Die im letzten Sommer beschlossenen Änderungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gelten ab dem 28. Mai 2022. Neben dem Versuch, Rechtsunsicherheiten im Bereich des Influencer-Marketings zu beseitigen, bringt die Reform zusätzliche Informationspflichten für den Online-Handel mit sich, ergänzt die sog. Blacklist im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG, schafft neue Bußgeldtatbestände und führt einen Schadensersatzanspruch für Verbraucher ein. Im Folgenden stellen wir Ihnen die relevanten Neuerungen übersichtlich dar und geben Hinweise, was dies für Unternehmen bedeutet.
Informationspflichten im Online-Handel
Künftig legt § 5b UWG n.F. zusätzliche Informationspflichten im Online-Handel fest. Danach muss klar darauf hingewiesen werden, wenn ein Online-Verkauf durch einen Unternehmer erfolgt. Zudem müssen Online-Händler künftig darüber informieren, ob und wie sie sicherstellen, dass öffentliche Kundenbewertungen in ihrem Shop tatsächlich von Kunden stammen, welche die entsprechende Ware erworben haben. Nicht erfasst sind davon jedoch Verlinkungen zu Bewertungen auf anderen Websites.
Darüber hinaus müssen Online-Händler mit Suchfunktionen, die Waren von mehreren Anbietern anbieten, die Hauptparameter zur Festlegung der Anzeigereihenfolge sowie deren Gewichtung offenlegen. Soweit die Möglichkeit besteht, die Ergebnisse der Suchanfrage durch Zahlungen zu beeinflussen oder Werbung in den Ergebnissen anzuzeigen, muss dies klar kenntlich gemacht werden (Nr. 11a des Anhangs zu § 3 UWG n.F.).
Einschränkung der Dual Quality
Dual Quality meint die Praxis, Waren mit unterschiedlicher Qualität oder abweichenden Inhaltsstoffen optisch identisch in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten zu vertreiben. Diese teilweise in der Lebensmittelindustrie übliche Praxis ist künftig gem. § 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG n.F. eine irreführende geschäftliche Handlung. Wann Waren als „identisch“ zu betrachten sind, lässt die Regelung offen. Dabei ist jedoch die gesamte Aufmachung zu berücksichtigen. Eine korrekte Zutatenliste ist ohnehin Pflicht und genügt nicht als Unterscheidung. Ausnahmsweise kann eine Dual Quality-Vermarktung weiterhin zulässig sein, wenn dies durch legitime, objektive Faktoren gerechtfertigt ist (bspw. im Fall abweichender Rechtsvorschriften in Mitgliedstaaten).
Kennzeichnungspflichten für Influencer-Marketing
§ 5 Abs. 4 S. 2 UWG n.F. regelt künftig, dass eine Fremdwerbung dann nicht vorliegt, wenn der Handelnde kein Entgelt oder ähnliche Gegenleistungen von dem Unternehmen erhält. Der Erhalt oder das Versprechen von Gegenleistungen wird gemäß S. 3 dabei regelmäßig vermutet. Es genügt jedoch eine Glaubhaftmachung, bspw. durch eidesstattliche Versicherung oder Vorlage der Kaufbelege.
Unternehmen sollten beachten, dass die „ähnliche Gegenleistung“ weit ausgelegt wird. Darunter fallen also auch die Zurverfügungstellung von Testprodukten oder die Bezahlung von Reisekosten. Offen bleibt weiterhin, in welchen Fällen auch ohne Erhalt einer Gegenleistung eine Eigenwerbung des jeweiligen Influencers vorliegt. Regelmäßig ist eine solche Eigenwerbung durch Influencer jedoch unmittelbar zu erkennen und muss dann nicht gesondert gekennzeichnet werden.
Ergänzung der Blacklist
Die Blacklist im Anhang zu § 3 UWG n.F. enthält (neben dem oben aufgeführten Beispiel zu Werbung in Suchmaschinen) künftig folgende weitere Tatbestände, die automatisch als unzulässig gelten:
Geldbußen und Schadensersatz
Der neue Bußgeldtatbestand in § 19 Abs. 1 UWG n.F. macht Bußgelder von bis zu EUR 50.000 (bei einem Jahresumsatz unter EUR 250.000) oder bis zu 4 % des Jahresumsatzes des Unternehmens für die Verletzung bestimmter Verbraucherinteressen möglich. Damit steht künftig potenziell ein enorm hohes Bußgeldrisiko für Unternehmen im Raum. Dieses wird jedoch dadurch abgemildert, dass das Bußgeld lediglich bei einem „weitverbreiteten Verstoß“ (Art. 3 Nr. 3 (EU) 2017/2394) oder einem „weitverbreiteten Verstoß mit Unions-Dimension“ (Art. 3 Nr. 4 (EU) 2017/2394) und nur im Rahmen einer „unionsweit koordinierten Durchsetzungsmaßnahme“ (Art. 21 (EU) 2017/2395) verhängt werden darf.
Zudem führt die Reform einen Schadensersatz für Verbraucher gem. § 9 Abs. 2 UWG n.F. ein. Damit werden erstmals nicht mehr nur Mitbewerber geschützt. Der Anspruch besteht bei Verstößen gegen § 3 und § 7 UWG n.F. und setzt voraus, dass der Verbraucher durch die unzulässige Handlung zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst wurde, die er ansonsten anders getroffen hätte. Zudem muss er einen Schaden beweisen, was in der Praxis schwer werden wird.
Fazit und Handlungsempfehlung
Die zweite UWG-Reform innerhalb kurzer Zeit bringt erhebliche Änderungen für die Praxis mit sich. Insbesondere die neuen Informationspflichten im Online-Handel bedeuten eine große Herausforderung für Unternehmen im E-Commerce. Hier müssen Unternehmen Lösungen finden, wie sie die vielen verpflichtenden Informationen übersichtlich darstellen, ohne die Kunden zu überfordern oder abzuschrecken.
Weniger Bedeutung für die Praxis wird voraussichtlich die Änderung beim Influencer-Marketing haben. Diese gibt weitgehend die ohnehin bestehende Rechtsprechung wieder. Die Praxisrelevanz des Verbots der Dual Quality beschränkt sich auf wenige Branchen, in denen eine derartige Vermarktung üblich war (z.B. die Lebensmittelindustrie). Das potenziell enorm hohe Bußgeld und die Möglichkeit von Schadensersatzklagen durch Verbraucher wirken auf den ersten Blick bedrohlich, größere praktische Auswirkungen sind jedoch auch von diesen Änderungen eher nicht zu erwarten.