Mit dem zum 01.01.2021 in Kraft getretenen Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StRUG) hat der Gesetzgeber seine Verpflichtung zur Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1023) in das deutsche Recht vollzogen. Mit einem für das deutsche Recht neuen Ansatz werden durch das Gesetz Sanierung und Restrukturierung in ihrem Anwendungsbereich mit einer neu geschaffenen und optional durch den Schuldner zu gestaltender Struktur versehen, um eine verbesserte Akzeptanz am „Markt“ zu finden. Für Geschäftsleiter und Berater ergeben sich hieraus neue Pflichten und Haftungsmöglichkeiten.
Innenhaftung der Geschäftsleiter
Die zentrale Haftungsnorm ist § 43 StaRUG. Handelt es sich bei dem Schuldner um eine juristische Person oder um eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 InsO, wirken dessen Geschäftsleiter darauf hin, dass der Schuldner die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreibt und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahrt. Für die Verletzung dieser Pflicht haften sie dem Schuldner in Höhe des den Gläubigern entstandenen Schadens, es sei denn, sie haben die Pflichtverletzung nicht zu vertreten (§ 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 StaRUG).
Die Haftung knüpft an den formellen Tatbestand der Rechtshängigkeit einer Restrukturierungssache an. Der Haftungsmaßstab ist vergleichbar mit dem in § 43 Abs. 1 GmbHG bzw. § 93 Abs. 1 AktG. Anders als bei diesen beiden Normen verpflichtet § 43 StaRUG die Geschäftsleitung ausdrücklich zur Wahrung der Gläubigerinteressen. Gleichwohl ist die Haftung nach § 43 StaRUG als reine Innenhaftung der Geschäftsleitung gegenüber der Gesellschaft ausgestaltet. In der Praxis dürfte dies bedeuteten, dass Haftungsansprüche erst im Fall eines Scheiterns der Restrukturierung durch einen später eingesetzten Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.
Ersatzfähig ist nach § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG der Quotenschaden, also die Minderung des haftenden Schuldnervermögens. Der Schuldner, in der Praxis wohl regelmäßig der Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass und inwieweit ihm durch das Handeln der Geschäftsleiter in deren Pflichtenkreis ein Schaden entstanden ist. Der Schuldner kann sich hinsichtlich des Vorliegens und der Höhe des Schadens sowie der haftungsausfüllenden Kausalität auf die Beweiserleichterung nach § 287 Abs. 1 ZPO berufen.
Eine Haftung der Geschäftsleitung kommt nicht in Betracht, wenn diese die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, wobei sie gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG den Nachweis fehlenden Verschuldens oder den Nachweis, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Handeln entstanden wäre, führen muss. Schon angesichts des Wortlauts dieser Regelung ist damit zu rechnen, dass die Rechtsprechung die zur Geschäftsführer- und Vorstandshaftung entwickelten Darlegungs- und Beweislastgrundsätze auch bei § 43 StaRUG anwenden wird.
Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass eine Haftung von Aufsichtsräten in Betracht kommen kann, wenn sie schuldhaft nicht darüber wachen, dass die Geschäftsleiter ihren Pflichten nach § 43 Abs. 1 Satz 1 StRUG nachkommen. Diese Vorschrift enthält als Ausfluss des Legalitätsprinzips eine gesetzliche Pflicht für die Geschäftsleitung. Die Einhaltung solcher Pflichten zu überwachen, ist eine elementare Pflicht des Aufsichtsrats.
Ausnahmsweise: Außenhaftung der Geschäftsleiter
In § 57 StaRUG enthält das Gesetz einen Tatbestand der Außenhaftung. Nach dieser Regelung haftet die Geschäftsleitung des Schuldners gegenüber den Gläubigern auf Ersatz von Schäden, die diese dadurch erleiden, dass das Schuldnerunternehmen durch schuldhaft falsche Angaben eine Stabilisierungsanordnung erwirkt.
Weitere Pflichten und Risiken für die Geschäftsleitung nach dem StaRUG
Die Geschäftsleitung haftet den Gläubigern ferner auf Ersatz von Schäden, die aus einer nicht ordnungsgemäßen Auskehrung oder Verwahrung von Erlösen gemäß § 54 Abs. 2 StaRUG entstehen. Auch eine Außenhaftung nach § 826 BGB oder nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 a StGB wird durch das StaRUG nicht verdrängt.
Das ab Eintritt der Insolvenzreife bestehende Zahlungsverbot des neuen § 15b InsO (vormals in § 64 GmbHG a.F. geregelt) löst bei Außerachtlassung der „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ eine Pflicht der Geschäftsleitung zum Ersatz der verbotenen Zahlung(en) aus. Eine ausdrückliche Privilegierung für bestimmte Zahlungen in Restrukturierungssachen sieht § 89 Abs. 3 StaRUG vor, wenn die Geschäftsleitung ihrer Anzeigepflicht nach § 32 Abs. 3 und § 42 Abs. 1 Satz 2 StaRUG nachgekommen ist. Unterlässt die Geschäftsleitung die erforderliche Anzeige einer während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache eingetretenen Zahlungsunfähigkeit i.S. § 17 Abs. 2 InsO oder einer Überschuldung i.S.d. § 19 Abs. 2 InsO, entfällt die Privilegierung der Zahlung und die Geschäftsleitung macht sich gemäß § 42 Abs. 3 StaRUG strafbar. Da die Anzeigepflicht nach § 42 StaRUG der Insolvenzantragspflicht nach § 15 a InsO nachgebildet ist und diese ersetzt, wird in der Literatur teilweise angenommen, dass im Fall einer Verletzung der Anzeigepflicht eine Außenhaftung der Geschäftsleitung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 42 Abs. 1 Satz 2 StaRUG in Betracht kommt. Rechtsprechung hierzu gibt es, soweit ersichtlich, noch nicht.
Beraterhaftung
Bei der Erstellung eines Jahresabschlusses für einen Mandanten haben Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte nach § 102 StaRUG den Mandanten auf das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes nach den §§ 17 bis 19 InsO und die sich daran anknüpfenden Pflichten der Geschäftsleiter und Mitglieder der Überwachungsorgane hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und sie annehmen müssen, dass dem Mandanten die mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist. Zwar muss hiernach auch ein Hinweis auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit erfolgen. Ein solcher Hinweis löst aber keine ausdrücklichen Pflichten der Geschäftsleitung aus. Ein kausal auf der Verletzung der Hinweispflicht basierender Schaden dürfte damit schwer darzulegen sein. Anderes kann es sich bei einem fehlenden Hinweis auf eine mögliche Insolvenzreife nach §§ 17, 19 InsO verhalten, wobei eine diesbezügliche Hinweispflicht von der Rechtsprechung ohnehin spätestens seit dem Jahr 2017 angenommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2017 – IX ZR 285/14).
Haben Sie Fragen zur Haftung von Geschäftsleitern, Aufsichtsratsmitgliedern und/oder Beratern im Zusammenhang mit Unternehmen in der Krise? Wir beraten Sie gerne! Dies gilt natürlich auch für alle anderen Fragen zur Organ- oder Berufshaftung sowie dem Insolvenzrecht.