Mit Urteil vom 05.04.2011 hat das VG Koblenz die Heranziehung eines Entsorgungsunternehmens, welches die Lieferung von Abfällen auf ein ihr zustehendes Entsorgungskontingent in einer für die Verfüllung mit solchen Abfällen nicht geeigneten und nicht genehmigten Kiesgrube veranlasst hatte, für rechtmäßig erklärt. Das Entsorgungsunternehmen gehöre als Zweckver-anlasser der Ablagerung bzw. Verkippung der Abfälle zum Kreis möglicher Adressaten einer Gefahrbeseitigungsverfügung nach § 17 Landesabfall-wirtschaftsgesetzgesetz Rheinland-Pfalz (LAbfWG). Auch sei die Auswahl der Klägerin unter den potenziellen Adressaten der Verfügung nicht zu beanstanden. Insbesondere kämen neben der Klägerin als Vermittlerin der Abfallentsorgungsmaßnahme lediglich noch die Kiesgrubenbetreiberin und deren Angestellte, nicht aber die ursprünglichen Abfallbesitzer als potenzielle Adressaten der Beseitigungsverfügung in Betracht. Deren Heranziehung sei jedoch weniger erfolgversprechend gewesen und habe daher bei der Auswahl-entscheidung außer Betracht bleiben dürfen.
Der zugrunde liegende Sachverhalt
Bei der Klägerin handelt es sich um einen Entsorgungsfachbetrieb, welcher auch über die Genehmigung für Vermittlungsgeschäfte nach dem Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetz verfügt. Nach vorbereitenden Gesprächen und der Vorlage von Probenmaterial und einer Materialanalyse seitens der Klägerin, bot diese im September 2007 der Betreiberin einer Kiesgrube, die über eine Genehmigung zur Auffüllung mit Bodenaushub bestimmter Vorsorgewerte verfügt, die regelmäßige Lieferung von Siebsanden aus der mechanischen Sortierung von Baumischabfällen (Abfallschlüssel 19 12 09) zur Verfüllung der Kiesgrube an. Nachdem die Kiesgrubenbetreiberin die Annahme der Materialien erklärt hatte, wurden zwischen Juli 2007 und Februar 2008 über 16.000 t des als Siebsande bezeichneten Materials in die Kiesgrube verbracht. Im Februar 2008 wurde der Kiesgrubenbetreiberin durch die zuständige Behörde unter Sofortvollzugs-anordnung die weitere Annahme und Verfüllung dieser Abfälle untersagt, da es sich zum einen nicht um Bodenaushub handele und zum anderen die genehmigten Vorsorgewerte nicht eingehalten würden. Eine spätere Untersuchung der fraglichen Materialien ergab, dass es sich hierbei um ein Gemisch aus geschreddertem Hausmüll oder hausmüllähnlichen Abfällen mit einem untergeordneten Anteil an mineralischer Bauschuttfraktion (Abfall-schlüssel 19 12 12) handelte; wegen der drohenden Grundwasserverun-reinigung bestehe außerdem dringender Handlungsbedarf. Im Anschluss fanden umfangreiche Verhandlungen zwischen der zuständigen Behörde, der Kies- grubenbetreiberin, der späteren Klägerin sowie drei der als Erzeuger der angelieferten Abfälle ermittelten früheren Abfallbesitzer statt. Diese zielten auf den Abschluss eines Vertrages zur Entfernung und Entsorgung der Abfälle, blieben aber – insbesondere aufgrund der ablehnenden Haltung der späteren Klägerin – ohne Ergebnis. Nach dem endgültigen Scheitern der Verhandlungen verpflichtete der betroffene Landkreis schließlich die Klägerin gemäß § 17 LAbfWG, die angelieferten Abfälle aus der Kiesgrube zu entfernen. Hiergegen wandte sich diese unter anderem mit der Begründung, sie sei schon deshalb nicht für die Entfernung der Abfälle aus der Kiesgrube heranzuziehen, weil das fragliche Material zwischenzeitlich mit dem Boden verwachsen sei und daher nicht das Abfallrecht, sondern allenfalls das Bodenschutzrecht zur Anwendung kommen könne, nach dem sie nicht Verpflichtete sei. Zudem setze eine abfallrechtliche Verantwortlichkeit stets Abfallbesitz voraus. Sie selbst habe jedoch weder zum Zeitpunkt der Verfüllung noch vorher unmittelbaren oder mittelbaren Besitz an den fraglichen Materialien gehabt. Vielmehr habe sie lediglich als Abfallmaklerin agiert. Hiergegen spreche auch nicht, dass die Abfälle – jedenfalls größtenteils – vor der Verbringung in die Kiesgrube auf ihrem Betriebsgrundstück verwogen worden seien. Denn da das Material auf den Lkw verblieben sei, habe sie keine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit gehabt. Zudem berief sie sich auf Ermessensfehler bei der Störerauswahl.
