteuerrichtline, wie die Bewilligung der Unterstützungen nach einheitlichen Grundsätzen, nicht vorzuliegen.
Mit den Erleichterungen wird – dem Zweck der Erlasse entsprechend – eine unbürokratische Auszahlung von steuerfreien Unterstützungen an die vom Hochwasser betroffenen Arbeitnehmer durch den jeweiligen Arbeitgeber ermöglicht. Es wird (lediglich) verlangt, dass die steuerfreien Leistungen im Lohnkonto (§ 4 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 LStDV) aufzuzeichnen sind. Dabei ist auch zu dokumentieren, dass der die Leistung empfangende Arbeitnehmer durch das Hochwasser zu Schaden gekommen ist.
Praxishinweise
Die Steuerfreiheit von Unterstützungen an vom Hochwasser betroffene Arbeitnehmer ist – bei Vorliegen eines besonderen Notfalls, von dem die Finanzverwaltungen grundsätzlich ausgehen – anders als etwa bei Corona-Sonderzahlungen gemäß § 3 Nr. 11a EStG (bis zu 1.500,00 Euro) nicht auf einen bestimmten Betrag gedeckelt, weshalb auch höhere Beihilfen möglich sind. Die Lohnsteuerfreiheit führt schließlich dazu, dass die Notstandsbeihilfen auch sozialversicherungsrechtlich beitragsfrei sind. Die Notstandsbeihilfen kommen mithin in voller Höhe unmittelbar bei den betroffenen Arbeitnehmern an, sie werden „brutto wie netto“ ausgezahlt.
Zu beachten ist bei der Gewährung von Notstandsbeihilfen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, das auch für freiwillige (Entgelt-)Leistungen des Arbeitgebers gilt. Dieser kann zwar mitbestimmungsfrei das „Ob“ einer Zahlung sowie den Dotierungsrahmen, d.h. die zur Verfügung gestellten Mittel, bestimmen. Die Grundsätze für die Verteilung des „Topfes“ (das „Wie“) müssen allerdings gemeinsam mit dem Betriebsrat aufgestellt werden. Hierzu gehören etwa die Festlegung der Kriterien zur Bestimmung der Arbeitnehmer, denen Unterstützungen zukommen sollen, sowie die Höhe der diesen Arbeitnehmern aus dem „Topf“ zuzuwendenden Leistungen. Möglich ist beispielsweise eine Staffelung der Zahlungshöhe je nach erlittenem Schaden. Das Beteiligungsrecht kann im Rahmen einer Betriebsvereinbarung, aber auch durch eine formlose Regelungsabrede ausgeübt werden.
Arbeitgeber, die ihre Arbeitnehmer unterstützen wollen, haben schließlich den (arbeitsrechtlichen) Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Sollen etwa nicht sämtliche vom Hochwasser betroffenen Arbeitnehmer eine Unterstützung erhalten, bedarf es eines sachlichen Grundes für die Ungleichbehandlung. Denkbar wäre etwa, Notstandsbeihilfen auf besondere Härtefälle zu beschränken.
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