Mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) hat der Gesetzgeber auch die Anforderungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) umgesetzt und den Versuch unternommen, die Rechtsform der GmbH fit für den internationalen Wettbewerb zu machen. Erstmals hat der Gesetzgeber daher auch in § 4a GmbHG die Möglichkeit vorgesehen, den Sitz der tatsächlichen Geschäftsführung vom Satzungssitz abzuspalten: zukünftig kann eine GmbH mit Sitz im Inland den Sitz der effektiven Geschäftsführung ins Ausland verlegen.
Noch vor Inkrafttreten droht indes jetzt neuer Änderungsbedarf durch den EuGH:
In der Rechtssache Cartesio wollte die ungarische Kommanditgesellschaft Cartesio nach Italien umziehen, also ihren Verwaltungssitz dorthin verlegen. Das ungarische Registergericht dachte indes nicht daran, Cartesio ihrer Wege ziehen zu lassen. Das ungarische Recht kenne eine Sitzverlegung bei Aufrechterhaltung der Identität der Gesellschaft nicht, also müsse in Ungarn aufgelöst und sodann in Italien neu gegründet werden. Cartesio wandte sich gegen diese Entscheidung und das Rechtsmittelgericht rief den EuGH an und bat insbesondere auch um Klärung der Frage, ob die Behinderung des Wegzugs der Niederlassungsfreiheit entgegenstehe.
In den Schlussanträgen, die üblicherweise dem späteren Urteil entsprechen, misst der Generalanwalt Maduro die Wegzugsfreiheit an der Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrages: die Freiheit sich an einem Ort der Wahl niederzulassen enthält auch die Freiheit, diesen Ort wieder zu verlassen. Der Generalanwalt wertet die Sitzverlegung innerhalb eines Mitgliedstaates wie die über die Grenzen hinweg: wenn ersteres möglich ist, darf das zweite nicht verwehrt werden. Nur, wenn die Beschränkung dem Schutz gegen Missbrauch und betrügerische Machenschaften dient, kann eine Rechtfertigung – die notwendig ist – überhaupt bestehen, um eine Wegzugssperre oder –beschränkung bestehen.
Wenn auch noch manches unklar ist, deutet sich bereits jetzt an, dass der Wegzug, der derzeit noch wegen der zwingenden Auflösung der stillen Reserven steuerlich ruinös sein kann, nicht mehr durch das Schwert der Wegzugssteuer gestoppt werden kann und darf. Durch den Wechsel des statuarischen Sitzes würde zudem die Gesellschaft nicht mehr dem deutschen Fiskus unterfallen. Beides eröffnet gerade für international tätige Firmen neue Perspektiven.
Nicht vergessen werden sollte, dass die Schlussanträge auch einem echten Vergleichsshopping Tür und Tor öffnen – die englische Limited muss dann nicht nur mit einer Zweigstelle eingetragen werden, sondern kann auch ihren Hauptsitz in Deutschland nehmen, ebenso wir ein deutscher Unternehmer jetzt europaweit seine Geschäfte innerhalb deutscher GmbH’s, die allerdings ihren Sitz außerhalb Deutschlands haben dürfen, abwickeln kann.
Gleichwohl, auch wenn der EuGH so entscheidet, wie es nach den Schlussanträgen zu erwarten ist, wird es bei der Umsetzungsfreudigkeit der deutschen Gesetzgebung noch dauern, bis die Wegzugsfreiheit umgesetzt wird; die möglichen Steuerausfälle werden zur Verlangsamung ein übriges tun.
(Rechtssache Cartesio, EuGH Rs. C-210/06 – Cartesio –)