VG Koblenz: § 17 LAbfWG erfordert keinen Abfallbesitz
All diese Einwände blieben jedoch letztlich ohne Erfolg. Das VG stellt insofern zunächst klar, dass das zu beseitigende Material durchaus noch dem abfall- rechtlichen Regime unterfalle, zumal auf den im Prozess vorgelegten Lichtbildern deutlich Reste von Haushaltsabfällen zu erkennen seien und auch nach den erfolgten Begutachtungen des Materials eine Trennung des fraglichen Abfalls von dem darunter liegenden Gelände wenn auch nicht wirtschaftlich un- problematisch, so doch technisch möglich erscheine. Weiter macht das Ver- waltungsgericht deutlich, dass § 17 LAbfG als Regelung zur Gefahrenabwehr auf dem Gebiet des Abfallrechts und nicht als Ermächtigung zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Beseitigung oder Verwertung von Abfällen anzusehen sei. Entsprechend sei Adressat einer abfallrechtlichen Gefahrbeseitigungsver-fügung auf der Grundlage von § 17 LAbfWG auch nicht der in § 21 KrW-/AbfG genannte Abfallerzeuger oder -besitzer, sondern vielmehr derjenige, der den rechts-widrigen Zustand herbeigeführt habe und damit der Verhaltensstörer im polizeirechtlichen Sinne. Dies schließe aber nicht aus, dass im jeweiligen Fall der Störer mit dem Abfallbesitzer oder -erzeuger identisch sein könne. Auch könnten Anordnungen nach § 17 LAbfG und § 21 KrW-/AbfG derart aufeinander aufbauen, dass zunächst über § 17 LAbfG der Verhaltensstörer in die Rolle des Abfallbesitzer hineingezwungen und sodann als Abfallbesitzer für die Entsorgung herangezogen würde.
Ausgehend von diesen Grundsätzen gehöre die Klägerin vorliegend als Zweck-veranlasserin der Abfallablagerung zum Kreis der potentiellen Adressaten einer abfallrechtlichen Gefahrbeseitigungsverfügung. Die Klägerin sei dabei schon deshalb als Zweckveranlasserin anzusehen, weil sie mit ihrem Verhalten, insbesondere den von ihr mit den Abfallerzeugern einerseits und der Kies- grubenbetreiberin andererseits abgeschlossenen Verträgen, die Abfall- entsorgung in Gang gesetzt habe, die sich letztlich als rechtswidrig erwiesen habe. Das Verwaltungsgericht betont, dass die Klägerin die alleinige Herrin des gesamten Entsorgungsgeschehens gewesen sei. Sämtliche Verträge seien nur mit ihr abgeschlossen worden; zudem sei die Lieferung der Abfälle auf ihr in der Kiesgrube bestehendes Verfüllkontingent erfolgt. Sie habe folglich bestimmen können, wer in welchem Umfang auf dieses Kontingent liefere. Darauf, ob sie auch Besitz an den verfüllten Materialien erlangt habe, komme es daher gar nicht an. Abgesehen davon sei das Argument der Klägerin, sie sei nur als Abfall- maklerin im Sinne des § 50 KrW-/AbfG aufgetreten, aber auch nicht stichhaltig. Denn jedenfalls bei den auf ihrem Betriebsgelände vorgenommenen Wiege-vorgängen bzw. bei den teilweise durch sie selbst vorgenommenen Transporten, habe sie zweifellos Besitz an den fraglichen Abfällen erlangt. Zudem ergebe sich aus den in den Verwaltungsakten befindlichen Verträgen mit den Abfallerzeugern eindeutig, dass die Klägerin nicht nur die Verbringung von Abfällen vermittelt, sondern sich vielmehr zur Entsorgung der Abfälle verpflichtet habe.
