Transparenz ist im Vergabeverfahren, wie bereits § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB an prominenter Stelle zeigt, von elementarer Bedeutung. Das Vergaberecht des GWB konkretisiert den Anspruch auf ein transparentes Vorgehen des öffentlichen Auftraggebers in zahlreichen Vorschriften – darunter auch in § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB im Hinblick auf die Vorabmitteilung über die beabsichtigte Bezuschlagung des Angebots eines Wettbewerbers. Zu den an die Übermittlung dieser Vorabinformation gestellten Anforderungen hat sich nun die VK Südbayern geäußert und eine durchaus strenge Auffassung vertreten (Beschl. v. 29.03.2019, Z3-3-3194-1-07-03/19).
Was war passiert?
Die Auftraggeberin beabsichtigt die Vergabe eines Lieferauftrags in einem offenen Verfahren. Mehrere Bieter gaben Angebote ab. Unter den Bietern befand sich auch die spätere Antragstellerin, die am 01.03.2019 eine E-Mail mit folgendem Inhalt erhielt:
„Sehr geehrter Bieter,
zu nachfolgender Vergabe hat der Ausschreiber eine Mitteilung bereitgestellt. Die Informationen stehen Ihnen im SOL-System zur Einsichtnahme und Bearbeitung zur Verfügung. Sie können den Empfang der Mitteilung bestätigen und darauf antworten.“
Die Antragstellerin hat nach Erhalt der E-Mail noch am 01.03.2019 die seit dem 22.02.2019 freigeschaltete Information nach § 134 GWB von der eVergabeplattform heruntergeladen. In dieser Information wurde sie darüber informiert, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werde, da ein niedrigeres Hauptangebot vorliege und ihr Angebot nicht das Wirtschaftlichste sei. Am 04.03.2019 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Bezuschlagung des Wettbewerberangebots; mangels Reaktion durch die Auftraggeberin leitete sie sodann am 06.03.2019 ein Nachprüfungsverfahren ein. Die Auftraggeberin vertrat daraufhin im Nachprüfungsverfahren u. a. die Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag nicht fristgemäß eingereicht worden sei, da zwischen der Freischaltung der Vorabinformation im Vergabeportal am 22.02.2019 und der Einreichung des Antrags am 06.03.2019 mehr als 10 Kalendertage vergangen seien.
Entscheidung der VK Südbayern: Einstellen zum Download ist keine Information in Textform
Da die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag zwischenzeitlich (aus anderen Gründen) zurückgenommen hatte, musste die Vergabekammer nur noch über die Kosten entscheiden. Diese teilte sie im Ergebnis aus Billigkeitsgründen (ausnahmsweise) hälftig zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Dabei verwies sie darauf, dass den Auftraggeber ein bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigendes, schwerwiegendes Verschulden treffe. Die Antragsgegnerin habe nämlich keine Mitteilung nach § 134 GWB versandt, so dass die Antragstellerin von der beabsichtigten Zuschlagserteilung an den Wettbewerber zu spät erfahren und sich genötigt gesehen habe, das Nachprüfungsverfahren (vorschnell) einzuleiten.
Es genüge nicht, dass die Antragsgegnerin die Informationen bereits am 22.02.2019 für die Antragstellerin auf der Vergabeplattform freigeschaltet und die Antragstellerin hierüber später in Kenntnis gesetzt habe. Mit der E-Mail vom 01.03.2019, die keine der notwenigen Informationen nach § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB enthalten habe, sei die Antragstellerin nämlich lediglich dazu aufgefordert worden, die Mitteilung selbst abzurufen. Maßgeblich sei aber, dass die Information in Textform gem. § 126b BGB zur Verfügung gestellt werde. Dies erfordere die Abgabe einer lesbaren Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt sei, auf einem dauerhaften Datenträger. Neben der papiergebundenen Übermittlung des Informationsschreibens genüge zwar auch die Übermittlung per E-Mail und Fax dem Erfordernis der dauerhaften Wiedergabemöglichkeit, nicht jedoch das Einstellen auf einer Internetseite.
Bei Erklärungen, die in das Internet eingestellt, dem Empfänger aber nicht übermittelt werden, sei die Textform allenfalls gewahrt, wenn es tatsächlich zum Download komme. Da die Rechtswirksamkeit einer Information nach § 134 GWB aber nicht von der Zufälligkeit abhängen könne, dass ein Bieter diese herunterlade, könne das bloße Freischalten der Information auf der Vergabeplattform den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen. Die VK Südbayern stellt in ihrer Entscheidung daher abschließend auch nochmal klar, dass der Auftraggeber vor der Zuschlagserteilung eine ordnungsgemäße Mitteilung nachholen und an die unterlegenen Bieter versenden müsse.
Fazit
Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass die elektronische Abwicklung von Vergabeverfahren zu komplizierten Auslegungs- und Abgrenzungsfragen führt. Öffentliche Auftraggeber können der Entscheidung dabei deutlich entnehmen, dass bei der Versendung der Vorabinformation allerhöchste Sorgfalt geboten ist. Wenn Auftraggeber daher schnell, rechtssicher und auch nachweisbar die (kürzere) 10-tägige Wartefrist des § 134 Abs. 2 Satz 2 GWB in Gang setzen wollen, so empfiehlt sich weiterhin eine Versendung der Mitteilung via E-Mail oder Telefax.
Bieter sollten indessen keineswegs darauf vertrauen, dass die bieterschützende Auffassung der VK Südbayern in Stein gemeißelt bleibt, da die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung der VK Südbayern bereits beim OLG München (unter dem Aktenzeichen Verg 10/19) anhängig ist. Den Bietern ist daher zu empfehlen, dass sie ihr Postfach auf der eVergabeplattform in regelmäßigen Abständen – idealerweise täglich – auf neue Nachrichten prüfen. Dies erscheint insbesondere auch deshalb geboten, weil in Zeiten der verpflichtenden eVergabe oberhalb der EU-Schwellenwerte auch mit guten Argumenten vertreten werden könnte, dass das elektronische Empfangspostfach des Bieters – für die in Rede stehende Ausschreibung – ab dem Zeitpunkt der dortigen Registrierung auf die eVergabeplattform ausgelagert wird.