Wer traut sich?
Schon seit vielen Jahren ist vergleichende Werbung mit Produkten oder Leistungen der Konkurrenten – wenn auch unter strengen Voraussetzungen – erlaubt. Für Marketingabteilungen und Werbeagenturen stellt die Möglichkeit der vergleichenden Werbung eine spannende Herausforderung dar. Ein besonderer Reiz der vergleichenden Werbung besteht zum einen in Produktbereichen, in denen die Kaufentscheidung der Kunden nicht über die Qualität oder das Aussehen der Produkte, sondern ausschließlich über den Preis getroffen wird (etwa bei Mobilfunkverträgen, Energielieferung etc.). Hier kann der konkrete Vergleich der eigenen Preise mit den teureren Preisen der Konkurrenten einen spürbaren Werbeeffekt herbeiführen.
A-Strom Ct/kWh 20,04
B-Strom Ct/kWh 22,37
Vergleichende Werbung beschränkt sich allerdings nicht auf „spröde“ Zahlentabellen. Das Gesetz lässt vielmehr auch deutlich abstraktere Vergleiche bestimmter Eigenschaften der Produkte zu. Eine Auflistung von Preisen und technischen Daten ist nicht erforderlich.
Gerade die pauschaleren, durch Witz und Ironie geprägten Bezugnahmen auf den Wettbewerber heben eine Werbung zudem auch aus der Masse der gewohnten Produktanpreisungen hervor. Die Rechtsprechung stellt hier jedoch strenge Anforderungen auf. Die Grenzen zwischen der erlaubten ironischen und humorvollen Anspielung auf einen Mitbewerber und der unzulässigen Herabsetzung von Konkurrenten sind unscharf. Die Gestaltung einer zulässigen Werbeanzeige wird damit – wie verschiedene Urteile der vergangenen Jahre zeigen – zur Gratwanderung.
Noch im Jahr 2013 hatte des OLG Hamm folgende – durchaus provokative – vergleichende Werbung für eine neue Jugendbuchserie für zulässig erachtet.
Die angegriffene Abbildung zeigt eine freche, „neue“ Jugendbande, die in einen Konkurrenzkampf zu der bekannten Kinderbuchbande „Die wilden Hühner“ tritt. Mit dem Hinweis „Dieses Frühjahr müssen sich die anderen warm anziehen…“ beschießt ein Mitglied der neuen Jugendbande ein Buch der „Wilden-Hühner-Serie“ mit einem Fußball. Das OLG Hamm sah hierin einen zulässigen Vergleich der Protagonisten beider Buchserien. Das Umschießen des Buches „Die Wilden Hühner“ sei Ausdruck des „frechen“ Selbstverständnisses der neuen Bande. Der Vergleich sei somit zwar eine ironische, humorvolle Anspielung auf den Mitbewerber. Die Grenze zur unzulässigen Herabsetzung des Mitbewerbers sei jedoch nicht überschritten.
Ganz anders beurteilt das OLG Frankfurt a.M. im Jahr 2014 die vergleichende Werbung eines Telekommunikationsunternehmens. Dieses warb u.a. mit folgendem Motiv für seine – im jeweiligen Vergleich – günstigere Tarifstruktur.
m Vergleich zu dem OLG Hamm erwies sich der Senat des OLG Frankfurt in dem Fall als eher humorlos. Zwar könnten ironische, humorvolle Bezugnahmen auf einen Mitbewerber zulässig sein. Die Werbung des Telekommunikationsunternehmens gebe die Leistungen der Wettbewerber jedoch dem Spott und der Lächerlichkeit preis. Das Übersprühen der Unternehmensfarben des Wettbewerbers durch einen grinsenden Waschbären stelle eine plumpe, aggressive Maßnahme dar, die die Leistungen des Wettbewerbers pauschal abwerte. Die Werbung wurde – obwohl die darin getroffene Aussage über die bestehenden Preisvorteile offensichtlich zutraf – verboten.
Das Fazit: Vergleichende Werbung bereichert die Werbelandschaft erheblich. Die Wahrung der erforderlichen Objektivität und die Vermeidung einer unzulässigen Herabsetzung des in Bezug genommenen Wettbewerbers erfordert jedoch Fingerspitzengefühl und eine gute Kenntnis der Rechtsprechung. Verletzt die Werbung die gesetzlichen Anforderungen an den zulässigen Werbevergleich in § 6 UWG kann der betroffene Wettbewerber Unterlassungs- und ggf. auch Schadenersatzansprüche geltend machen. Wer traut sich?