Kein Ermessensfehler bei Heranziehung des Verhaltensstörers
Das VG Koblenz führt weiter aus, dass dem beklagten Landkreis keine gerichtlich zu beanstandenden Ermessensfehler bei der Entscheidung unterlaufen seien, gerade und ausschließlich die Klägerin zur Entfernung der fraglichen Abfälle heranzuziehen. Da das zum Umweltrecht zählende Abfallrecht durch das Verursacherprinzip geprägt sei, sei die Auswahl der nach § 17 Abs. 1 LAbfWG heranzuziehenden Person in Richtung Handlungsstörer/Verursacher intendiert. Folglich bräuchten bei der Adressatenauswahl ohnehin nur die möglichen Handlungsstörer in den Blick genommen zu werden. Hierzu zählten in der konkreten Fallgestaltung jedoch insbesondere die ursprünglichen Abfall-erzeuger gerade nicht, diese hätten auf die ordnungsgemäße Entsorgung ihrer Abfälle durch die als Entsorgungsfachbetrieb zertifizierte Klägerin vertrauen dürfen. Neben der Klägerin kämen folglich nur die Kiesgrubenbesitzerin sowie deren Angestellte als Störer in Betracht. Die Auswahl zwischen diesen Störern sei dabei ermessensfehlerfrei zu Lasten der Klägerin ausgefallen. Insbesondere habe der Landkreis in rechtmäßiger Weise berücksichtigt, dass nur die Klägerin als zertifiziertes Abfallentsorgungsunternehmen aller Voraussicht nach über die nötige Logistik für den Ausbau und Abtransport der Materialien verfüge. Ebenso habe der Landkreis die begrenzten finanziellen Möglichkeiten der Kies- grubenbetreiberin bei der Störerauswahl berücksichtigen dürfen. Schließlich sei die Heranziehung der Klägerin trotz der durchaus erheblichen Entsorgungs-kosten (diese schätzt das Gericht auf immerhin 2,5 Mio. Euro) und trotz der nur beschränkten Kapazitäten der Klägerin zur Lagerung von Abfällen auch nicht unverhältnismäßig.
Erfreuliche Klarstellung der Verantwortlichkeiten
Insgesamt bedeutet das Urteil eine erfreuliche Klarstellung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der an einem Entsorgungsvorgang beteiligten Personen. Ein Unternehmen, welches im Wissen um die vorhandene Genehmigungssituation Entsorgungskontingente für Abfälle vermittelt, die den genehmigungsrechtlichen Anforderungen nicht entsprechen, kann sich nach zutreffender Ansicht des VG Koblenz nicht pauschal unter Hinweis auf eine angebliche besitzlose Maklerstellung anschließend seiner Verantwortlichkeit für die veranlasste rechtswidrige Abfallablagerung entziehen. Vielmehr ist jeweils im Einzelfall zu untersuchen, wer tatsächlich die Herrschaft über den fraglichen Entsorgungsvorgang hatte und diesen aus seiner Herrschaftsstellung heraus ebenso einleiten wie auch beenden konnte. Zustimmung verdient das Urteil zudem auch insoweit, als klargestellt wird, dass sich Abfallerzeuger weiterhin auf die Entsorgungsfachbetriebszertifizierung eines Entsorgers verlassen dürfen und nicht damit rechnen müssen, für eine tatsächlich rechtswidrige Ablagerung ihrer Abfälle nachträglich ordnungsrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Damit ist zwar nicht ausgeschlossen, dass der Abfaller-zeuger später noch für die endgültige Entsorgung der Materialien nach § 21 KrW-/AbfG herangezogen werden kann; die erforderliche Ermessenent-scheidung dürfte jedenfalls in Fällen wie dem vorliegend entschiedenen jedoch regelmäßig zu Lasten des aktuellen Abfallbesitzers ausfallen, der seine Besitzerstellung aufgrund einer ordnungsrechtlichen Verfügung nach dem Landesabfallgesetz erlangt hat.